Zeichnung (419) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"17. April 1998. Eröffnung der Genetic Self-portrait-Ausstellung von Gary Schneider im Santa Barbara Museum of Art. Ein zerrissenes Portrait von Ueli Etter nach einer seiner Fotografien von 1995. Rechts das Auge mit dem aktiven Blick, links das mit dem passiven. Symbole für diese Zweiteilung jedes Gesichts - links oben die Strichzeichnung eines ungeschlechtlichen, rechts das Modell eines zweigeschlechtlichen Wesens aus Bauklötzen. Der gestrichelte Pfeil deutet die Rückseite des Blicks an, seine Spur im Gehirn, jenseits der Retina. Das Alphazeichen ist ein alchimistisches Symbol für primordial circle, den ursprünglichen Denkkreis zwischen Realität und Bewußtsein. In der Spalte zwischen den Gesichtshälften die Aussicht auf eine antike Hermes-Statue aus dem Eingangsbereich des Museums, ein Torso mit Stehhilfe. Hals über Kopf aus der Stadt geflohen, die nur den Gepflogenheiten der Reichen gewidmet zu sein scheint. Ein gewalttätiges Rosa, das über allem schwebt. Auf dem Pacific Coast Highway zurück nach Los Angeles gerast." (Aus: flypaper #5, 2010).

(1999) 

Zeichnung (420) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Eine Urszene des Real Estate: Perplexheit nach dem Rauswurf aus Hudson Street 100. Ein Portrait des amerikanischen Regisseurs Jim Jennings im Februar 1975 in unserem gemeinsamen Apartment an der President Street in Brooklyn. Eine Hand reicht ein Holzbrett ins Bild, auf dem eine halbe und eine ganze Scheibe Schwarzbrot liegen. Jim, der seine Filme durch seine Arbeit als Klempner finanzierte, wippt vor einem Stadtplan von Manhattan und Brooklyn auf einem Stuhl. Chinesische Folter: Durch ein Bambusrohr ergießt sich eiskaltes Wasser in den linken Ärmel seiner Wolljacke. Menschen ohne Kapital machen sich Illusionen über die Dauer ihrer Arbeitskraft. Nicht nur marktkonforme Kräfte geben sich alle Mühe, ihre individuellen Qualitäten auszulöschen. Nahezu zwanghaft arbeiteten wir, arm wie die Kirchenmäuse, mit unseren eher melancholisch eingestimmten Gründungsmythen dagegen an. Jim trieb es in die Jazzclubs, und ich begann, das anonyme Proletendasein eines entlaufenen Leibeigenen in einer Freien Hansestadt auszukosten." (Aus: arsenal, mai 14).

(1977) 

Zeichnung (421) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Set und Entwurf von Tide, einem Einzelbild-Film, den ich 1974 in einer noch vom Krieg zerstörten Landschaft im Hamburger Hafen gegenüber der Rethebrücke aufgenommen habe. Der Film nimmt während eines Verlaufes von Ebbe zu Flut zu Ebbe einen gegenläufigen 180-Grad-Schwenk auseinander und setzt ihn wieder zusammen. Eine sich selbst analysierende, paradoxe filmische Abfolge auf einer linearen Zeitachse, die in sich verschiedene Zeitabläufe repräsentiert. Die fotografisch fixierten Objekte wandeln in einer sich fortlaufend verzerrenden und entzerrenden filmischen Landschaft: (O...O...O), Kubismus in der Zeit durch Blickwinkelverschiebungen. PHI = Put Head In ... in eine Kugel, die eine Öffnung für einen menschlichen Kopf bereithält. Durch gerichtete Rohre lassen sich voneinander isolierte Orte der Welt betrachten. Eine Ruhebank aus Beton und Holz vor einem Birkenstamm. Die Mauer des Sehens, über die sich ein Alien hinwegsetzt, der Punkte sieht und keine Linien. Kontinuität als Lüge, dagegen quasi zeitlose, subatomare Schwingungszustände." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1987) 

Zeichnung (422) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein Wechselspiel von Schauspielerei und Regie vor der Stahlkonstruktion der Weserbrücke bei Uesen in Niedersachen. Unter der Brücke laufen zwei stämmige Frauen aus einem Gemälde von Pablo Picasso aus seiner neoklassizistischen Periode. Die Brücke war 1966 ein Drehort des Films How I Won the War von Richard Lester, mit John Lennon. Ein Komparse trägt darin als deutscher Soldat auf dem Rückzug ein großes kubistisches Gemälde von Picasso über den Fluß. How funny, diese Engländer, und wie richtig gedacht. Kubismus hat mir schon als Kind imponiert. Unten links verschwindet ein Mann kopfüber in einer öligen Flüssigkeit. Rekapitulation: Die Regiestrahlen (DIR) treffen auf den konvexen Handspiegel des Spielens (ACT). Der Spiegel könnte auch ein mit einem Pik As besticktes Sitzkissen sein. Die Strahlen des Dirigierens treffen auf der Spiegeloberfläche aber auch auf die parallel ausgerichteten Sehstrahlen der Betrachter, die im Standpunkt des Regisseurs gebündelt werden. Eine von allen Enden her zu begreifende Korrelation." (Aus: arsenal, märz 10).

(1993) 

Zeichnung (423) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Das Modell und die Medien. Die Bühne eines Theaters mit schwarzen und weißen Vorhängen rechts und links. Der Auftritt eines exzerpierten Nervensystems, als Positiv und Negativ, am Tag und in der Nacht. Verloren in ihrer Sichtbarkeit bilden die Nerven ein Kostüm. Durch ihre mediale Kraft kehrt sich ein Inneres nach Außen. Das Gesagte und das Gedachte, und dazu eine innere Stimme, die das Verlorene durch Wiederholungen stabilisiert. Das Äußere einer Kugel ist das Modell eines Körpers. Das Innere einer weiteren Kugel, des Augapfels, ist der Vorraum des Bewusstseins, ein Raum für Erkenntnis. Obsessed (without) - Relatively (with): Das angefüllte Äußere verharrt in einem relativen Miteinander, die Leere des Inneren besteht in einem obsessiven Ohneeinander. Dann die verknüpfenden Konstruktionen innerer Screens mit ihren Projektionen im Vorraum des Bewusstseins und die Projektion des Erkannten mittels harter Linien im Akt des Zeichnens in die Welt der Körper. 'Lost' bedeutet dann auch 'Found', im Sinne von Erlösung." (Aus: flypaper #5, 2010).

(1996) 

Zeichnung (424) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein rohes Ei zwischen Fuß und Gaspedal. Cruising in der Sommerhitze auf einer Straße in San Diego, 1975, ein Dreiecksverhältnis aus dem Film Hotel - zwei Menschen und eine Kamera als wanderndes Koordinatensystem. Ein Blick auf den Rand des Highways von San Diego nach Buckeye, Arizona. Eine aufgereihte Vertikalität, Objekte, die durch sich hindurch auf den Erdmittelpunkt zielen. Eine in sich selbst ruhende Schwerkraft, 90 Grad Winkelverhältnisse als ökonomischste Lösung von Stabilitätsproblemen. Könntest du dagegen den Blick zum Stottern bringen wie der Wind, der diese Ordnung entwurzelt. Elf isolierte Details dieses Blicks, die Verzögerung eines vorbeirauschenden Sinns, die Demontage eines nur von Geschwindigkeit konstituierten Zusammenhangs. Vier Bäume, drei Telegraphenmasten, zwei Schilder mit dem Wort Shell, eine Straßenlaterne und ein flaches Haus. Der fahrende Blick und die angehaltene Bewegung in der Betrachtung. Weißblenden, auf denen Nachbilder den Sinn durch Wiederholung ins Erkennbare ziehen." (Aus: flypaper #5, 2010).

(1984) 

Zeichnung (425) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Am Anfang der Entwicklung der Augen stand die Lichtempfindlichkeit. Der Drang des Körpers, sich in eine von Schwerkraft ungetrübte Dimension hineinzubegeben, den spürbaren Raum und die dort erahnten Bewegungen über die Haut hinaus zu ermessen. Ein Drang, das Licht nicht nur als Wärme zu spüren, sondern sich mit der Kraft der Augen vom Körper abzulösen und Geist zu werden. Ein Geist, der zugleich über den Dingen zu schweben vermag, als auch um sie herum ist und in ihnen lebt ...  N - die Menge aller Möglichkeiten, Fluß versus Moment in einer abstrakten Landschaft. ARCHitektur, BILD RAUM, Bildfläche, Schrift, DENKEN, SYSTem - ein Lesevorgang auf der Retina. Eingefaßt von positiven und negativen Gittern, Restlichtverstärker im Augapfel (Denken), seitliches Ablassen des Augendrucks ... Wir sind die wandelnden Archive der Bilder unserer Augen und formen mit ihnen den Rahmen eines Lebens. Die Bilder sind Ornamente aus Licht und Schatten, die sich in die Erinnerung brennen, oder sie warten im Vergessenen auf den Punktstrahl der Erinnerung." (Vorlesung Bild und Film, WS 2010/11. In: Zeichnung und Film, 2013).

(1996) 

Zeichnung (426) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"X - Möglichkeit. Cruising in einer aus dem Nabel eines Leichnams aufsteigenden Seele. Die Story wird in einem Reaktor ausgebrütet: M (Material) + K (Kombination) + A (Ausschnitt) + E (Einzelbild) + R (Rahmen) + D (Detail) = S (Story). Aus dem Boden aufsteigende Dämpfe bilden einen Vorhang. Die Story wird aus einzelnen Bildern zusammengesetzt, lebt aber von der Negierung des Einzelbildes. Eine lineare Aufreihung von Blickwinkeln ersetzt dessen exemplarische Perspektive. Sie ist zentralistisch auf Wirkung fixiert und zersplittert dafür ihre Blickwinkel bis ins nicht mehr Nachvollziehbare. Das Gesetz heißt Du sollst nicht die Überlegung darstellen, sondern ihr Ergebnis inszenieren. Der künstliche Aufwand muß dabei natürlich wirken, um die Tatsachen ihrer Kurzangebundenheit zu verschleiern. Die der Story konzeptionell auferlegte Abrundung verharmlost die Handlungen der Menschen und den Zustand der Welt, and andererseits verschärft das auf Hysterie ausgerichtete Zeitmaß ihrer Formen diesen Zustand in seinem Bezug auf die Autorität des Todes." (Vorlesung Bild und Film, WS 2010/11. In: Zeichnung oder Film, 2013).

(1996) 

Zeichnung (427) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein Bretterverschlag an der Chambers Street in NYC, 1975. Silke Grossmann ist nach der Lektüre von Prousts Die Wiedergefundene Zeit eingeschlafen. Zeitdilationen - die Traumpfeile weisen, ausgehend von den gerichteten Zeilen der Übersetzung von Eva Rechel-Mertens, in alle möglichen Richtungen und in unsere Nicht-Unmöglichkeiten hinein. Geliebte Übersetzungen - nicht zu verwechseln mit eher plumpen Übertragungen in Codes, die das mechanische Umtaufen der Welt ermöglichen, so wie der Kaiser das mit seinen neuen Kleidern auf den politischen Jahrmärkten tut. Gelebte Translationen - keine Parallelverschiebungen, sondern eine fast restlose Verwandlung, die von danach nur schwer nachweisbaren Katalysatoren in die Wege geleitet wurde. Die beiden verglasten Oberlichter, die hier das Kopfkissen krönen, waren zuvor Bestandteile des Vordaches von 100 Hudson Street gewesen. Beamen und Collagieren - das Auftauchen in fremden Welten, und sei es auch nur in der einer Zeichnung, als Linien, s/w und tot, aber wiedererkennbar, in einem neuem Leben: Renewal." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1978) 

Zeichnung (428) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Text under construction"

Rehe. 

(1997) 

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