Die Basis des Make-Up

Die Basis des Make-Up

Image: 

Zeichnung (249) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Die Erforschung der Unsichtbarkeit findet im Untergrund statt und bleibt schwer vermittelbar. Krebsforschung als Synonym für Wissenschaft, ihr Objekt der Mensch, dem das Leben unheimlich geworden ist. Die Verkündigung von Diagnosen. Zeit wird zum Fetisch, Restzeit wird prognostiziert, Zerfallszeiten werden konstatiert. Zwei Frauen, in einem schwarzen und mit einem weißen Wickelkleid, vor den geöffneten Türen des Röntgenkellers der Krebsstation im Universitätskrankenhaus Eppendorf in Hamburg. Nach einer Fotografie von Graciela Stania, die sich durch Fotografieren zur Wehr setzen wollte. Ein Feuermelder, schwarze Wände und ein Fensterloch. Grabkammern, in denen Forschungen am lebendigen Leib angestellt werden. Auf allen Raumebenen aufgeblasene Schriftzeichen aus dem Text zum Film Normalsatz, in dem ein Schicksal eingefordert und proklamiert wurde. Schrift als ein Gitter und transparentes Ornament, durch das wir hindurchblicken in eine Welt jenseits von Perspektive. Das Schmiedeeisen brutal ordnend als osmotische Schicht." (Aus: Schwarze Blöcke, SchwarzHandPresse 2010).

(1984) 

Image: 

Zeichnung (247) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Invasions-Hardware, 1944. Gulliver am Strand der Normandie vergraben. Sein nackter Rücken und sein Hintern ragen aus dem Sand mit dem  ablaufenden Wasser.  Sechs daran geheftete Blicke (vom Betrachter aus gesehen), nach rechts oben: Erinnerung bekannter Bilder (Auffrischung des Speichers); nach links oben: Konstruktion neuer visueller Eindrücke (Blitze); geradeaus nach rechts vorn: Erinnerung bekannter Geräusche (Lokomotive); nach links vorn: Bildung neuer akustischer Eindrücke (Hörsturz); nach rechts unten: Wachrufen innerer Dialoge (Okkupation); und nach links unten: Erzeugung von Gefühlen (temporär). Wenn Journalismus moralisch sein will, schickt Der Spiegel einen Mitarbeiter mit Blitzlicht als Exekutive in einen thailändischen Puff und lässt einen Päderasten fotografieren. Dieser verdeckt dann mit den Händen sein Gesicht. So wie sich auch Politiker als Vermittler des Wirklichen verstehen. Sie müssten also permanent den Kapitalismus erklären, von dem sie aber nichts verstehen und den sie mit Menschenführung verwechseln." (Aus: Black Blocks, Cinema Scope #46, 2011).

(1996) 

Image: 

Zeichnung (246) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Eine von Kriegsmaterial gezeichnete, gefleckte Landschaft am D-Day, dem 6. Juni 1944, dem Tag der Invasion der Alliierten in der Normandie. CCHHILLRU - die pro Band nach den Buchstaben seines Namens alphabetisch sortierte Gesamtausgabe von Churchills Schriften. 1953 bekam er den Nobelpreis für Literatur. Auf den Buchrücken Mouches volantes, graue Stäbchen, die auf den Oberflächen unserer Augäpfel schweben.  Der Abdruck einer blutigen Hand am Fenster oder der Tür  eines bedrohten Menschen in Mittelamerika als letzte Warnung eines Todesschwadrons. TOW = Theater of War, das Schlachtfeld als realistisches Theater und Theater des Realistischen. Mit den Churchill-Schriften durch Stäbe verbunden sind vier Figuren mit besonders gekennzeichneten Schwachstellen des Seins: 1. Die Regionen Kopf-Zeh-Finger-Bauch; 2. Schwindel, der Mensch als Kreisel; 3. Alle Säfte in den Boden fahrend, nur das Gehirn nicht, es wird aufgesaugt; und 4. Geschlecht und großer Knoten im Kopf. Dazu Churchills letzte Worte, heldisch: 'Everything is so boring.'" (Aus: Black Blocks, Cinema Scope #46, 2011). 

(1996) 

Image: 

Zeichnung (243) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"China, Bau des Dammes am Gelben Fluß per Menschenkraft. Den Menschen wird die Geschichte auf den Rücken geschrieben, manchmal können sie sie dabei sogar entziffern. GUL = GHOUL = GHUL = Unmensch = Monster. HYS = History = Hysterie = Geschichte. Der Fortschritt und seine Opfer am Beispiel der automatisierten Hähnchenschlachtung: Kopf ab, Rohr in den After und die Innereien mit Druckluft herausblasen. Alle Demokratien der westlichen Welt seit den Griechen basieren auf Sklavenhaltergesellschaften. Das Outsourcen von Wertschöpfung ist ein althergebrachtes, kulturelles Ideal. Davon profitierte noch der letzte Prolet, dass er sich rassisch einer Wertschöpfungsgemeinschaft zugehörig fühlen durfte. Die Janusköpfigkeit sozialer Revolutionen hat darin ihren Ursprung. Solange der Kapitalismus sich noch nicht weltweit durchgesetzt hatte, durften menschliche Resourcen, die sich seiner Weisheit verschlossen, mit kirchlichem Segen zugrundegerichtet werden. Unten links sado-masochistischer Telefonsex, der sich spielerisch dieser Situation annähert." (Aus: Schwarze Blöcke, SchwarzHandPresse 2010).

(1996) 

Image: 

Zeichnung (242) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Tore zum Himmlischen Frieden sind ein direkter Zugang zum Gegenteil, manchmal auch auf Umwegen. Die Politik predigt das in ihren Taten. Soldaten stehen Spalier im Tor eines Fußballplatzes in China, Ort einer Massenhinrichtung zwecks Erziehung des Volkes, die auch der stalinistische Stammtisch als notwendig preist. Noch ein Bild von Natur: Wolken mit ihren Schatten über einer Agrarlandschaft im Mittleren Westen der USA, 1998. Eine zusammengestauchte Landschaft, Feldwege bilden Hakenkreuze, die man sehr wohl erkennen kann. In der Realität kommt alles zusammen, was nicht zusammengehört. Das Personal des Wirklichen und ihre Melodien erschöpfen sich darin, Versuche des Menschlichen zu illustrieren. Würde sich Madonna noch einmal neu erfinden können? Zu wünschen wäre es ihr. Auch gut zu wissen, dass sie es könnte. Die Stärke ist sich für nichts zu schade, die Netzwerke verkünden ihre Unendlichkeit. Ziehende Wolken. Ihre Schatten und der des Flugzeugs, in dem wir abstürzen, über dem Potato-Land. Uns ist eine Marktlücke abhandengekommen." (Aus: Schwarze Blöcke, SchwarzHandPresse 2010).

(1999) 

Image: 

Zeichnung (240) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Reste der 6. Deutschen Armee bei Stalingrad auf dem Weg in die Gefangenschaft, eine kilometerlange Schlange durch den Schnee. Vierzehn Füße in Wollsocken, die sich am Feuer eines offenen Kamins wärmen. Das kollektive Strümpfestricken für Frontsoldaten sollte verschleiern, dass man sich schon längst an den Möbeln, der Bekleidung und den Haaren der in den KZs Ermordeten gütlich getan hatte. Als Gegenpol ein gußeiserner Heizkörper aus der Nachkriegszeit. Eine Schulmeisterin im Oskar-Schlemmer-Look beherrscht die Szenerie, die Karikatur einer Domina. Sie küsst die Spitze eines Zeigestabs oder Prügelstocks aus Holz und soll hier nicht 'zum Nachdenken anregen', sondern zum Lachen. Über dem Höllenfeuer schwebt eine Armmanschette aus Leder, die mit Nieten in der Formation des Sternbilds Großer Wagen besetzt ist. Elfi Mikesch hat sie mir 1981 vor den Dreharbeiten zu ihrem Film Macumba für meinen bruchgefährdeten, rechten Unterarm anfertigen lassen - zur Zeit der Fertigstellung von Normalsatz, zehn Jahre vor Der Zynische Körper." (Aus: Schwarze Blöcke, SchwarzHandPresse 2010).

(1983) 

Image: 

Zeichnung (239) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Im Vordergrund Reste der 6. deutschen Armee begleitet von russischen Wachmannschaften und ihren Hunden auf dem Weg durch den Schnee in die Gefangenschaft. Dazu drei pyramidenförmige Nieten aus der Formation Großer Wagen. Im Hintergrund ein Paket getrockneter Nudeln mit Angaben zu den darin enthaltenen Nährstoffen FIBER, WHEAT GERM, IRON. Meine rechte Hand mit der zweiteiligen Narbe am Unterarm zeichnet im Notizbuch meines Vaters auf dem Blatt mit seinen Eintragungen vom 1. Oktober 1941: eine Auflistung von Verletzten und Gefallenen, insgesamt 225. Er war als Soldat in Russland gewesen und hatte als Medikament zuletzt nur Schokakola in seiner Sanitätsausrüstung gehabt. Was das bedeutete, könne er nicht erzählen. Im Sinne der KZ-Betreiber wäre es logisch gewesen, die Deutschen im letzten Kriegswinter mit Wurst aus dem Fleisch der Ermordeten zu versorgen. Meine Narben am Arm hatten 48 Jahre nach ihrer Beibringung zu dem Kommentar geführt, 'An welchen Tierarzt sind Sie denn geraten?' Als ob Kinder hier früher mehr gegolten hätten als heute." (Aus: Schwarze Blöcke, SchwarzHandPresse 2010).

(1983) 

Image: 

Zeichnung (237) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein römisches Fussbodenmosaik aus dem Jahr 500 nach Christi im heutigen Istanbul: der Kampf eines Löwen mit einem Elefanten. So hätte man die Natur und ihre Teilnehmer gerne, sich selbsttätig eliminierend. Ah, und mit welch einer überragenden Intelligenz der Mensch die Tiere jagt und gefangen hält. Fünf Männer träumen davon auf heissen Marmorplatten im Cemberlitas Hammam von 1584. Ihre Assoziationsmotoren laufen auf vollen Touren und produzieren Chimären nackter chinesischer Rekruten, denen sie ihre Bären aufbinden können: vom Billiglohnland zur importierten Luxuslimousine. Schon ein altes Sprichwort wußte, dass Träume Scheißhaufen sind, die Geschichten erzählen. Das ist ihre Natur, sie entspringen dem Verdauungstrakt. Du musst aufwachen, damit sie dich nicht umbringen, und wieder einschlafen, wenn der Abschaum des Wirklichen nicht mehr zu ertragen ist. Dazwischen das Sekundenglück, der kleine Tod und sprunghaftes Vergessen. Erster Kommentar von Außerirdischen angesichts unseres unbelebten Planeten: 'Das muß die Liebe gewesen sein.'" (Aus: Schwarze Blöcke, SchwarzHandPresse 2010).

(1999) 

Image: 

Zeichnung (236) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Staatskapitalismus verleitet an Stammtischen zu höchsten Gefühlen. Polit-Darwinisten können nichts Schlechtes an dem finden, was sich in sicherem Abstand so vehement Bahn bricht. Aus der Entfernung wird verkündet, dass es keine Alternativen zum revolutionären Designerstaat gibt. Neunundzwanzig halbnackte und glatzköpfige chinesische Rekruten in dem von Frank Lloyd Wright 1935 designten S. C. Johnson Administration Building in Racine, Wisconsin, beweisen durch Wohlgenährtheit, was Sache ist. Die Säulen des Großraumbüros agieren als Stalaktiten der Vernunft, endlich ein Dach über dem Kopf. Von links gerät ein Scheiterhaufen für Menschen aus dem Dreißigjährigen Krieg ins Blickfeld. Immer wieder propagiert und von Weitem gern gesehen: der Verbrauch von Menschen für eine Sache. Eine Bewegung und ihre Toten, eine rasende Natur und eine in Zyklen auflodernde Geschichte: die Gesellschaft als Biest, die zerfetzte Haut der Zivilisation. Und diejenigen, denen es geschieht, haben den letzten Gedanken: 'Das darf alles nicht wahr sein.'" (Aus: Schwarze Blöcke, SchwarzHandPresse 2010).

(1999) 

Image: 

Zeichnung (235) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Im Vordergrund Reste der 6. deutschen Armee begleitet von russischen Wachmannschaften und ihren Hunden auf dem Weg durch den Schnee in die Gefangenschaft. Dazu drei pyramidenförmige Nieten aus der Formation Großer Wagen. Im Hintergrund ein Paket getrockneter Nudeln mit Angaben zu den darin enthaltenen Nährstoffen FIBER, WHEAT GERM, IRON. Meine rechte Hand mit der zweiteiligen Narbe am Unterarm zeichnet im Notizbuch meines Vaters auf dem Blatt mit seinen Eintragungen vom 1. Oktober 1941: eine Auflistung von Verletzten und Gefallenen, insgesamt 225. Er war als Soldat in Russland gewesen und hatte als Medikament zuletzt nur Schokakola in seiner Sanitätsausrüstung gehabt. Was das bedeutete, könne er nicht erzählen. Im Sinne der KZ-Betreiber wäre es logisch gewesen, die Deutschen im letzten Kriegswinter mit Wurst aus dem Fleisch der Ermordeten zu versorgen. Meine Narben am Arm hatten 48 Jahre nach ihrer Beibringung zu dem Kommentar geführt, 'An welchen Tierarzt sind Sie denn geraten?' Als ob Kinder hier früher mehr gegolten hätten als heute." (Aus: Black Blocks, Cinema Scope #46, 2011). 

(1983) 

Seiten

RSS - Die Basis des Make-Up abonnieren