Die Basis des Make-Up

Die Basis des Make-Up

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Zeichnung (385) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Dieses Bild tut so, als habe Gott in der Mauer des Gesichts zwei Backsteine an Stelle der Augen weggelassen und davor über einem Eimer mit schwarzem Wasser ein Senkblei aufgehängt, um 90-Grad-Bildwinkelverhältnisse zu garantieren und den Kopf fest auf der Wirbelsäule zu verschrauben: Die Waagerechte sei ein Symbol für den Horizont und die Senkrechte eines für die Schwerkraft; Bildrahmen haben sich parallel danach auszurichten. Ein Stab mit stilisiertem Wasser wird zu einem Sägeblatt. Vor der Mauer läuft Tomas der Zweifler von El Greco mit einem rechten Winkel herum, der 92 Grad mißt. So kommen Symbole ins Schwimmen. Hinter der Mauer die erste im Film Arrowplane auftretende Landschaft, ein Wiesenhügel an einem Waldrand. Alle drei eingefügten Panoramen aus Arrowplane frönen einen jeweils eigenen Umgang mit der Horizontlinie. Der Wiesenhügel formt ihn zu einer Sinuskurve, die Stadt zerhackt ihn mit ihren Vertikalen und das Meer offeriert eine selbstidentische Linie, die die Steine am Ufer chaotisiert zurückläßt." (Aus: arsenal, juli august 11).

(1987) 

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Zeichnung (384) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein an ein Bretterkreuz genageltes Augenpaar von vorn und von hinten. Eine Wiese bei Horneburg aus dem Film Arrowplane mit einer Backsteinmauer als Himmel. Dazu eine Szene am Mönchsteich, das Blut, der Puls, die Blickabweichung, ein Zettel aus dem Sommer 1976: 'Heute zum ersten Mal den eigenen Herzschlag in den Augen gespürt, eine geringe rhythmische Veränderung des Blicks, die eine Arterie nahe des Augapfels erzeugt. Wir liegen mit halbgeöffneten Augen auf dem Rücken, schauen in den Himmel und sehen unter den Wimpern einen Teil seines dunklen Blaus. Über den Wimpern bilden die Augenlider Dias, deren Farbschichten aus frischem Blut bestehen. Die Sonne ist die Projektionslampe, unsere Netzhäute sind Projektionsflächen. Dazwischen die Linsen, die Diesseits und Jenseits trennen wie zwei Arten von Außen. Der Blick, wenn wir die Augen öffnen, läuft auf wechselnden Bahnen und kennt keine definierte Richtung. Nicht zu verwechseln mit dem Betrachten eines Films, in dem die tanzenden Grains dem Blick die Arbeit abnehmen.'" (Aus: arsenal, juli august 10).

(1987) 

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Zeichnung (380) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Die Chimäre des von mir favourisierten Dreiecksverhältnisses Eisenstein-Sternberg-Dietrich, Hollywood 1931, zur Zeit des gescheiterten Mexiko-Filmes von Eisenstein. Kein Körper kann an der Stelle eines anderen sein, sie schließen einander aus. Aber in einer Zeichnung ist dies möglich, weil sie darin transparent erscheinen, wie hier überblendet mit einer Zimmerecke in 100 Hudson Street, NYC 1974. Drei Drahtbügel an der Leine, die die Schaumstoffmatratze gegen die Verbindungstür zum Nachbarbüro preßte, um die nächtlichen Schreibmaschinengeräusche des Detektivs zu dämpfen, der dort Briefsendungen für den CIA auf Giftstoffe hin untersuchte. Dahin war ich vor dem Neuen Deutschen Film geflohen, der mich allerdings umgehend via Goethe Institute wieder einholte. Aber dafür lege ich noch jetzt meine Hand ins Feuer: Daß jede der bisherigen 4312 Folgen der ARD-Vorabendserie Verbotene Liebe (Achtung, kein "Quality-TV"!) besser ist als jeder Film von Werner Herzog. Lasse feinen Sand aus meiner rechten Hand darüber rieseln. Mehr unter www.pym.de." (Aus: arsenal, juni 13).

(1978)

Lynne Tillman: "Should the lines be drawn that would connect them, they would take shape in another dimension. From one point of view they are the background upon which objects rest. Rest? Do objects rest and upon what do they rest? Assumtions of their place in our, my, reality? Just connect the dotted lines. Their faces would overwhelm everything. I can't be certain of that. They might be like the sand, upon which the ocean rests when it has a mind to. The ocean doesn't have a mind; it doesn't mind. And, in addition, the ocean never rests. The ocean cannot be thought about."

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Zeichnung (376) aus DIE BASIS DES MAKE-UP100

"Hudson Street, Raum 407, im Triangle Below Canal Street, NYC Ende 1974. Die Bezeichnung TriBeCa gab es damals noch nicht. Ich lag unter einem Moskitonetz - ein unkoordinierter Körper mit Ohrenschmerzen in Wäsche aus Plastikfasern - und las an den Reflektionen der Wintersonne auf den silbernen Rippen des gerade fertiggestellten World Trade Centers die Zeit ab. Ein nutzloses Telex-Kabel hing an unsichtbaren Fäden von der Decke meines ausgebrannten Büros herab. Den Stuhl hatte ich in einem Schneesturm im West Village auf der Thompson Street gefunden. Er erinnerte mich an meinen Freund Heinz aus Bayern, der mich zehn Jahre davor mit meinem Namen ausgesöhnt hatte. Die Silhouettte des Stuhls führte zu Erscheinungen, die sich bei näherer Betrachtung als Nachbilder lesen ließen. Schön, was uns die Augen schon aus sich heraus zu bieten haben. Auch wenn es so kalt ist wie unter der Erde, die Eigentemperatur eine unbekannte Größe, und man sich kaum noch bewegen kann." (Aus: arsenal, dezember 09).

(1975) 

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Zeichnung (368) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein Blick in den Raum unter meinem Schreibtisch in 100 Hudson Street, 1974. Briefe, Hefte und Bücher in einer Schublade und auf dem Tisch. Jaune - ein Wort auf einem Stück Stoff, aufgelesen im Garment District der Stadt. Eine Matrix und die Kombination ihrer einzelnen Teile, drei abgetragene Schuhe auf Linoleum. Die Komik, sich von den eigenen, geklonten Einzelteilen wie von Satelliten umzingelt zu sehen. Keine lineare Story, sondern eine in ihren logischen Möglichkeiten kreisende Wiederholung. Den Objekten wird der Boden unter den Füßen weggezogen. Der Raum verliert seine Stabilität und wechselt von Ausschnitt zu Ausschnitt seine Perspektive. Die Balance auf der Fläche des Bodens erscheint extrem gefährdet. Die Schuhe schonen Haut und Knochen und sind obendrein Gewichte, die den Körper mit dem Boden verhaften. So schlagen einem die Füße nicht hinter dem Kopf zusammen. Ein irgendwie aufrechter Gang wird möglich, wie alles Menschliche längs einer Achse organisiert, die den Anschein von Spiegelsymmetrie bietet." (Aus: flypaper #5, 2010).

(1975)

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Zeichnung (367) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Fortsetzung zu August 2012: Ich starrte also im Sommer 1974 in der Bibliothek der SUNY Binghamton an die Decke und versuchte, mir die mouches volantes aus den Augen zu wischen und die Frage zu beantworten, was an 'Prominenz' noch zu analysieren sei, nachdem sie Karl Krauss in Die Fackel Nr. 890 als nimmermüden Quell für Null-Nachrichten geoutet hatte: Unter der Überschrift 'Max Reinhardt der Zugkatastrophe entronnen' konnte man erfahren, dass Reinhardt zu Weihnachten 1933 bei Lagny in Frankreich 'beinahe' das Opfer einer Zugkatastrophe geworden wäre. 1993 gab der Publizist der Gruppe Frankie Goes To Hollywood die gebührende Antwort: Holly Johnson, der Sänger der Band, war 'nicht' bei dem Anschlag auf  Pan Am Flug 103 über Lockerbie ums Leben gekommen, weil er den Flug verpasst hatte. Das war ungefähr so sensationell lustig, wie wenn Westberliner Edelfedern mit hergesucht gedrechselten Petitessen und verschroben hintersinnigen Pretiösitäten eine Filmgeschichtsschreibung zu verfeinern suchten, die es gar nicht gibt." (Aus: arsenal, juli/august 2013).

(1974) 

 Erstveröffentlichung in BOA VISTA 2, Hamburg 1975

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Zeichnung (366) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Mouches volantes vor zwei Fenstern der Bibliothek der State University of New York in Binghamton, 1974. Bei fast geschlossenen Pupillen, in großer Helligkeit, rückt die Oberfläche des Augapfels und die darauf oder im Glaskörper selbst schwimmenden oder schwebenden Kleinteile und ihre Schatten in die Erkennbarkeit. Das Sehen bezieht sich auf sich selbst, das Auge wird selbstreflexiv. Hermann von Helmholtz hat sie zuerst beschrieben. Ich saß im Max Reinhardt Archive und ekelte mich vor meiner Recherche. Und endlich Warum die Fackel nicht erscheint von Karl Kraus in Die Fackel Nr. 890-905 gelesen, Ende Juli 1934 auf 315 Seiten erschienen, der beste Aufsatz in deutscher Sprache, den ich je gelesen habe. Zuvor noch die vierseitige Die Fackel Nr. 888 mit Kraus' Rede am Grab von Adolf Loos vom 25. August 1933 und seinem Gedicht 'Man frage nicht, was all die Zeit ich machte', das mit Häme zu überziehen, sich die journalistischen Zuarbeiter des Grauens nicht nehmen ließen. Und damit das Kapitel 'Reinhardt' abgeschlossen." (Aus: arsenal, juli/august 2012).

(1974) 

Erstveröffentlichung in BOA VISTA 2, Hamburg 1975

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Zeichnung (365) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Text under construction"

Aus den von Mouches Volantes umgebenen Balken tauchen Erinnerungen an Hände mit Tassen und Reihen von Koffern auf. Trinken und Reisen, zusammengefaltete Hemden. 

(1976) 

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Zeichnung (364) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Concerned friends - besorgte Freunde, zwei schwarze Balken, die zu mouches volantes schrumpfen und ein Löwe, dem von einem Engel das Maul aufgerissen wird und der einen Strick hervorwürgt. Das Seil hängt in einer Schlinge, die aus einer von Werbung betörten Menschenmasse hervortritt. Sie bekommt, was sie sieht: You get what you see, und winkt Auf Nimmerwiedersehen!  Das vergangene Wintersemester war mein letztes an der Universität der Künste Berlin. Was mir 1993 vorschwebte, war eine "poetische" Lehre, was immer das auf dem Feld des Films, auf dem gewöhnlich Binsenwahrheiten verbreitet werden, und trotz dieses falsch gesetzten Adjektivs auch hat sein können. Die Bildunterschrift "... aber der Anschein von Zufälligkeit tritt immer wieder ein" druckte mein Freund David Marc zu dieser 1975 angefertigten Zeichnung in seinem Buch Bonfire of the Humanities - Scheiterhaufen der Geisteswissenschaften ab und eröffnete damit dessen zweites Kapitel mit dem Titel: "Die Kunst zu lesen und zu schreiben - liebe sie oder laß es bleiben". (Aus: arsenal, februar 13).

(1975)

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