Zeichnung (109) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein Ornament, das Bewässerungskanäle darstellt, aus einem persischen Gartenteppich des 18. Jahrhunderts hängt vom Himmel herab. Auf der Horizontlinie eine Zeichnung aus dem Abschlußbericht einer Reisegruppe der Hamburger Baubehörde nach Yukatan, die einen Berg darstelle, so wie er in der Natur vorkomme. Der visuelle Score des Films Arrowplane bildet ein Gitter - die gradweise Verschiebung zweier gleichzeitiger 180-Grad-Schwenks ineinander, solange bis sie wieder identisch werden. Am unteren Bildrand Teile des Drehortes von Tide in einem noch zerstörten Teil des Hamburger Hafens. 1973 fotografierte mich Reinhold Batberger bei den Dreharbeiten zum Film Schenec-Tady im Taunus. Eine Plastikhülle schützte die Kamera vor dem Schneeregen. Der lange Hebel, der daraus hervorragt, diente zum Verstellen der Brennweite. Mit der schwarzen Kelle ließ sich das Objektiv abdecken für die Aufnahmen der jeweils sechs Schwarzkader, in die später das seitenverkehrte Negativ der sechs vorangehenden Bilder für den Film Schenec-Tady III einkopiert wurden." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1988) 

Zeichnung (110) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Eine weitere Skizze von Mitarbeitern der Hamburger Baubehörde soll uns lehren, dass eine Pyramide der Welt der Geometrie zuzurechnen sei. Daneben ragt das Detail eines Ornamentes aus einem persischen Gartenteppich ins Bild. Im Hintergrund das Scoreblatt zu den Filmen Schenec-Tady I und III, die im März und April 1973 auf 16mm-s/w-Film aufgenommen worden sind, mit dem 360-Grad-Panorama einer frisch geschlagenen Waldlichtung am Hasenkopf im Taunus, auf der später ein Wasserwerk errichtet wurde. Die Partitur für das Filmprojekt habe ich im Herbst 1972 geschrieben. Schenec-Tady II wurde im Herbst 1973 in Farbe in einer Dünenlandschaft an der Nordsee gedreht. Die weiße Silhouette eines Flüchtlingstrecks zerteilt das Bild im Goldenen Schnitt. Die weiteren Filme Arrowplane und Tide, deren Scores als Unterthemen den Horizontalschwenk abhandeln, sind im ersten Halbjahr 1974 in Hamburg und Dänemark entstanden. Auf dem Sockel ein Waldschrat mit verhülltem Kopf, Bohnenstroh, Hockeyschläger und Holzschuhen - das Portrait meiner damaligen Verfassung." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1988)

Zeichnung (111) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Hamburg, 1983, ich erinnere mich genau: Der Score zum Film Schenec-Tady III in einem Bilderrahmen an der Wand eines trüben Zimmers im Frühjahr 1974. Aufbruchstimmung, eine Pyramide aus Stäben über einem Acker, den ein Dampfschiff durchkreuzt, ein Tipi-Zelt aus dreckiger Bettwäsche in Gedenken an die Triole Eisenstein-Sternberg-Dietrich 1930 in Hollywood, schwarze Lederfetzen an der Wand und negativ auf der Haut eines nackten Maori-Kriegers, der zum Schleudern seines Wurfspießes ansetzt. Eine ausgesprochene Abneigung gegen eine zentrale Perspektive. Große Leerstellenbesetzung in der BRD-Kultur, Null folgt auf Null. Dagegen ein verzweifelter Eklektizismus als letzte Waffe der Selbstbehauptung, die ganze Strecke zwischen Ein Schiff wird kommen, und das bringt mir den Einen bis hin zu Und das Schiff mit acht Segeln und mit fünfzig Kanonen wird entschwinden mit mir. Komme gerade nachts von einer polizeilichen Gegenüberstellung aus St. Pauli zurück, bei der mein Klappmesser in der Hosentasche nicht entdeckt worden ist." (Aus: The End, Disko 22, 2011).

(1983) 

Zeichnung (112) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Achim, Ende der 50er Jahre: Ich baue mir ein Stativ aus drei zusammengebundenen Bambusstöcken und eine Filmkamera aus einem Schuhkarton. Der Pappkern einer Toilettenpapierrolle bildet das Objektiv. Wir beginnen mit der Wiederverfilmung von Josef von Sternbergs Dishonoured am südlichen Hang des Bahndamms. Hamburg, Eppendorfer Marktplatz, 1974: Eine im Raum schwebende Sahnespritztüte querab zum Stoffüberwurf des Tipi-Memorials für Sergej Eisenstein, Josef von Sternberg und Marlene Dietrich, das auf den verrutschten Modulen eines billigen Sisal-Teppichs steht. Auf dem am Bettbezug angebrachten Triple-Portrait sind nur meine Favouriten von Sternberg und Dietrich sichtbar. Im Hintergrund eine Aufführung meines Films Schenec-Tady in einem leeren Kino mit Balkon und Parkett. Ich liebe Nachmittagsvorstellungen in leeren Kinos, das intime und ungeteilte Beisammensein mit einer verwandten Form von Energie. Kollektive Kinoerlebnisse sind ein Greuel und so deppert wie Theaterstücke, bei denen Zuschauer zum Mitmachen animiert werden." (Aus: The End, Disko 22, 2011).

(1983) 

Zeichnung (113) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"White knuckles über dem Panorama, das dem Blicktheater der Schenec-Tady-Filme zugrunde liegt: zwei vor Wut geballte Fäuste, aus denen die Fingerknöchel weiß hervortreten. Mein Kopf beugt sich mit fettigen Haarsträhnen als Träger eines angeekelten Bewußtseins ins Bild. Wir verachteten den Begriff Avantgarde, in dem die militärische Ausrichtung eines linearen Geschichtsbegriffes ihre fröhliche Urständ feiert, aber noch mehr die Künstler, die sich nicht entblödeten, diesen Begriff als Bezeichnung ihrer Tätigkeit in Anspruch zu nehmen. Als Chimäre im Himmelsrund das Naturtheater der Römer, in dem Christen und Gladiatoren vor entzückten Zuschauermassen von wilden Tieren zerfetzt wurden oder sich gegenseitig zu Tode bringen mußten. Das ausgestellte Sterben der Anderen reizt alle Sinne aufs Äußerste - ein nicht zu überbietendes Genre des Mainstreams, das dieser in allen Kulturen mit Leben zu füllen trachtet. Die Gelassenheit, sich selbst dabei nicht als ein mitschuldiges Glied in der Kette der Grausamkeiten zu sehen, hat weiterhin Renaissance." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1988) 

Zeichnung (114) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Hamburg, 1981. Rechts unten der Geschäftsmann auf der Erbse aus Nr. 14 hinter der aufgeklappten und verbogenen Kühlerhaube eines Cabriolets. "dead Fessel of Wegelagerer, deutsch": eine Schriftzeile des Hasardeurs und singenden Afrikaforschers Kiev Stingl, dessen profunder Song einsam WEISS boys gerade erschienen war. Übers Blatt verstreut drei Teile eines schwarzen Taucheranzuges, von denen das Kopfteil aus einem parallelogrammförmigen Äther hervorragt. In der Mitte ein Glatzkopf mit Käppi, eingezwängt in einem durch Latten markierten, viereckigen Raum. Seine Kopfbedeckung ziert eine Antenne, die in den Äther ragt und an der auf Augenhöhe des Trägers das 360-Grad-Landschaftspanorama des ersten Schenec-Tady-Filmes aufgehängt ist. Links unten die Skizze eines Automaten zur Ausführung von Prügelstrafen - ein Zitat aus der Bild-Zeitung: Der Delinquent muß eine Lochkarte mit dem Strafmaß in den Apparat schieben, sich dann vorbeugen und die Stockschläge durch Betätigung eines Knopfes selbst auslösen. Seine Täterschaft wird protokolliert." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1984) 

Zeichnung (115) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"In der Ferne die auf dem Kopf stehende Landschaft mit dem Schießstand aus den Filmen Schenec-Tady I und III. Der Pferdekopf ist jetzt aufrecht dem Betrachter zugewandt, die Linien seiner Zeichnung bestehen aus Gen-Ketten. In der Mitte des Bildes eine fortgeschrittene Augenoperation. Im Dunkeln eines Zuschauerraumes sitzen und sich das Gehirn entfalten lassen, als wäre es das Ei, das einer dauernden Befruchtung bedarf, oder ein Block mit photographischer Emulsion beschichteten Bleis, in den Neutrinos unbekannter Herkunft einschlagen und unser Assoziationsvermögen aufrühren. Das Kino war die erste Institution, die massenhaft Zeit- und Raumerfahrungen ermöglichte, ohne daß sich der Körper an die gezeigten Orte begeben mußte. Jeder Filmschnitt versetzt komplexe Räume schneller als in Lichtgeschwindigkeit, wie die Quanten einer subatomaren Welt. Religion: Der Raum kommt zum Körper und nicht der Körper zum Raum. Ein rauschhaftes Begreifen mit den Augen, eine Sucht auf Erfahrungsbeschleunigung und Verdichtung, eine Wiedergeburt ohne Körper." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1975) 

Zeichnung (116) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Der Wald am Hasenkopf im Taunus aus dem Film Schenec-Tady I von 1973. 'Schenectady' ist ein indianisches Wort für 'Schöne Aussicht'. Der Unterstand für Jäger war mit Air-Conditioner, Fernsehgerät und Schaumstoffbett ausgestattet und strahlte eine Komfortabilität des Tötens aus. Als Vexierbild auf dem Kopf stehend: Rücken und Kopf eines Pferdes. Im Bildzentrum die Anleitung zu einer Operation am offenen Auge. Der Apparat und die Retina, auf der seine Projektionen zu lesen stehen. Das Auge als Fenster, das bei Tag und bei Nacht den Wechsel des Lichts auf den Oberflächen der Gegenstände einsaugt. Die Unbewusstheit des Sehens und die Bewußtheit, die ein Film voraussetzt. Vor der Projektionslampe wird ein durchsichtiger, mit unterschiedlichen Schatten bedruckter Streifen durchgezogen. Das Licht, das durch ihn moduliert die Leinwand trifft, lesen wir als Bewegung, als Farbe, als Raum und als Leben. Durch das Gitter der Bilder zwängen wir uns auf ihre andere Seite, in die Welt der fremden Gehirne, die diese Bilder erzeugten und ebenfalls sehen." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1975)

Titelblatt zu "The Basis of Make-Up", Raw MailBook Nr. 4, NYC 1979.  

Zeichnung (117) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"In der Ferne die auf dem Kopf stehende Landschaft mit dem Schießstand aus den Filmen Schenec-Tady I und III. Der Pferdekopf ist jetzt aufrecht dem Betrachter zugewandt, die Linien seiner Zeichnung bestehen aus Gen-Ketten. In der Mitte des Bildes eine fortgeschrittene Augenoperation. Im Dunkeln eines Zuschauerraumes sitzen und sich das Gehirn entfalten lassen, als wäre es das Ei, das einer dauernden Befruchtung bedarf, oder ein Block mit photographischer Emulsion beschichteten Bleis, in den Neutrinos unbekannter Herkunft einschlagen und unser Assoziationsvermögen aufrühren. Das Kino war die erste Institution, die massenhaft Zeit- und Raumerfahrungen ermöglichte, ohne daß sich der Körper an die gezeigten Orte begeben mußte. Jeder Filmschnitt versetzt komplexe Räume schneller als in Lichtgeschwindigkeit, wie die Quanten einer subatomaren Welt. Religion: Der Raum kommt zum Körper und nicht der Körper zum Raum. Ein rauschhaftes Begreifen mit den Augen, eine Sucht auf Erfahrungsbeschleunigung und Verdichtung, eine Wiedergeburt ohne Körper." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1975) 

Zeichnung (118) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Der Wald am Hasenkopf im Taunus aus dem Film Schenec-Tady I von 1973. 'Schenectady' ist ein indianisches Wort für 'Schöne Aussicht'. Der Unterstand für Jäger war mit Air-Conditioner, Fernsehgerät und Schaumstoffbett ausgestattet und strahlte eine Komfortabilität des Tötens aus. Als Vexierbild auf dem Kopf stehend: Rücken und Kopf eines Pferdes. Im Bildzentrum die Anleitung zu einer Operation am offenen Auge. Der Apparat und die Retina, auf der seine Projektionen zu lesen stehen. Das Auge als Fenster, das bei Tag und bei Nacht den Wechsel des Lichts auf den Oberflächen der Gegenstände einsaugt. Die Unbewusstheit des Sehens und die Bewußtheit, die ein Film voraussetzt. Vor der Projektionslampe wird ein durchsichtiger, mit unterschiedlichen Schatten bedruckter Streifen durchgezogen. Das Licht, das durch ihn moduliert die Leinwand trifft, lesen wir als Bewegung, als Farbe, als Raum und als Leben. Durch das Gitter der Bilder zwängen wir uns auf ihre andere Seite, in die Welt der fremden Gehirne, die diese Bilder erzeugten und ebenfalls sehen." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1975) 

Seiten