Zeichnung (149) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"1975. Wir waren durch die Toll Booths des New Jersey Turnpikes gefahren, ohne zu bezahlen. Drei Polizeiautos verfolgten und stoppten uns, keiner von uns hatte einen Führerschein dabei. Ich weiß nicht, welche Geschichte Sheila McLaughlin den Polizisten erzählt hat, aber sie ließen uns weiterfahren bis nach Stone Harbour südlich von Atlantic City, in ein Holzhaus am Atlantischen Ozean, das inzwischen von einem Biest von Wirbelsturm ins Meer gerissen worden ist. Tim Kennedy sitzt auf der Kühlerhaube unseres Wagens, Silke Grossmann und Gary Woods stehen daneben und Sheila kommt mit der Schale eines Horseshoe Krebses vom Strand zurück. Ich kann mich an nichts erinnern, und doch ist alles gegenwärtig, eine Relation zwischen Wolken und Tischen mit halbgelesenen Büchern darauf. Wir rauchten Gras und mein Gehör reagierte auf das kleinste Geräusch mit Schmerzen. Zwei Doppelbetten und ein einzelnes Bett wurden aufgeschlagen. Eine halbleere Flasche stand auf dem Tisch. Der Ton einer Unterhaltung an einem Tisch schwebte im Raum, unerträglich laut." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1977) 

Zeichnung (150) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Dial NERVOUS for the time. Mit angespitzten Bleistiften die Buchstabenwählscheibe eines schwarzen Telefons bedienen, obwohl der schwere Hörer noch aufliegt. Ein Blick aus dem vorderen Raum unseres Railroad-Apartments auf die nächtliche President Street in Brooklyn im Winter 1975. Von links unten ragt ein Nordlicht ins Bild, das den Telefonapparat abschirmt. Der Vermieter hatte uns einen mannshohen Kühlschrank zur Verfügung gestellt, um die Kücheneinrichtung zu vervollständigen. Vor unserer Haustür war der Schrank beim Transport zu Boden gefallen. Dabei hatte sich seine Tür weit geöffnet, und Horden von Kakerlaken entströmten seinem Inneren. Weithin sichtbar liefen sie über den Schnee und verschwanden in irgendwelchen Ritzen. Nicht nur deshalb verabscheuten uns die Nachbarn mit puertoricanischer und italienischer Abstammung. Wir wohnten direkt auf der Trennlinie zwischen ihnen, eine weitere Ethnie war nicht erwünscht. Ein anonymer Brief, der kurz darauf in unserem Briefkasten befand, begann so: 'Dear Sirs ...'". (Aus: arsenal, januar 17).

(1984) 

Zeichnung (151) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Fortsetzung des anonymen Briefes, Brooklyn 1975: '... The people of President Street are upset of your actions. The little children SEE what's going on in that room. Either you put something to cover your windows, or you get off the block and move. We are waiting 1 week. If you don't cover your windows, you'll hear from us again but next time not so friendly. Thank you for your cooperation.' Eine gewisse Verstörung und Verunsicherung waren die Folge, und wir zogen in vorweggenommener Aktion zurück nach Manhattan. Rechts zwischen den Textzeilen des Briefes stellt eine auf dem Boden knieende Frau ein Warnschild in einem weißen Kreis auf. Auf der linken Seite ein Telefon-Doodle mit einem Frauenakt ohne Kopf, dem Portrait meiner Stirn und dem Kopf eines französischen Polizisten. Das vorsätzliche Bemühen, Häßlichkeit zu produzieren, gelang ohne große Anstrengungen und auch ohne die ideologischen Verrenkungen der albern deutsch „wild“ genannten Malerie der 80er Jahre. Tatsächlich kann ich überall Hakenkreuze erkennen." (Aus: arsenal, februar 17).

(1984) 

Zeichnung (152) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Text under construction"

Bautzen. 

(1996) 

Zeichnung (153) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Text under construction"

Klappe. 

(1997) 

Zeichnung (154) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein rohes Ei zwischen Fuß und Gaspedal. Cruising in der Sommerhitze auf einer Straße in San Diego, 1975, ein Dreiecksverhältnis aus dem Film Hotel - zwei Menschen und eine Kamera als wanderndes Koordinatensystem. Ein Blick auf den Rand des Highways von San Diego nach Buckeye, Arizona. Eine aufgereihte Vertikalität, Objekte, die durch sich hindurch auf den Erdmittelpunkt zielen. Eine in sich selbst ruhende Schwerkraft, 90 Grad Winkelverhältnisse als ökonomischste Lösung von Stabilitätsproblemen. Könntest du dagegen den Blick zum Stottern bringen wie der Wind, der diese Ordnung entwurzelt. Elf isolierte Details dieses Blicks, die Verzögerung eines vorbeirauschenden Sinns, die Demontage eines nur von Geschwindigkeit konstituierten Zusammenhangs. Vier Bäume, drei Telegraphenmasten, zwei Schilder mit dem Wort Muschelschale, eine Straßenlaterne und ein flaches Haus. Der fahrende Blick und die angehaltene Bewegung in der Betrachtung. Weißblenden, auf denen Nachbilder den Sinn durch Wiederholung ins Erkennbare ziehen." (Aus: flypaper #5, 2010).

(1984)

Zeichnung (155) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Rand und Stöpsel einer Badewanne in Hamburg-Wellingsbüttel, Ende der 60er Jahre, in denen ich nichts Formatives erkennen kann - außer, dass man sich verziehen mußte. Auftritt eines Backhörnchens als negative Mondsichel. Eine Cruising-Szene zwischen einem Radfahrer und einem Fußgänger auf einem verfallenden Holzpier am Hudson River nahe der 14. Straße in Manhattan, 1975, als Insert auf einem langgestreckten Rechteck.  Sexbetrieb, Ende der 70er Jahre: Geclonte militärische Zeichensysteme, Attribute, Accessoires im Frieden, zum Spielen: Can I help you? Ein Mann in Jeans und Lederstiefeln sitzt breitbeinig auf einem gußeisernen XXX-Straßenpoller in Kopenhagen oder Amsterdam - aus einer Werbung für ein österliches Ledertreffen in Hamburg. Die spektakuläre Freiheit, Die letzten Geheimnisse der Republik: Der UN-Menschenrechtsbeauftragte kommt aus NYC an der Hundeleine seines Freundes auf allen Vieren vorbei. Michel Foucault am Ende seiner Reise in den Dampfräumen von Hamburg, das er aus seiner Zeit als Leiter des dortigen Institut Francais schon seit 1959 kannte." (Aus: Strapazin Nr. 109, 2012).

(1983) 

Zeichnung (156) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Die Kreuzung von Houston Street und Broadway in NYC mit dem Eingang des Puck-Buildings, 1975 von Alphons Schilling skizziert. L(ove): Manhattan als Riesenpenis über den Beinen eines hockenden, nackten Mannes, der sich einen unterarmlangen Dildo einführt. Die Cruising-Szene zwischen Radfahrer und Spaziergänger am Hudson River diesmal als Totale. Ein schwarzes Hemd mit kurzen Ärmeln ist aus dem Innenraum einer grauen 3 herausgefallen. Ein paar verlorene Tanzschritte, Wischspuren, der grau kopierte Boden der Tatsachen, die cul-de-sac einer Utopie. Material für den Film Die letzten Geheimnisse der Republik nach Edgar Poes Roman Arthur Gordon Pym of Nantucket: ein Film, der die neunmonatige Reise eines Freundespaares durch die heterotopischen Räume westlicher Großstädte analog zu den Entwicklungsstufen eines Embryos nachvollzieht. Der Text Wächter über die Nacht der Menschen, den Michel Foucault 1963 für Rolf Italiaander veröffentlicht hat, war ein Ausgangspunkt des Projektes: 'Schließlich können sich nur einsame Menschen eines Tages treffen.'" (Aus: Strapazin Nr. 109, 2012).

(1983) 

Zeichnung (157) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Im Hintergrund das Negativ der Radierung Haus am Fluß (1834) von Carl Blechen, seitenverkehrt und gestaucht. Ein italienisches Pornomodell aus dem Magazin Inches erscheint hinter einem anonymen Ölschinken mit dem Titel Mühle am Fluß. Sein aufrechter Leib mit der blanken Brust bildet in der linken, unteren Bildecke einen rechten Winkel zu seinem steifen Penis. Ein schwarzer Faustficker streckt seine eingeölte, linke Hand mit ihrem eingezogenem Daumen der rechten Hand eines Weißen zur Begrüßung entgegen. Ein vorübergehender Gesellschaftsvertrag zwischen consenting adults wird für die Dauer eines sexuellen Aktes per Handschlag geschlossen. Praktizierende Mitglieder einer global organisierten Dienstleistungsgesellschaft bei ihrer produktiven Arbeit am Imaginären. Gift giver und gift receiver in den Bungalows von Palm Springs, die die Endzeit predigen und sich bei der Weitergabe und dem Empfang des Virus hochleben lassen.  Die Kunst der Verzweiflung und die Happy Hour der Verzweifelten." (Aus: Strapazin Nr. 109, 2012).

(2007) 

Zeichnung (158) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Das Schiff aus der Radierung Haus am Fluß von Carl Blechen, seitenverkehrt - eine Würdigung des von Joachim Patinir 1524 gemalten Bildes Überfahrt in die Unterwelt. Wie setzt man gekonnt über, welche Transformation lässt den Leib erblühen, bevor er erkaltet? Setzen wir Segel, rudern wir, lassen wir uns treiben? Dazu die seitenrichtige Persiflage einer Landschaft aus demselben Bild: Hände an Selleriestrunken, Blasrohre, Speere aus Bambus für den Banzai Angriff der Japaner gegen amerikanische Soldaten auf Saipan im Juli 1944, und eine Schraubenmutter. Wo klammere ich mich gekonnt am Ufer fest, wie verlängere ich meine Zeit, wann kann ich loslassen? Von rechts ins Bild ragend der abgetrennte Unterleib aus dem Gemälde Frau mit grünen Schuhen von Egon Schiele mit dem in Camouflagemustern übermalten Minipenis. Wien, wie es leibte und lebte und dabei eine gute Figur zu machen versuchte. Parallel zur dekadenten Logik des Kaiserreiches war Sexualität das letzte Kraftwerk, das es dauerhaft zu besetzen galt - ein nicht einzulösendes Versprechen." (Aus: Strapazin Nr. 109, 2012).

(2007) 

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