Die Basis des Make-Up

Die Basis des Make-Up

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Zeichnung (300) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Der Versuch, ein Geräusch zu zeichnen: die Demonstration eines Ginsu-2000-Messers, mit dem man Blechdosen zerschneiden kann. Ein japanisches Jagdflugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg im Anflug auf die Silhouette eines jungen Bordschützen im ready room des Flugzeugträgers USS Ticonderoga, am 5. November 1944 irgendwo in der Philippinischen See. Sein Kopf ist voll von Motorengeräuschen. In seinen Schattenriß sind Aufzeichnungen über staatlich ausagierte Sexualphantasien beim Verbrauch junger Soldatenkörper eingebrannt. Wer wird zum Opfer erklärt, und was befruchtet den überlebenden Admiral? Immer wieder die Utopie, aus der eigenen Haut fahren und in einer anderen Zeit leben zu können. Unten zwei Narzißten beim Gay-Tea-Dance im Berliner Metropol, Ende der 80er Jahre, als die nackte männliche Brust in den Medien der westlichen Welt mit der weiblichen gleichzog. Der Tanz bestand darin, so als konkave Spiegelfläche aufzutreten, daß sich irgendwo im leeren Raum ein Brennpunkt realisierte. Und das Geräusch wurde zu Musik." (Aus: arsenal, april 10).

(1994) 

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Zeichnung (289) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein schwerer Himmel, apokalyptische Zeitenwenden in immer schnelleren Abfolgen. Ein Schlachtfeld auf der Halbinsel Kertsch, im Südosten der Krim, mit über 176.000 von Deutschen getöteten Soldaten und Zivilisten. Der sowjetische Fotograf Dmitri Baltermants fotografierte dort 1942 die Silhouetten von Menschen auf der Suche nach den sterblichen Überresten ihrer Angehörigen. Rechts ein Astronaut als Cherub bei Außenarbeiten an einer Raumstation. Er kratzt vergeblich am Zeitgefängnis. Darüber reicht der stark vergrößerte Ausleger eines unsterblichen Pilzgewächses mit hochgiftigen Sporen wie eine Sonde ins Bild, die alles Leben aufsaugt. Links unten das Selbstbildnis von Urs Graf als ausschreitender Landsknecht - eine Karikatur aus dem Jahr 1519 am und vom äußersten Rand der Wahrnehmung. Ein Vogel ist im Begriff, sich auf seinen Kopf zu stürzen wie auf den von Tippi Hedren in Die Vögel. Lebenshilfe der Medialen: Stellen Sie Ihr Fernsehgerät permanent auf den Modus Schwarzweiß ein, schon ist alles Instant Vergangenheit." (Aus: arsenal, juni 12).

(2007) 

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Zeichnung (288) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Eine von Kriegsmaterial gezeichnete, gefleckte Landschaft am D-Day, dem 6. Juni 1944, dem Tag der Invasion der Alliierten in der Normandie. CCHHILLRU - die pro Band nach den Buchstaben seines Namens alphabetisch sortierte Gesamtausgabe von Churchills Schriften. 1953 bekam er den Nobelpreis für Literatur. Auf den Buchrücken Mouches volantes, graue Stäbchen, die auf den Oberflächen unserer Augäpfel schweben.  Der Abdruck einer blutigen Hand am Fenster oder der Tür  eines bedrohten Menschen in Mittelamerika als letzte Warnung eines Todesschwadrons. TOW = Theater of War, das Schlachtfeld als realistisches Theater und Theater des Realistischen. Mit den Churchill-Schriften durch Stäbe verbunden sind vier Figuren mit besonders gekennzeichneten Schwachstellen des Seins: 1. Die Regionen Kopf-Zeh-Finger-Bauch; 2. Schwindel, der Mensch als Kreisel; 3. Alle Säfte in den Boden fahrend, nur das Gehirn nicht, es wird aufgesaugt; und 4. Geschlecht und großer Knoten im Kopf. Dazu Churchills letzte Worte, heldisch: 'Everything is so boring.'" (Aus: Schwarze Blöcke, SchwarzHandPresse 2010).

(1996) 

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Zeichnung (279) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Die Götter liebten Prometheus ob seiner Weisheit. Doch der zweifelte an ihrer Allwissenheit und testete Jupiters praktische Intelligenz zu dessen Ungunsten. Dann fuhr er fort, Menschen auszubilden, und beseelte sie mit dem Feuer, das er aus dem Himmel gestohlen hatte. Jupiter ließ ihn aus Rache an den Kaukasus ketten und ihm von seinem Adler täglich die Leber wegfressen, die in den Nächten wieder nachwuchs. Eine Folter, die dreißig Jahre anhielt. Der gefesselte Prometheus ist der Titel einer Skulptur von Reinhold Begas, mit der sich das großkotzige Berlin um 1900 schmückte. Man kam sich vor wie die Krone der Schöpfung, aber eben gefesselt. Die Seele des Prometheus trennt sich in einen schwarzen Schmetterling und eine schwarze Leber auf. Der Adler, der diese Teilung vornimmt, sitzt auf dem rechten Zweig eines Y. Zwei L (= Learner) kennzeichnen die Ecken eines internen Bildrahmens. Darin kollidiert der Blick des Prometheus mit dem eines Geiers in einem hingehaltenen Eisblock. Von links naht die Kugel, mit der Herkules den Vogel erschoß." (Aus: arsenal, januar 11).

(1996)

Die Zeichnung findet sich auch auf Seite 115 des Buches Spiegelungen – Philosophisch-ästhetische Studien zur Geschichte des Bildes von Maragretha Huber, Frankfurt 1984.

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Zeichnung (275) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Das Grab von Kasimir Malevitch zierte ein auf einen zurückversetzten Sockel aufgestellter würfelförmiger Steinblock, in dessen Vorderseite ein Quadrat aus schwarzem Stein eingelassen war. Es sah aus wie ein Monitor der ersten PC-Generation, auf dessen schwarzen Bildfläche sich alles – alles Denkbare, Sichtbare und jeder Prozeß – von außen von einem Betrachter, aber auch von innen aus der Dichte der Materie des Steins heraus, projizieren ließ. Die Grabstelle wurde im II. Weltkrieg beim Vormarsch der deutschen Truppen auf Moskau zerstört. Hier sieht man den Grabstein im Juli 1945 am Ort der ersten Atombombenexplosion, einem Testgelände in New Mexico. Robert Oppenheimer ist in der bis zum Horizont verbrannten Landschaft zu Besuch und sieht sich mit der Anwesenheit eines neuartigen Geschlechts konfrontiert: ein Unterkörper auf den hölzernen Beinen eines stummen Dieners, mit hochwehendem Röckchen über einer quadratischen, osmotischen Fläche." (Aus: arsenal, juni 09).

(1993) 

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Zeichnung (274) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Einige Fakten und Konstellationen von Dingen aus der Welt vor ihrer Vernetzung: ein an einem Kran hängendes Wrackteil der Boeing 747 Maid of the Seas bei Lockerbie vor einem aufgedunsenen Schweineleib, ein Knoten im Schaltknüppel eines Fahrzeugs vor einer gehäuteten Rinderhälfte mit der streichelnden Hand eines Schlachters, eine Industrieruine mit zwei Schornsteinen und das von deutschen Truppen auf ihrem Vormarsch auf Moskau zerstörte Grabmal für Kasimir Malevitch. Aus der Rubrik Plaudereien über den Kapitalismus - Wertkonservative entdecken den tendenziellen Fall der Profitrate: Bemängelt wird, dass der Kapitalismus neuerdings seine Macht mit Hilfe von Maschinen ausübe, die automatisch kaufen und verkaufen. Vergessen wird dabei, dass wir längst Teil der kritisierten Maschine sind, und dass auch dieser Fakt mehr über Sprache als über Realität aussagt. 'Die Verhältnisse so zu beschreiben, wie sie wirklich sind, bedeutet Scheiße zu sein, und wir wissen, was mit Scheiße passiert: Sie wird weggespült.' (Gore Vidal)." (Aus: arsenal, september 13).

(1996) 

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Zeichnung (273) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein Hammerschlag auf eine ausgewickelte Brotstulle, die dann, so spricht der Pfeil, auf der nackten Brust eines Geköpften hinabgleitet. Auf der Schnittfläche seines Halses steht wie ein aufgepflanztes Gesicht der Grabstein von Malevitch mit dem schwarzem Quadrat. Links unten eine zusammengefaltete Hose vor dem weißlackierten, eisernen Gestell des Bettes, in dem ich zur Welt gekommen bin. Die Akrobatenfamilie Traber balanciert auf einem Hochseil über den Trümmern einer deutschen Großstadt. Ihr Seil ist an der Haube einer Elim-Diakonisse befestigt, die meine Tante und die Hebamme meiner Mutter war. Die Luft ist voll von verschiedenen Kopfformen für Hämmer. Ich machte dieser Tante insgeheim den Vorwurf, daß sie mir bei meiner Geburt die Rippen verbogen habe. Ein besonders verschroben interpretiertes Geburtstrauma. Dabei hatte ich nur die Englische Krankheit wegen des nach dem Krieg grassierenden Mangels an Vitamin D. Jeden Morgen mußte ich dagegen ein Löffel Lebertran schlucken, der aber auch nichts nutzte." (Aus: arsenal, märz 12).

(1993) 

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Zeichnung (258) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein schlafender israelischer Soldat und die Silhouette eines gehenden im Lebanonkrieg, 2006. Unter den Zweigen eines Olivenbaumes und dem Schattenriß einer Palme auf dem Gelände des 1946 von Rudolph Schindler aus Holz und Steinen erbauten Toole Hauses in Palm Desert, Kalifornien. Der Gehende schreitet auf das von Schindler entworfene Eisentor zu. Flächendeckend ein seltener Regen, dessen Tropfen längliche Spuren auf den Filmbildern hinterlassen. Oben rechts das Konterfei des Vier-Sterne-Panzergenerals George S. Patton auf einer Verkaufstüte des Buchladens im General Patton Memorial Museum am Interstate Highway 10 am Rande der kalifornischen Yoshua Tree Wüste. "May God have mercy upon my enemies, because I won't." Patton starb im Dezember 1945 in Heidelberg nach einem Autounfall in Mannheim. Der Schlaf der Gerechten im Clinch mit dem Schlaf der Vernunft, der Monster hervorbringt. Morpheus, der Sohn des Schlafes, ist der Gott der Träume. Er kann jede Form annehmen und erscheint den Träumenden in tausend Gestalten." (Aus: arsenal, september 11).

(2007) 

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Zeichnung (259) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Die Terrasse des 1935 von Rudolph Schindler erbauten Wilson Hauses in Silverlake, Los Angeles, mit einem Zitronenbaum und den im Raum schwebenden Ornamenten eines Chinateppichs. Ein rohes Ei wird von einem hellblau angemalten, hölzernen Dachbalken der Veranda angepiekst. Wenn man überhaupt einem schwarzweißen Bild eine Farbe zusprechen will, so wäre diese hier ein komplementäres Gelb. Die Balance einer überlegten Architektur und ihrer Farben überfällt uns im Schlaf und geht uns dann wieder ab als Alptraum. Ein Gefühl solange wie möglich hinauszögern, ein Land für die eigenen Zwecke ausquetschen wie eine Zitrone - das sind die Vereinigten Staaten von Amerika. Wenn ein Staat meint, eine Idee von sich selbst umsetzen zu müssen, ist das das Ende vom Anfang. Imperien gehen an Selbstreferentialität zugrunde. Kennst du das Gewächshaus, in dem die Zitronen blühen? Ein Soldat hat sich im Libanonkrieg 2006 seinen Schlafsack übers Gesicht gezogen und probt wiederholtes Einschlafen und Bewusstlosigkeit als letzten Genuß." (Aus: arsenal, april 13).

(2007) 

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Zeichnung (250) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Eine mit Tipp-Ex unleserlich gemachte Schrift, die sich über die zerknitterte Fotografie der Mainstreet einer Kleinstadt im Mittleren Westen der USA in den 50er Jahren gelegt hat. Ließe sich jedes Denken auf ein System zurückführen, wäre das, was an seiner Oberfläche als Sprache auftaucht, nur das winzige Segment einer Kugeloberfläche, und so unregelmäßig in seinen Strukturen wie die Oberfläche unseres ganzen Planeten. Die Oberflächen des Seins, dem technischen Bild so universal wie öde zugänglich, hier sind sie noch einmal gebrochen. Die Schwerkraft der Gedanken, die auf einen unsichtbaren Kern hin zielt, und die von diesem Kern ausgehenden Projektionen von Schrift, die auf den Oberflächen aller Objekte dekliniert wird. Eine verwitterte Sprache, Zweite Sätze, die ohne unser Zutun passieren. Dies alles hätten wir zusammen erfahren können. Jetzt ist es zu spät. Zwei Finger einer Hand bedienen die Röntgenanlage eines Krebszentrums. Ein Drink aus einem Schierlingsbecher. Der Vergiftete erstickt bei vollem Bewusstsein." (Aus: Schwarze Blöcke, SchwarzHandPresse 2010).

(1984) 

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