Emigholz: Logik gilt gemeinhin als die Kunst zur Regelung abstrakt definierter Beziehungen. Technische Abbilder der sichtbaren Realität ermöglichen heute aber innerhalb logischer Abläufe an Stelle des mathematischen Zeichens den Auftritt des realen Raumes selbst. Damit meine ich nicht den Gebrauch des realistischen Abbildes als Icon, das in Suchmaschinen quasi als Wort existiert. Diese Reduktion auf isoliert zugewiesene oder formalisierte Bedeutung ist ja eher ein Kalauer. Ich frage mich vielmehr, wie Bilder – als komplexe Gebilde einer ausgedrückten Gleichzeitigkeit – innerhalb eines avancierten Denkens auftreten könnten. Das müssen keine kybernetischen Modelle sein; ich möchte ja gerade nicht die Oberflächen der Welt aufbrechen, um dahinter einen geheimen Code zu entdecken. Vielmehr bin ich überzeugt, daß gerade die Oberflächen es sind, die zu uns sprechen sollten. Die fotografische Fläche, die etwas dokumentiert, repräsentiert damit auch das Denken ihres Konstrukteurs. Es wird durch den gerichteten Blick auf sie appliziert. Daß das "Lesen" von Oberflächen in unserer angeblich so visuellen Kultur, so wenig eingeübt ist, ist natürlich nicht auf das Phänomen „Kunst“ beschränkt. Die erzeugt immerhin schon hin und wieder das Interesse, sich auf Besonderheiten einzulassen.
Zielinski: Mit einem derartigen „Lob der Oberfläche“, das ist der Titel eines Textes von Vilém Flusser, stünden die Künste in der Tat nicht allein. Avancierte Physiker der ganz kleinen und der ganz großen Welten, des Mikrokosmischen und des Makrokosmischen gehen längst davon aus, daß sie durch ihre theoretische und experimentelle Praxis nur einen Zugang zum Gesicht der materiellen Welt bekommen können, nicht aber zum Inneren der Materie selbst. Aber das ist eine Menge. Sie hält uns reichlich beschäftigt, in Würde.