Die Basis des Make-Up

Die Basis des Make-Up

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Zeichnung (199) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Lost moving, unterwegs verloren gegangen: der 'Volksschauspieler' und Poet Bernd Broaderup und der Musiker Volker Peters vor einem Backofen aus Stein, in dem Einwickelfolie für Schokolade verbrannt wurde. Das war bei Probeaufnahmen zu Die letzten Geheimnisse der Republik, irgendwann in den 80er Jahren in der Nähe von Wilhelmshaven. Wir hatten gerade unsere Sachbearbeiter bei der KSK aufgesucht. Der Film, meine Arthur-Gordon-Pym-Version, ist immer noch nicht realisiert, und Bernd ist schon 17 Jahre tot. Man hätte mit ihm um die Welt reisen können, aber er wollte nicht, so sind wir zu Hause geblieben. In Der Zynische Körper spielte er seine letzte Rolle – Rob, eine Romanfigur. Das Ungeheuer aus dem Poe-Roman spuckt eine Weltkugel aus, der Jet war 1976 das Logo einer Billigfluglinie. Dazu das gekappte Unendlichkeitszeichen, der Grundriß einer Höhle am Südpol, einer der Drehorte für die Darstellung einer Welt, die sich damals noch BRD nannte." (Aus: arsenal, dezember 08).

(1993) 

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Zeichnung (188) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein Packen Papierhandtücher, die mit einem visuellen Pamphlet über die Zweiteilung der Menschheit bedruckt sind, an der Wand eines italienischen Hotels, 1971. Frau = Schminksachen / Mann = Rasierzeug. Die Zeichnung wurde 1982 das Motiv des Plakats zum Film Normalsatz, der diese Trennlinie nachvollzieht. Die Figur zur Rechten besteht aus dem Negativ aller Bestandteile des Selbstportraits in Zeichnung Nr. 316 (mai 10). Daß mein Vater mir einen Rasierapparat schenkte, als mir noch gar kein Bart wuchs, war ein traumatisches Erlebnis. Zumal weil auch ihm, als altem Indianer, kaum einer wuchs. Ein Kriegsschiff in Camouflage-Bemalung im Ersten Weltkrieg auf einem geneigten Horizont, ein erster Schritt in der Entwicklung geometrisch-optischer Illusionsmalerei, weg vom "Schlachtschiff-Grau". Tarnfarben waren nicht genug. Groteske Muster in starken Kontrasten ausgeführt verwirrten die Einschätzung realer Formationen und Linienführungen. Ein paar kubistische Maler entkamen so als kriegswichtige Spezialisten dem Frontdienst." (Aus: arsenal, mai 11).

(1976) 

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Zeichnung (187) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Selbstportrait in einer Drehpause zu einem Porno in San Franzisko im Sommer 1975. An der Wand des Drehortes, einem Apartment im Mission District, Vladimir Tatlins Entwurf für eine Skulptur, die die III. Internationale preisen sollte - ein Bild, das ich damals immer bei mir hatte. In meinen Notizen aus jener Zeit tauchen außer Buster Keaton, Jack Smith und Josef von Sternberg kaum Filmemacher auf. Als bildende Künstler neben Tatlin nur Francis Picabia, Alexander Rodtchenko, Edouard Vuillard und El Lissitzky. Dafür aber viele Schriftsteller, so als sei in der Literatur ein größerer Fundus an Modellen für die Lösung der auch im Film virulenten logischen Probleme bei der Darstellung simultaner Ereignisse aufzufinden: Gustave Flaubert, Philip K. Dick, Arthur Rimbaud, Marcel Proust und immer wieder Edgar Poe - 'I have graven it within the hills, and my vengeance upon the dust within the rock', die anonyme Inschrift in der Höhle eines Felsenmassivs am Südpol. Allan, der Name seines verhassten Stiefvaters, bleibt weg." (Aus: arsenal, mai 10).

(1976) 

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Zeichnung (183) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Eine gerahmte schwarze Träne, ein hölzerner Stempel, ein Füllfederhalter, zwei Fingerabdrücke und der Titel Der Füller - in Pinselschrift ausgeführt, überblendet mit einer Frauenhand, die den Rand der Auslegeware streichelt, unter die sie alles gekehrt hat. Dazu in Detailaufnahme der Querschnitt des Bodenbelags. Zwischen diesen Tatsachen drei Absätze eines 1974 in den USA geschriebenen, aber nicht vollständig gelöschten Textes. Tabula rasa ist etwas für Teenager oder "alte" Mädchen beiderlei Geschlechts. Ein Traum lässt sich nicht fortsetzen. So ursprünglich, einzigartig und unwiederbringlich sind seine Elemente in ihrer Kombinatorik, dass sie sich nicht wiederholen oder zu einer kompatiblen Schnittstelle fügen lassen. Vielmehr ist ein Traum der Bodensatz und das Gegenteil einer Wiederholung, auch wenn er meint, sich in sich selbst wiedererkennen zu können. Er bleibt eine einmalige Vorstellung in einem leeren Theatersaal, in der es um einen verwunschenen Protagonisten geht, der sich selbst beim Schlafen zusieht." (Aus: arsenal, januar 13).

(1984) 

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Zeichnung (179) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Eine improvisierte Wahlkabine in British Columbia mit einer Frau und einem Kind, das beim Wählen zuschauen darf. Beide in Sonntagskleidern. "Do not enter when wet." Oder eine Frau, die mit dem Kopf in einer schwarzen Wolke schwebt, in die sie ihre Tochter einbezieht. Oder einfach Denial - Verdrängung der Möglichkeit, dass einem der Boden unter den Füßen weggezogen werden könnte. Die vaterlose Kleinfamilie steht auf dem schwankenden Boden einer Auslegeware, die sich von einer steifen Rolle abwickelt. Überleben geht vor Hokusai: ein wall-to-wall carpet, der ein aufgewühltes Meer zu glätten in der Lage zu sein scheint und als Wirtschaftsgesetz von Kontinent zu Kontinent quer über den Pazifischen Ozean reicht. Dazu das Zusammenspiel einer Hand mit dem Kopf eines Katers, der gestreichelt werden möchte; und zwar genau dort, wo er selbst mit der Zunge und den Pfoten nicht hinkommt. Eine x-beliebige, häusliche Szene also, unter der Schirmherrschaft der Demokratie. Doch hat das Kind gepetzt, dass die Mutter nicht gewählt hat, sondern nur gewürfelt." (Aus: arsenal april 11).

(1977)

Die Zeichnung findet sich auch auf Seite XVI des Buches Marieluise Fleißer: schreiben, überleben; ein biographischer Versuch von Sissi Tax, Frankfurt 1984.

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Zeichnung (177) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein autistisches Aquarium, das Innen und Außen eines Kopfes, mit einer vorbeirauschenden Welt. Der Körper einer Wasserski-Läuferin im einteiligen Badeanzug kurz vor dem Start in Wartestellung unter der Wasseroberfläche. Wellenkräusel verhindern eine klare Ansicht ihres Kopfes. Ein Wassertropfen zerlegt das weiße Licht in die Spektralfarben Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau und Violett. Der aufgelöste Horizont als fluide Trennungslinie zwischen den Medien Luft und Wasser. Paradoxe, jeweils aktuelle Brechungsgesetze von Licht in einem Wasserglas - unter und über Wasser - im Lokal Zum schmierigen Löffel in einer restlos begriffenen Welt. Ich zog es vor, nicht mehr wissen zu wollen, was unter der Oberfläche der Fall war. Der Horizont kehrt zurück als das sphärisch jeweils begrenzte Blickfeld der Einzelnen und ihrer Betrachterstandpunkte. Ihr Radius ist eine intime Größe. Wie auch der Regenbogen sich von jedem Standpunkt aus anders oder gar nicht realisiert. Einen inneren Horizont blicke ich nicht, so eingehämmert ist er." (Aus: arsenal, juni 11).

(1976) 

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Zeichnung (176) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Unten links das Zitat einer Zeichnung von 1956, eine Sandkiste mit Kindern und Spielsachen darin, dahinter ein Sprungbrett. Vom Rand der Kiste aus werden peruanische Erdzeichen projiziert. Zu erkennen sind die Konturen eines Mannes, der eine weit ausladende Armbewegung ausführt und die eines Holzhauses mit vier Appartements. Das Haus stand in Johnson City im Staat New York, 1974,  und die Wohnung oben links war 'ein Platz zum Weinen und zum Warten auf die Morgendämmerung ... exklusiv reserviert für Durchreisende, die keine andere Wahl hatten, überseht mit rotbraunen Insekten und Wanzen, die auf den Betten und an den Wänden entlangkrochen.' So jedenfalls hat Josef von Sternberg den Schlafraum im Hamburger Hafen beschrieben, in dem er als Siebenjähriger vor seiner Überfahrt nach Amerika ausharren musste. Eine Turmspringerin im einteiligen Badeanzug durchdringt diese Zeichen mit einem Kopfsprung in schweres Wasser. Darin spiegelt sich das Innere der Sandkiste als Nachbild." (Aus: arsenal, november 08).

(1977) 

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Zeichnung (164) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Auf eine Fahne in einem Kreis hat ein Schwimmtrainer mein Programm für das Jahr 1985 skizziert: Agony-Pain-Hurt-Comfort - Agonie, Schmerz, Verletzung und Trost. Drei stark vergrößerte Hausstaubmilben kriechen über das waffelförmige Bild. Hinter dem Gitter ein Ausschnitt aus meiner Bildcollage Die Hände bei Tom of Finland von 1986. Daß Oberflächen nicht oberflächlich sind, und Inhalte nichts beinhalten, ist das Ergebnis jeder näheren Betrachtung. Blicke durchdringen alles, weil sie selbst immateriell sind und nicht durch das zu stoppen sind, was gemeinhin als Materie gilt. Materie zersetzt sich in einer Zeit, die zu durchschauen ist. Der Blick wird dadurch zum einzigen Träger einer sich selbst zersetzenden Zeit. Außerhalb seiner Bahnen gibt es für sie keine Existenz. Sie geht dabei immer wieder in ihr Nichtsein über wie der Schmerz eines Trainings. Eben noch war die Haut gespannt und glatt, jetzt hängt sie schlaff herunter. Sich an ihren Inhalt zu erinnern, ist nur noch witzlos. Das Blut geht inzwischen andere Wege." (Aus: arsenal, november 12).

(1997) 

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Zeichnung (163) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Im Hintergrund die Rückseite des befleckten Briefumschlages, auf die der im Sterben liegende Marcel Proust Notizen über das Sterben anfertigte, einzufügen in die Beschreibung des Sterbens seiner Großmutter in Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Wer den Roman liest, wird im Band Die wiedergefundene Zeit die scharfsinnigste Filmtheorie vorfinden, die je verfasst worden ist. 'Es gibt optische Täuschungen in der Zeit ebenso gut wie im Raum.' Nie ist die Verfasstheit des Betrachters, auch Rezipient oder Konsument geschimpft, genauer in die Balance zwischen sichtbarer Welt und innerem Bild eingeführt worden. Davor eines der ersten männlichen Modelle in den 70er Jahren, das seinen Rücken freilegt, um für Parfüm zu werben. So zärtlich fing sie an, die Gleichberechtigung der Objekte. Im unteren Bildteil der Umschlag eines großen Skizzenheftes aus dem April 1984 mit dem Abbild eines beschmutzten Sessels. Davor eine triumphierende, chinesische Fahnenschwingerin." (Aus: arsenal, mai 09).

(1984) 

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Zeichnung (153) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Text under construction"

Klappe. 

(1997) 

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