Zeichnung (40) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Der Maler (P) mit Zeigepinsel in der Hand und sein Modell (M), einem VW-Käfer entsteigend, zu einer Zeit, als die Abkürzung „Vauweh“ ihren zivilen Charme noch nicht verloren hatte, und das Wort „Volkswagen“ bei mir noch kein Grauen erregte. Zwischen beiden Personen liegen Berge geordnet gestapelter Unterwäsche und eine Straße aus Tee. Gemalt wurde die Erscheinung eines weißes Wollhandschuhs als schwarzes Nachbild. Zu der Zeit, also 1974, bestanden wir darauf, daß ein Kalauer die Welt in ihren Beziehungen am Verläßlichsten darstellen könne. Die Spötterdämmerung begann erst später, obwohl ich schon 1968 das Angebot, Pardon-Redakteur zu werden, abgelehnt hatte, um Philosphie zu studieren, was vorerst auch im Sande verlief. Noch waren Fotografien rohe Sätze und alberne Beweisstücke. Die Sprache, die die fotografischen Abbilder in der Lage waren zu konstruieren, erschien uns erst drei Jahre später als Möglichkeit, dank Alexander Rodchenko. Aber schon immer war klar: Nie im Leben würde ich mir ein deutsches Auto kaufen." (Aus: arsenal, januar 19).

(1976) 

Zeichnung (41) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

Von hier aus. Zwei Menschen vor dem Grundstück in Achim am Bahndamm. Das Todessymbol der Japaner, zwei gekreuzte Hämmer. Eine Endlosschlange von Händen, die an Bettwäsche zerren. Der Jaucheeimer des Vaters neben einem Stiefmütterchen. Ein Fußballspieler auf dem Scheitelpunkt eines Fallrückziehers. 

(1984) 

"Tel Aviv, 21. Februar 1999. Ante Daniel Jones, Michael Roll, Jim Caviezel und Leonardos Tränen. Wir standen auf dem Dach des Tel Aviv Hilton und beobachteten die Menschen unten im Park. Der Jaucheeimer meines Vaters neben einem geköpften Stiefmütterchen, ein Fußballspieler in Aktion, vor 1965 gezeichnet. 1971 begannen die Profis damit, nach den Spielen öffentlich ihre Trikots zu tauschen. Heute präsentieren natural show-offs wie Covic dem Publikum nach jedem Tor die blanke Brust. Parfümhersteller haben diesen Anblick verschwitzter Arbeiter erfolgreich vermarktet. Die Vereinigten Emirate stoppten diesen Trend während der Direktübertragungen der Weltmeisterschaft 1998 durch ein Entkleidungsverbot. Solchen Leuten Zugeständnisse zu machen, ist ein skandalreifer kultureller Ausverkauf." (Aus: Das schwarze Schamquadrat, 2002). 

Zeichnung (42) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Eine grüne Gartenpforte GG in Achim in den 50er Jahren, von Halbstarken nachts in den Graben am Fuße des Bahndamms geworfen, an dem unser Haus stand. Zweimal am Tag raste der Fliegende Roland auf seiner Fahrt von und nach München vorbei und löste bei mir Fernweh aus. Wir spielten Ich erkläre den Krieg auf dem Sandweg vor dem Haus. Die beteiligten Länder, die wir Kinder vertraten, hießen Deutschland, USA, Frankreich und Russland. Josef von Sternberg begann mit seinen täglichen Besuchen. Er war ramponiert von einer Reise in die Südsee. Ratten waren über ihn hinweggelaufen - wie die Insekten in dem Auswandererquartier im Hamburger Hafen, das er in seiner Autobiographie Fun in a Chinese Laundry geschildert hat. Seine Rache gegenüber einer terroristischen Natur lebte er aus, indem er einen ihrer Dschungel in einer Turnhalle in Kyoto für seinen Film Anatahan künstlich nachbauen ließ und ihre grünen Blätter mit silberner Farbe überzog, damit sie auf Schwarzweiß-Film besser zur Wirkung kamen. Das leuchtete mir sofort ein." (Aus: arsenal, september 12).

(1975)

Zeichnung (43) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Der Großbuchstabe 'A', zu 25 Prozent gemorpht zu einem 'B', vor Details aus Édouard Vuillards Gemälde Mallarmés Haus von 1896. 'Alphabet' ist ein Wort, das in sich die Namen der ersten beiden seiner Buchstaben aneinanderreiht und den Fortgang seiner Bedeutung voraussetzt. 'ABC' zu sagen, wäre nur knapper, deutlicher und aufdringlicher. Was sich im Alphabet noch verstecken könnte, hat im ABC kaum noch eine Chance zu erscheinen. Die Rückenlehnen der hölzernen Bürostühle der Sprecherinnen der französischen und deutschen Wörter im Film Demon verschwinden hinter der Skyline und die der Sprecherin der englischen an der unteren Bildkante. Der Bug eines Schiffsrumpfes mit einem stilisierten Anker links und einer Ankerkette rechts ragt aus der gallertartigen Wassermasse eines Hamburger Hafenbeckens. Daraus auftauchend die Statue des guten und weisen Cimoyok - ein Feld- und Wald-Gott der ältesten Bewohner der Ostseeküsten - in roher Machart aus verschieden großen, aneinander befestigten Stücken eines Baumstammes gefertigt." (Aus: flypaper #5, 2010).

(1993) 

Zeichnung (44) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Berlin, 1993, das Ende einer Bewegung. Zwei Spaten und eine Mistgabel aus der Werkzeugsladen-Sequenz des Filmes Demon. Ein 'B', das noch zu einem Viertel aus einem 'A' besteht. Dahinter ein Schiffsbug mit der Silhouette eines Ankers. Zwei letzte Streichhölzer in einem Folder auf der Silhouette des Grabsteines von Georges Rodenbach auf dem Friedhof Père Lachaise in Paris. Auch der Bronzearm mit der Rose gehört zu seinem Grab. Sie wird uns aus dem Innern eines Steinblocks zugereicht. Hinter einer Reling das Nebengrab in der Gestalt einer steilen, nubischen Pyramide mit einer glatten Fassade und einem Inneren aus Müll. Die intellektuellen Sackgassen der Märtyrerreligionen erregen mit ihren Destruktionsszenarien weltweite Anerkennung, die self-fulfilling prophecy als Lohn Gottes. Daß man uns in Zukunft bedauern wird, unter den Bedingungen dieses tribalen und völkischen Schwachsinns gelebt haben zu müssen, ist kein Trost. Bis dahin reicht man sich Pyramiden weiter, voller Reliefs mit nicht mehr zu entziffernden Codes." (Aus: flypaper #5, 2010).

(1993) 

Zeichnung (45) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Eine alternative Gegenwart, ein Nacktmodell aus Straight To Hell - The Manhattan Review of Unnatural Acts, kopflos hingelagert in einem trapezförmigen Büroraum im Hamburger Zippelhaus, Drehort des Filmes Demon, 1976. Das Drehbuch liegt auf dem Brett des rechten Fensters. Draußen in der Nacht ziehen die Felsschriftzeichen aus Edgar Poes Roman The Narrative of Arthur Gordon Pym of Nantucket vorbei. An der Wand über dem Heizkörper eine Reproduktion der Kohlezeichnung La Pelouse von Georges Seurat. E (= English), G (= German) und F (= French) bezeichnen Stellungen und Blickrichtungen der Sprecherinnen des Mallarmé-Gedichtes Le Démon de l'Analogie im Film. Mein linker Fuß massiert seine Zehen an einer halbleeren Weinflasche. Ein stehend am Boden fest verzurrter Mann übergibt sich freihändig. Aus meiner Reiseschreibmaschine ist der Typenhebel für die Buchstaben äÄ herausgebrochen. Zwar hat nur ein Würfelwurf diese Wirklichkeit erzeugt, aber sie ist jetzt nicht mehr wegzudenken. Boyd McDonald (1925-1993) zugeeignet." (Aus: The End, Disko 22, 2011).

(1993) 

Zeichnung (46) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Achim, Ende der 50er Jahre: Ich baue mir ein Stativ aus drei zusammengebundenen Bambusstöcken und eine Filmkamera aus einem Schuhkarton. Der Pappkern einer Toilettenpapierrolle bildet das Objektiv. Wir beginnen mit der Wiederverfilmung von Josef von Sternbergs Dishonoured am südlichen Hang des Bahndamms. Hamburg, Eppendorfer Marktplatz, 1974: Eine im Raum schwebende Sahnespritztüte querab zum Stoffüberwurf des Tipi-Memorials für Sergej Eisenstein, Josef von Sternberg und Marlene Dietrich, das auf den verrutschten Modulen eines billigen Sisal-Teppichs steht. Auf dem am Bettbezug angebrachten Triple-Portrait sind nur meine Favouriten von Sternberg und Dietrich sichtbar. Im Hintergrund eine Aufführung meines Films Schenec-Tady in einem leeren Kino mit Balkon und Parkett. Ich liebe Nachmittagsvorstellungen in leeren Kinos, das intime und ungeteilte Beisammensein mit einer verwandten Form von Energie. Kollektive Kinoerlebnisse sind ein Greuel und so deppert wie Theaterstücke, bei denen Zuschauer zum Mitmachen animiert werden." (Aus: The End, Disko 22, 2011).

(1983) 

Zeichnung (47) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Hamburg, 1983, ich erinnere mich genau: Der Score zum Film Schenec-Tady III in einem Bilderrahmen an der Wand eines trüben Zimmers im Frühjahr 1974. Aufbruchstimmung, eine Pyramide aus Stäben über einem Acker, den ein Dampfschiff durchkreuzt, ein Tipi-Zelt aus dreckiger Bettwäsche in Gedenken an die Triole Eisenstein-Sternberg-Dietrich 1930 in Hollywood, schwarze Lederfetzen an der Wand und negativ auf der Haut eines nackten Maori-Kriegers, der zum Schleudern seines Wurfspießes ansetzt. Eine ausgesprochene Abneigung gegen eine zentrale Perspektive. Große Leerstellenbesetzung in der BRD-Kultur, Null folgt auf Null. Dagegen ein verzweifelter Eklektizismus als letzte Waffe der Selbstbehauptung, die ganze Strecke zwischen Ein Schiff wird kommen, und das bringt mir den Einen bis hin zu Und das Schiff mit acht Segeln und mit fünfzig Kanonen wird entschwinden mit mir. Komme gerade nachts von einer polizeilichen Gegenüberstellung aus St. Pauli zurück, bei der mein Klappmesser in der Hosentasche nicht entdeckt worden ist." (Aus: The End, Disko 22, 2011).

(1983) 

Zeichnung (48) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"1975. Wir waren durch die Toll Booths des New Jersey Turnpikes gefahren, ohne zu bezahlen. Drei Polizeiautos verfolgten und stoppten uns, keiner von uns hatte einen Führerschein dabei. Ich weiß nicht, welche Geschichte Sheila McLaughlin den Polizisten erzählt hat, aber sie ließen uns weiterfahren bis nach Stone Harbour südlich von Atlantic City, in ein Holzhaus am Atlantischen Ozean, das inzwischen von einem Biest von Wirbelsturm ins Meer gerissen worden ist. Tim Kennedy sitzt auf der Kühlerhaube unseres Wagens, Silke Grossmann und Gary Woods stehen daneben und Sheila kommt mit der Schale eines Horseshoe Krebses vom Strand zurück. Ich kann mich an nichts erinnern, und doch ist alles gegenwärtig, eine Relation zwischen Wolken und Tischen mit halbgelesenen Büchern darauf. Wir rauchten Gras und mein Gehör reagierte auf das kleinste Geräusch mit Schmerzen. Zwei Doppelbetten und ein einzelnes Bett wurden aufgeschlagen. Eine halbleere Flasche stand auf dem Tisch. Der Ton einer Unterhaltung an einem Tisch schwebte im Raum, unerträglich laut." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1977) 

Zeichnung (49) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein Brainstorm auf einer Holzterrasse am Atlantik in Stone Harbour, New Jersey, 1975. Der Ursprung - A WELL - meiner Miscellanea-Filme ist die Zeichnung La Pelouse von Georges Seurat. Deren Kohlepartikel kommentieren die jeweiligen Aktualisierungen der Welt durch Rasterpunkte und Codes: vom Konkreten zum Abstrakten und wieder zurück, eine komplette Virtualisierung. Ausgehend von einem arabischen Hammam die Beschreibung einer imaginären Wanderung, im Uhrzeigersinn: der von Touristenbooten ausgeleuchtete Cruisingpark am Quai d'Austerlitz in Paris, Gabriele d'Annunzios Vittoriale am Gardasee, eine Lockheed T-33 an einem Swimming Pool in Del Rio, Texas, das Gemälde Die Beerdigung des Grafen Orgaz von El Greco in Toledo, die endlichen Variationen zweidimensionaler Unendlichkeitsmuster auf den Kacheln der Alhambra in Granada, Auguste Rodins Porte de l'enfer in Zürich, die Ruinen von St. Pere de Rodes in den Pyrenäen, die Fahrten des US-Flugzeugträgers Ticonderoga im II. Weltkrieg und der architektonische Brutalismus im saudi-arabischen Rhiad." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1994) 

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