Zeichnung (119) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Das neben dem Fuji aufgehende Logo von Pym Films mit dem Fenstergitter, durch das Willy Kühne 1878 ein Kaninchen starren ließ, das er dann schlachtete, um dessen lebendfrische Netzhäute zu ernten - auf seiner Jagd nach dem letzten Bild, dass sich im Tode in diese biochemisch eingebrannt hatte. Eine Barsoi-Hündin beobachtet die Szenerie und setzt zu einem Sprung an, um das Kaninchen zu rächen. In dem Sanitätsfahrzeug liegen vier noch unversehrte, menschliche Sätze auf ihrem Weg in ein Notizbuch. Dort angekommen werden sie sofort nach ihrer Niederschrift in Vergessenheit geraten. Bewusstsein ist eine vorübergehende Erscheinung, ontogenetisch wie phylogenetisch. Seine Existenz lässt sich zwar statistisch nachweisen, verlässliche Orte aber gibt es dafür nicht. Der Kampf um nachhaltige Datenspeicher ist nicht erst seit Kurzem entbrannt. Bauwerke halten dabei immer noch die Spitzenposition. Eine bearbeitete Ansammlung von Steinen repräsentiert langzeitlich mehr Bewusstsein als komplexe Kodierungen, für die alle Lesegeräte abhandengekommen sind. " (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1977) 

Zeichnung (120) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ansicht des Fuji mit großer Socke unter Kriechstrom. Zwei überdimensionale Bleistifte zeichnen eine Virtual Reality: Ein bewachter Spielplatz mit hohen Gräsern und ameisengroßen Kindern - wippend, schaukelnd, rutschend, rollernd und Puppenwagen schiebend - eine Wunschvorstellung meiner kindlichen Phantasie. Warum schlug mich mein Vater nicht, wo doch alle Nachbarskinder geschlagen wurden? Tickte er etwa nicht richtig? Aufwachsen in einer ruinierten Welt. Wir gingen durch das zerstörte Bremen, so als würde jede Generation eine Stadt zerbomben dürfen, nur um sie dann wieder aufzubauen. Realer Spielplatz: Auf dem Schrottplatz neben unserem Haus wurden verbogene Eisenteile aus der zerbombten Stadt gesammelt. Leibchen aus kratziger Wolle und schweißtreibende Hemden und Socken aus Perlon machten mir die Hölle heiß. Ich streichelte meine Haut und schwor mir, dass sie nie altern solle, auch wenn ich kein Kind mehr wäre. Noch heute bringt mich der Anblick eines Kindes bei der Vorstellung zum Weinen, selbst wieder eines sein zu müssen." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013)

(1977) 

Zeichnung (121) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Schneebedeckter Fuji im Morgengrauen mit einer über ihm schwebenden, schwarzen Perlonsocke. Die Bahn des Mondes führt genau auf sie zu. Ein springender Fisch aus einem japanischen Holzstich windet sich um einen nach Norden weisenden Bleistift. Schablonenhafte Fetzen von Kulissen, die die ganze Fuji-Serie durchziehen, fassen das Bild ein. Der Ursprung des Zeichnens ist eine vernarbte Welt, ihre Gezeichnetheit von und durch etwas. Der Bleistift bricht aus einer Rasendecke hervor und erlegt ein banales Geheimnis, das meinte, sich den Oberflächen verweigern zu können. Eine Notwendigkeit für Kunst ist es, das Selbstverständliche zu beschreiben. Die Anstrengung, die das kostet, lässt die Moderne Kunst aber schon im Vorfeld vor Erschöpfung zusammenbrechen. Beim Outsourcen von Energien sind ihr sämtliche abhanden gekommen. Sie verlässt sich auf symbolische Akte, so sehr hat sie sich gegen Objekte verschworen. Ideologisch verbrämt steht sie da und muß zusehen, wie ihr die gutmütigen Betrachter abhanden kommen. Die Zeichen dagegen halten stand." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013)

(1977) 

Zeichnung (122) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Schneebedeckter Fuji im Morgengrauen mit einer über ihm schwebenden, schwarzen Perlonsocke. Die Bahn des Mondes führt genau auf sie zu. Ein springender Fisch aus einem japanischen Holzstich windet sich um einen nach Norden weisenden Bleistift. Schablonenhafte Fetzen von Kulissen, die die ganze Fuji-Serie durchziehen, fassen das Bild ein. Der Ursprung des Zeichnens ist eine vernarbte Welt, ihre Gezeichnetheit von und durch etwas. Der Bleistift bricht aus einer Rasendecke hervor und erlegt ein banales Geheimnis, das meinte, sich den Oberflächen verweigern zu können. Eine Notwendigkeit für Kunst ist es, das Selbstverständliche zu beschreiben. Die Anstrengung, die das kostet, lässt die Moderne Kunst aber schon im Vorfeld vor Erschöpfung zusammenbrechen. Beim Outsourcen von Energien sind ihr sämtliche abhanden gekommen. Sie verlässt sich auf symbolische Akte, so sehr hat sie sich gegen Objekte verschworen. Ideologisch verbrämt steht sie da und muß zusehen, wie ihr die gutmütigen Betrachter abhanden kommen. Die Zeichen dagegen halten stand." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013)

(1977) 

Zeichnung (123) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ansicht des Fuji mit großer Socke unter Kriechstrom. Zwei überdimensionale Bleistifte zeichnen eine Virtual Reality: Ein bewachter Spielplatz mit hohen Gräsern und ameisengroßen Kindern - wippend, schaukelnd, rutschend, rollernd und Puppenwagen schiebend - eine Wunschvorstellung meiner kindlichen Phantasie. Warum schlug mich mein Vater nicht, wo doch alle Nachbarskinder geschlagen wurden? Tickte er etwa nicht richtig? Aufwachsen in einer ruinierten Welt. Wir gingen durch das zerstörte Bremen, so als würde jede Generation eine Stadt zerbomben dürfen, nur um sie dann wieder aufzubauen. Realer Spielplatz: Auf dem Schrottplatz neben unserem Haus wurden verbogene Eisenteile aus der zerbombten Stadt gesammelt. Leibchen aus kratziger Wolle und schweißtreibende Hemden und Socken aus Perlon machten mir die Hölle heiß. Ich streichelte meine Haut und schwor mir, dass sie nie altern solle, auch wenn ich kein Kind mehr wäre. Noch heute bringt mich der Anblick eines Kindes bei der Vorstellung zum Weinen, selbst wieder eines sein zu müssen." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013)

(1977) 

Zeichnung (124) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"In der hintersten Ecke des Universums eine Backsteinmauer, die im Winkel von neunzig Grad auf eine glatte Betonwand trifft. In den nassen Putz der Wand hat ein spielendes Kind den Abdruck seiner Schuhsohlen verewigt. Die dritte Seite der Kubusecke ist mit Bodenfliesen gepflastert. Die Szenerie zielt auf Unendlichkeit ab und wird nur leicht verdeckt von einem mit Sternzeichen bestickten Gazeschleier. Im Boden ein schwarzes Loch in Form einer billigen Badezimmermatte mit Troddeln, an der Wand verschraubt eine Metallschaukel. An ihrem unteren Ende ist ein nach beiden Seiten offener Stahlzylinder angebracht, eine Selbsttötungsanlage. Wenn man sich mit dem Kopf voran so in die Röhre hineinzwängt, dass er auf der anderen Seite wieder herausschaut, kann man ihn mit vollem Schwung an die Mauer rammen und sich das Genick brechen. Mit der umgelenkten Schwerkraft als anthropologischer Grundkonstante im Rücken. So sieht sich das Kind auf der Stelle stehen in dem Wunsch, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen, am Ende der Zeit." (Aus: flypaper #5, 2010).

(1976) 

Zeichnung (125) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein zerklüfteter Horizont mit einem Spaltkreuz und einer Isolationszelle unter den Sternbildern Zwillinge, Fische, Stier, Pegasus, Drache, Andromeda, Wassermann und Orion am nördlichen und Centaurus am südlichen Himmel. Dazu das Psychopharmaka-Duo Castor und Pollux als Gestirn. Das Kreuz hat sein menschliches Maß verloren, der Spaltmechanismus übernimmt die Tötungsfunktion. Ein durch abschüssige Betonflächen eingefasstes Loch in der Landschaft, die Öffnung einer ausgetrockneten Zisterne. Vier blutrote Teppichbahnen laufen darauf zu. Fünf männliche Figuren aus Granit schreiten im Gänsemarsch ans Loch: 'Kennen wir uns nicht? Wir sollten uns doch kennen!' Walter Benjamin über Die Verlassenen von Karl Kraus: '... voneinander sind sie es. Aber - das ist ihr großer Trost - sie sind es auch miteinander. Auf der Stelle zwischen Stirb und Werde halten sie inne. Rückwärts gewandten Hauptes nimmt die Lust nach unerhörter Art ihren ewigen Abschied: ihr abgewandt betritt nach ungewohnter Weise die Seele ihre Fremde wortlos.'" (Aus: flypaper #5, 2010).

(1976) 

Zeichnung (126) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein Themenbild zum Film Normalsatz: Ein Hackbeil über dem Fuji, den meine abgetrennte rechte Hand mit theoretischen Überlegungen zum Film beschriftet. Mit seinem oberen Ende durchbohrt der Bleistift ein Kaninchen, das aus einem Fenster sieht. Stillgelegte und im Moment des Todes eingebrannte Sätze und Blicke, davon handelt der Text: Tod-Death und die passive Arbeit der Ohren, die die Sphären von Leben und Tod vermischt. Dazu die Phasenzeichnungen eines Spaltkreuzes, das im Umklappen den Leib des Kaninchens zweiteilt. Ein Opfer im Namen einer Wissenschaft, die nichts als schon Gewußtes bestätigt. Die Genese des Pym-Logos verdankt sich den Schemen auf der Retina des Kaninchens. Das in ihr eingebrannte Bild wirft einen Schatten über meine Hand und die Narben auf dem Armstumpf. Die schwarzen Felder eines Kreuzworträtsels in der Form eines Kaninchens, wie es in der Osterausgabe der New York Times 1979 abgedruckt war. Ein weiteres Beil, diesmal aus Fleisch gefertigt, und das Sanitätsfahrzeug, das vier ins Gehirn transportierte Sätze anzeigt." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1982) 

Siehe auch Zeichnung (99).

Zeichnung (127) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein zerklüfteter Horizont mit einem Spaltkreuz und einer Isolationszelle unter den Sternbildern Zwillinge, Fische, Stier, Pegasus, Drache, Andromeda, Wassermann und Orion am nördlichen und Centaurus am südlichen Himmel. Dazu das Psychopharmaka-Duo Castor und Pollux als Gestirn. Das Kreuz hat sein menschliches Maß verloren, der Spaltmechanismus übernimmt die Tötungsfunktion. Ein durch abschüssige Betonflächen eingefasstes Loch in der Landschaft, die Öffnung einer ausgetrockneten Zisterne. Vier blutrote Teppichbahnen laufen darauf zu. Fünf männliche Figuren aus Granit schreiten im Gänsemarsch ans Loch: 'Kennen wir uns nicht? Wir sollten uns doch kennen!' Walter Benjamin über Die Verlassenen von Karl Kraus: '... voneinander sind sie es. Aber - das ist ihr großer Trost - sie sind es auch miteinander. Auf der Stelle zwischen Stirb und Werde halten sie inne. Rückwärts gewandten Hauptes nimmt die Lust nach unerhörter Art ihren ewigen Abschied: ihr abgewandt betritt nach ungewohnter Weise die Seele ihre Fremde wortlos.'" (Aus: flypaper #5, 2010).

(1976) 

Zeichnung (128) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"In der hintersten Ecke des Universums eine Backsteinmauer, die im Winkel von neunzig Grad auf eine glatte Betonwand trifft. In den nassen Putz der Wand hat ein spielendes Kind den Abdruck seiner Schuhsohlen verewigt. Die dritte Seite der Kubusecke ist mit Bodenfliesen gepflastert. Die Szenerie zielt auf Unendlichkeit ab und wird nur leicht verdeckt von einem mit Sternzeichen bestickten Gazeschleier. Im Boden ein schwarzes Loch in Form einer billigen Badezimmermatte mit Troddeln, an der Wand verschraubt eine Metallschaukel. An ihrem unteren Ende ist ein nach beiden Seiten offener Stahlzylinder angebracht, eine Selbsttötungsanlage. Wenn man sich mit dem Kopf voran so in die Röhre hineinzwängt, dass er auf der anderen Seite wieder herausschaut, kann man ihn mit vollem Schwung an die Mauer rammen und sich das Genick brechen. Mit der umgelenkten Schwerkraft als anthropologischer Grundkonstante im Rücken. So sieht sich das Kind auf der Stelle stehen in dem Wunsch, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen, am Ende der Zeit." (Aus: flypaper #5, 2010).

(1976) 

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