Texte

A Scene Near Schenec-Tady

Heinz Emigholz



Von Anfang bis Mitte der 70er Jahre habe ich eine Serie von Filmen produziert, die ein kompliziertes Wechselspiel zwischen abstrakten zeitlichen Kompositionen - respektive filmischen Bewegungen - und ausgewählten städtischen und natürlichen Landschaften beinhalten.

Die Filme - ARROWPLANE, TIDE und drei Folgen von SCHENEC-TADY - sind zwischen 19 und 40 Minuten lang und bestehen aus Tausenden von Fotografien, die nach einem vorher festgelegten Plan im Einzelbildverfahren mit einer Bolex-Kamera auf 16 mm-Film aufgenommen wurden. Der Standpunkt, von dem aus jeweils fotografiert wurde, war genau gewählt. Kennzeichnungen am Stativ und auf der Zoomlinse der Kamera ermöglichten die Fixierung aller von diesem Standpunkt aus möglichen Bilder in einem Koordinatensystem. In dieses System hinein wurden vor der Aufnahme der Filme Scores geschrieben – Kompositionen für einzeln zu fotografierende Bilder, die in der Abfolge ihrer späteren Projektion ein bestimmtes filmisches Ereignis erzeugten. Einem Brief an Birgit Hein vom 31. Januar 1977, den ich in Vorbereitung einer Installation meiner Filme auf der documenta 6 geschrieben habe, entnehme ich folgende Beschreibung des Scores:


DER ZYNISCHE KÖRPER

Heinz Emigholz

Der Text des Films DER ZYNISCHE KÖRPER

WOHNUNG DES LEKTOR

EINKOPIERTER TITEL. Der Zynische Körper
ROY, DER LEKTOR. Scheiße.

ZWINGER GALERIE

ROY. Sind die alle neu?
FRED, DER ZEICHNER. So gut wie.
CARL, DER SCHRIFTSTELLER. Was macht deine Recherche?
FRED, DER ZEICHNER. Komm mal her. Vor zehn Jahren hatten sie diesen Testgriff. Heute machen sie es so.
BELA, DIE ÜBERSETZERIN. Wie wäre es mit dem Buchtitel „Der Traummann des Geliebten meines Mannes“?
CARL. Nicht schlecht fürs Erste.
ROY. Ich könnte ganze Fischer-Chöre foltern.
CARL. Mit Napalm?
ROY. Brennende hellblaue Perlonkleider unter blühenden Apfelbäumen.
BELA. Statt „Jeder Kanon schon verdeutlicht jene vierte Dimension, die im Leben Schicksal bedeutet“ habe ich gestern gelesen: „Jeder Karton schon verdeutlicht jene vierte Dimension, die im Leben Schicksal bedeutet.“
CARL. Das erinnert mich an Roy, und daß er bald im Himmel schmort.
ROY. Hör' ich doch, was ihr da redet.
FRED. Im Kanon oder im Karton?
CARL. Als Chor und zwischen den Kartons.
FRED. Ich glaub, es ist jetzt alles beisammen.
BELA. Als nämlich alles vorbei war, und selbst Amerikaner sich in die Nähe der radioaktiven Trümmer wagten, sahen einige, was nicht mehr zu sehen war, und was sie auch vorher nicht gesehen hatten: Lebende Menschen, die über eine Brücke gingen, die nachweislich nicht mehr bestand.

AUTOBAHN, 4. Juli 2004.

Monolog eines Kameramannes. „Jedes technische Bildmedium popularisiert ein neues Verständnis oder Empfinden von Zeit und bildet damit einen neuen Pakt mit jenen drei Sekunden, die für uns subjektiv erfahrbare Gegenwart darstellen. Bildnerisch wird Zeit durch die Repräsentanz des Raumes konstruiert. Meist durch die Wiedergabe einer Bewegung darin, aber auch durch die Projektionen von Bewegung, die ein Betrachter anhand dieser raumbildenden Szenerien vornimmt.

Die Wiese der Sachen

Heinz Emigholz

Der Text des Films DIE WIESE DER SACHEN


HAMBURG - MICHAELISBRÜCKE

TELEFON. Rring ...
EINBLENDUNG. Die Wiese der Sachen
TELEFON. ... rring ...
BERND BROADERUP. Ja, hallo.
TELEFONSTIMME. Hallo ...
BERND BROADERUP. Ach du bist's. Moment mal, ja, ich komm' sofort zurück.
TELEFONSTIMME. Jedes Jahrzehnt hat seinen eigenen Zugang zum Himmel.
EINBLENDUNG. Clonetown 1974-79
TELEFONSTIMME. Ich hätte diese Geschichte gerne verhindert. Aber sie hat sich so zugetragen.

Die Basis des Make-Up

Heinz Emigholz

Der Text des Films DIE BASIS DES MAKE-UP


MANHATTAN - 100 HUDSON STREET

KULTURHAUS ORCHESTER BUKAREST. Instrumentalmusik ...
STIMME DES TEPPICHHÄNDLERS. Für alle, die durchmaschieren und nirgends bleiben, das Land Belgien ...
EINBLENDUNG. Belgien
STIMME DES TEPPICHHÄNDLERS. ... am 9. Oktober 1979 ...
EINBLENDUNG. 9-Oktober-1979
STIMME DES TEPPICHHÄNDLERS. ... in Die Basis des Make-Up.
EINBLENDUNG. Die Basis des Make-Up

Normalsatz

Heinz Emigholz

Der Text des Films NORMALSATZ

MANHATTAN - 29 JOHN STREET - 14. STOCK

ERZÄHLERSTIMME UND EINBLENDUNGEN. Normalsatz ...
Memory ... Büro ... Tatsachen ...
HEINZ EMIGHOLZ AUF DEM ANRUFBEANTWORTER. Hallo. Hallo. Are you there?
ERZÄHLERSTIMME UND EINBLENDUNG. ... Interpretation ...
SHEILA MCLAUGHLIN. Hello. Okay.
ERZÄHLERSTIMME UND EINBLENDUNG. . ... Strasse ...
ANRUFBEANTWORTER. Thank you, this is a recording.
HANNES HATJE AUF DEM ANRUFBEANTWORTER. Hello, Dear. Would you please pick up your red tooth-brush. The bristles start falling off and the colour burns my eyes.
ERZÄHLERSTIMME UND EINBLENDUNG. ... Fernsehen ...
ANRUFBEANTWORTER. Hi, it's me. I have to go out now, but I will be back around five, and then I am going out again around eight and I will be back around twelve, so I will talk to you later.
ERZÄHLERSTIMME UND EINBLENDUNG. ... Paare ...
SHEILA MCLAUGHLIN. Hello, are you there? Hello, it's me. What do you mean, the bristles falling out of my tooth-brush, what were you doing with it?
ERZÄHLERSTIMME UND EINBLENDUNG. ... Seife ...
SHEILA MCLAUGHLIN. Well, allright, I come down and get it in a while, but I don't have time right now. You romantic freak.
ERZÄHLERSTIMME UND EINBLENDUNG. ... und Sentimentalität.
SHEILA MCLAUGHLIN. Hello. Hello. Well, I got your message. Why did you tell me what your schedule was? See you later .... God, my wall is caving in.
STIMME DES ERZÄHLERS. Die Stadt heisst Brookburg ...
EINBLENDUNG. Brookburg
STIMME DES ERZÄHLERS. ... und heute ist der 30. April 1975.
EINBLENDUNG. 30-April-1975