Zeichnung (189) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Der Großbuchstabe 'A', zu 25 Prozent gemorpht zu einem 'B', vor Details aus Édouard Vuillards Gemälde Mallarmés Haus von 1896. 'Alphabet' ist ein Wort, das in sich die Namen der ersten beiden seiner Buchstaben aneinanderreiht und den Fortgang seiner Bedeutung voraussetzt. 'ABC' zu sagen, wäre nur knapper, deutlicher und aufdringlicher. Was sich im Alphabet noch verstecken könnte, hat im ABC kaum noch eine Chance zu erscheinen. Die Rückenlehnen der hölzernen Bürostühle der Sprecherinnen der französischen und deutschen Wörter im Film Demon verschwinden hinter der Skyline und die der Sprecherin der englischen an der unteren Bildkante. Der Bug eines Schiffsrumpfes mit einem stilisierten Anker links und einer Ankerkette rechts ragt aus der gallertartigen Wassermasse eines Hamburger Hafenbeckens. Daraus auftauchend die Statue des guten und weisen Cimoyok - ein Feld- und Wald-Gott der ältesten Bewohner der Ostseeküsten - in roher Machart aus verschieden großen, aneinander befestigten Stücken eines Baumstammes gefertigt." (Aus: flypaper #5, 2010).

(1993) 

Zeichnung (190) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Berlin, 1993, das Ende einer Bewegung. Zwei Spaten und eine Mistgabel aus der Werkzeugsladen-Sequenz des Filmes Demon. Ein 'B', das noch zu einem Viertel aus einem 'A' besteht. Dahinter ein Schiffsbug mit der Silhouette eines Ankers. Zwei letzte Streichhölzer in einem Folder auf der Silhouette des Grabsteines von Georges Rodenbach auf dem Friedhof Père Lachaise in Paris. Auch der Bronzearm mit der Rose gehört zu seinem Grab. Sie wird uns aus dem Innern eines Steinblocks zugereicht. Hinter einer Reling das Nebengrab in der Gestalt einer steilen, nubischen Pyramide mit einer glatten Fassade und einem Inneren aus Müll. Die intellektuellen Sackgassen der Märtyrerreligionen erregen mit ihren Destruktionsszenarien weltweite Anerkennung, die self-fulfilling prophecy als Lohn Gottes. Daß man uns in Zukunft bedauern wird, unter den Bedingungen dieses tribalen und völkischen Schwachsinns gelebt haben zu müssen, ist kein Trost. Bis dahin reicht man sich Pyramiden weiter, voller Reliefs mit nicht mehr zu entziffernden Codes." (Aus: flypaper #5, 2010).

(1993)

Zeichnung (191) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Text under construction"

Wüste, englisch, NYC 1974, mit Halbschatten eines verzerrten, fliegenden Teppichs. Adverbien als exaltierte Zeiteigenschaften. Negativ eines fliegenden Geräuschteppichs. Eingang zur Übersetzungsproblematik. 

(1997) 

Zeichnung (192) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Selbstportrait mit langen Haaren, Neapel 1971. Die Wüste ohne Adverbien der Zeit und des Ortes, eine schwere Depression zersetzt eine toskanische Landschaft. Blitzeinschlag in einen der mittelalterlichen Wehrtürme von San Gimignano. Ein Stein in der Form des Oktaeders aus Albrecht Dürers Melencolia I löst sich von einer Dachbrüstung und fällt mir auf den Kopf. Auch Dürer muß diesen Zustand gekannt haben. Die Sonne hinterläßt uns als Gemüse. Das ist der Nutzen im Laufe der Zeit. Man denke an den Ballonflug über die ägyptischen Pyramiden, zu dem Michael Jackson seine Göttinnen Jackie Onassis, Diana Ross und Elizabeth Taylor einlud, um die Schöpfung westlicher Prägung zu krönen. Wer jeden Ort dieser Welt gesehen hat, muß sich auf die Landschaft seiner Träume verlassen. Um dann daran zu verzweifeln, daß sich Träume nicht auf Wunsch bruchlos fortsetzen lassen. Ihre Logik ist eine andere, sie läßt die Synapsen immer wieder neu kombinieren. Dann hilft nur noch Milk, das milchig-weiße Propofol, um dem Alb zu entrinnen." (Aus: arsenal, januar 16).

(2007)

Zeichnung (193) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Text under construction"

Weiße Weste. 

(1993) 

Zeichnung (194) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein italienischer Fußballspieler im Adidas-Trikot vor einem Set Küchentabletts. Darüber eine Skizze altägyptischer Methoden, den Stand des Mondes zu berechnen. Wie absurd, daß Sportler nicht gedopt sein dürfen. Werden demnächst auch Dopingkontrollen bei Musikern, Schauspielern und Soldaten eingeführt? Es würde dann auch faire Musik, faires Theater und faire Kriege geben. Logisch sind die Olympischen Spiele der Gedopten der einzig mögliche und wünschenswerte Ausweg aus den albernen Verstrickungen, in die sich diejenigen hineinbegeben müssen, die ihren Körper freiwillig für uns aufopfern und als Freaks vor unseren Augen verbrennen wollen. Bis zur Einführung dieser Spiele sind wir, wie Lynne Tillman über das eingestandene Begehren schon sagte, 'betrogen, im Sinne von verraten.' Vor dem Unterhaltungswert solcher Spiele und ihren Einschaltquoten zittern schon jetzt die 'öffentlich-rechtlichen Anstalten' - und die Anti-Doping-Beauftragten, die sich einen neuen Kontrollzusammenhang als Lebensunterhalt ausdenken müssten." (Aus: arsenal, september 10).

(1978) 

Zeichnung (195) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Der Versuch, ein Geräusch zu zeichnen: die Demonstration eines Ginsu-2000-Messers, mit dem man Blechdosen zerschneiden kann. Ein japanisches Jagdflugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg im Anflug auf die Silhouette eines jungen Bordschützen im ready room des Flugzeugträgers USS Ticonderoga, am 5. November 1944 irgendwo in der Philippinischen See. Sein Kopf ist voll von Motorengeräuschen. In seinen Schattenriß sind Aufzeichnungen über staatlich ausagierte Sexualphantasien beim Verbrauch junger Soldatenkörper eingebrannt. Wer wird zum Opfer erklärt, und was befruchtet den überlebenden Admiral? Immer wieder die Utopie, aus der eigenen Haut fahren und in einer anderen Zeit leben zu können. Unten zwei Narzißten beim Gay-Tea-Dance im Berliner Metropol, Ende der 80er Jahre, als die nackte männliche Brust in den Medien der westlichen Welt mit der weiblichen gleichzog. Der Tanz bestand darin, so als konkave Spiegelfläche aufzutreten, daß sich irgendwo im leeren Raum ein Brennpunkt realisierte. Und das Geräusch wurde zu Musik." (Aus: arsenal, april 10).

(1994) 

Zeichnung (196) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Der Grundriß der von Richard Neutra 1935 im San Fernando Valley erbauten Villa für Josef von Sternberg. Die schwarzen Ovalausschnitte sind Pools oder Teiche für exotische Fische. Navy-Piloten der benachbarten Fliegerhorste benutzten die im Grundriß dem Deck eines Flugzeugträgers ähnelnde Villa als Anflugsziel bei ihren Bombenabwurfsübungen. Sternberg verkaufte die Villa wegen der ständigen Lärmbelästigung. Außerdem wollte er nicht im Traum eines anderen leben. Damit war Richard Neutra gemeint – ein hübscher Einwurf gegen eine megalomanische architektonische Moderne. Davor ein junger Bordschütze, am 5. November 1944 von Wayne Miller auf der USS Ticonderoga fotografiert, dem Tag, an dem er mit seinen Kameraden Manila bombardieren sollte. Ein Jagdflugzeug wird sich in sein Ohr bohren. Auf dem Ärmel seiner Uniformjacke das Abbild einer anderen, vom Bundesgrenzschutz konziperten Jugend: ein Mitglied der GSG 9, mit Maschinenpistole im Anschlag." (Aus: arsenal, märz 09).

(1994) 

Zeichnung (197) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein GSG 9-Mann seilt sich an einem Angelhaken in einen Malstrom ab. Rechts darüber ein von Hokusai in Holz geschnittener Kawenzmann, auch Tidalwave, Tsunami oder Grundsee genannt. Die Bambusangel mit dem GSG 9-Mann schwebt vor dem Hintergrund eines die bürgerlichen Rechenarten als anthropologische Grundkonstante verherrlichenden Granitdenkmals mit der Aufschrift "Zehn Prozent minus 5 Prozent gleich 5 Prozent". Unten rechts Teile der Rückseite eine Emporenverzierung aus Bronze in der von Louis H. Sullivan 1906 entworfenen National Farmer’s Bank in Owatonna, Minnesota, und links ein fluchtartig die Szene verlassender Gay-Tea-Dancer im Berliner Metropol, Anfang der 90er Jahre. Von der selbstverständlichen Schönheit der Körper kann schon lange keine Rede mehr sein. Es ist eine ausgemachte Sache, daß sich Narziß heute vor der eigenen Schönheit ekelt, falls er das nicht schon immer getan haben sollte. Ein Spiegel tut das Seine dazu, mit seinem metallischen Geschmack, den er abgibt, wenn man ihn auf seiner Rückseite ableckt." (Aus: arsenal, april 18).

(1994) 

Zeichnung (198) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Die Großbaustelle einer Teilchenbeschleunigungsanlage tief unter der nordamerikanischen Wüstenerde, im Hintergrund Spuren von Protonen auf einem Bildträger. Verschmelzungsprozesse von Elementarteilchen sollen hier erforscht und ein Beweis für die Existenz von Antimaterie gefunden werden; eine unendliche Abfolge ungelesener Daten ist das Ergebnis. Ein Hohlraum der Heterosexualität mit seiner klar gegliederten Sexualsymbolik. Links am Bildrand zwei Ruderer im deutschen Weltmeisterschafts–Achter. Auf einem lupenförmigen Ruderblatt kehrt sich die Röntgenplatte mit den Protonenspuren ins Negativ. Unten rechts ein Riesenpenis aus Holz in einem Shinto-Tempel in Kyoto, Japan. Seine Eichel wird gerade von einer Angestellten oder einem Angestellten aufpoliert. Die politische Korrektheit überlieferter Kunstformen müsse dringend überprüft werden, fordert eine mental überforderte akademische Welt. Aber daß wir im Mittelalter leben, wissen wir doch. Man sollte eher Zeitkapseln versenken, mit herzlichen Grüßen an die Nachgeborenen." (Aus: arsenal, november 16)

(1994) 

Seiten