Zeichnung (439) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Schweißausbruch nach einer abgebrochenen Recherche, grelles Neonlicht, Nebel am Horizont, Deplaziertheit als Lebenselexier, wieder der Alptraum, von einem Radfahrer umgefahren worden zu sein. CC – der Campo Cervino in Sezze, südlich von Rom. Darauf zwei Traumhäuser mit Blitzeinschlägen, nachgebildet dem Tempel des Jupiters im nahegelegenen Terracina aus dem ersten Jahrhundert vor Christi, eines der ersten Bauwerke aus römischem Zement. Die Jahrtausende alten Abdrücke der Holzverschalungen sind darin zu sehen und zu betasten wie solche von gestern. In Draufsicht ein offengelegtes Gehirn mit zurückgeklappten Hautlappen. Zwischen den beiden Gehirnhälften eingezwängt steht Ueli Etter in der Länge verzerrt vor seinem Apartment in Hollywood, 1995. Ein Turner mit vorgebeugtem Oberkörper berührt mit seiner linken Handfläche den Boden. In der unteren Bildhälfte die Silhouette meiner Haare und Stirn auf der Einladungskarte für die Ausstellung Seit ich blond bin, färbe ich mir die Haare in der Galerie Zwinger, Berlin 1989." (Aus: arsenal, juli/august 14).

(1997)

Zeichnung (440) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Experimenteller Käse: Nehmen wir einmal an, Sie planen als Filmemacher, die Filmförderungsgesetze so umzuschreiben, daß das Geld fürderhin in die eigene Tasche fließt, dann müßte man entgegnen: Alles schon dagewesen. Am Besten Sie erzwingen dazu noch einen eigenen Fernsehkanal und bestücken ihn zur Hauptsache mit eigenen Produkten. Die Anzahl Ihrer Erzeugnisse mag dazu nicht ausreichen, so daß Sie auf Fremdware angewiesen sein werden. Da Sie aber nicht die Absicht haben, irgendwelche Rechte zu bezahlen, sondern im Gegenteil sämtliche Verwertungsrechte an diesen Sendungen selbst einstreichen wollen, verzerren und verfärben Sie die benutzen Bild- und Filmzitate hinreichend und montieren irgendwelche Kinkerlitzchen hinein, und schon haben Sie ein Produkt, für das Sie eine 'künstlerische Bearbeitung' beanspruchen können. So landet der Reibach bei Ihnen. Daß Sie für Ihr trostloses Makramé von der Kritik auch noch höchstes Lob einfahren, ist nur konsequent, denn es gibt dort nichts Beliebteres als experimentellen Käse." (Aus: arsenal, oktober 20).

Schuhtorte. 

(2007) 

Zeichnung (441) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein zerrissener Vorhang aus schwarzem Wasser, darunter ein Bergsteiger aus den 30er Jahren, der einen Kamin zwischen zwei Gehirnhälften und zwei skulptural ausgeformten Schattenteilen emporklettert. Der Mann stemmt die Schatten- und Gehirnteile mit seinen Händen und Füßen auseinander. Zwischen seinen Beinen tut sich ein Abgrund auf. Eine gescheiterte Zukunft aus Balanceakten zwischen regelmäßig stattfindenden blutigen Operetten. Eine schwachsinnig proklamierte und hingenommene Trennung von Kopf und Bauch. Der Blick des Kletterers fällt auf den Schattenmann aus Edward Hoppers programmatischer Radierung Night Shadows von 1921. Rechts unten Passanten mit ihren Schatten aus Alexander Rodtchenkos Fotografie Sammlung zur Demonstration auf dem Hinterhof der Vchutemas, Moskau 1928, von einem Balkon aus gesehen. Dazwischen in hochkantigen Rechtecken drei Varianten eines Baumzweiges aus Ando Hiroshiges Holzschnitt Moon Pine at Veno von 1858. Freigestellte Gehirne als Ursuppe der Künste, keine Revolution, aber eine Umwälzung." (Aus: arsenal, oktober 12).

(2007) 

Zeichnung (442) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Das für unseren Planeten spezifische Innere eines Gleichgewichtorgans mit Büscheln von Härchen, deren Bewegungen in Tieren und Menschen von Nerven gelesen und ins Hirn übertragen werden. Ein Turnierritter und sein Pferd in voller Rüstung setzen einen Hinweispfeil auf einen im All schwebenden Astronauten an. Alle Beteiligten sehen unmöglich aus in ihrer zeitbedingten Verkleidung. Als Zeitreisende haben sie aber allein schon durch ihr Abbild unserer Gegenwart eine neue Richtung verpaßt. In verschiedenen Konstellationen zur Zeit zu stehen, das ist der Krieg für jeden Einzelnen. Die Menschheit erglüht als eine periodisch auftauchende Erscheinung, deren Zeiteinheiten innerhalb dieses Universums fremd bleiben müssen. Rechts im Anschnitt eine Rebe dunkler Weintrauben als Skulptur und Rückendeckung des Reiters, der seinen Anspruch auf Alleinstellungsmerkmale und Vergeistigung anmeldet: Was auch immer geschieht, Tiere müssen, solange es sie noch gibt, in ihrer Wahrnehmung und in ihren sprachlichen Möglichkeiten aktiv eingeschränkt bleiben." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(2007) 

Zeichnung (443) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein Sandweg in Marokko in der Mittagshitze. Eine verschleierte Frau verharrt an einer Stadtmauer aus Lehm. Eine vorbeistolzierende, mit großen Christbaumkugeln behangene Statue wirft einen kurzen Schatten. Oben rechts ein weiß gekleideter Astronaut beim Spacewalk am Himmel, als göttliche Erscheinung. Das alles eine surreale Skizze auf einer aus einem Ringblock herausgerissenen Seite, über der ein Flakon schwebt und Alarmsignale aussendet. Eine Erinnerung an Meshes of the Afternoon von Maya Deren, in der eine verhüllte Frau eine Treppe in den Hollywood Hills hinabgleitet. Vor ihrem Gesicht befindet sich ein von einem schwarzen Schleier eingefaßter Spiegel. Darin soll sich wohl der Betrachter spiegeln. Aber im Film spiegelt sich nur der weiße Himmel von damals. Alle Versuche, uns in einem Film zu spiegeln oder darin gespiegelt zu werden, sind vergeblich. Er bleibt ein kruder Container einer vergangenen Zeit, deren Gegenwärtigkeit nur manchmal zu einem Argument wird. Der Betrachter ist auch ohne Spiegel im Bild." (Aus: arsenal, juni 16).

(2007) 

Zeichnung (444) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Text under construction"

Drei Giraffen. 

(1996) 

Zeichnung (445) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Admit One, Aufdruck auf einer amerikanischen Kinokarte für eine Person. Darauf sind die Daten zweier Geburtstage vermerkt: eines realen, dem 22. Januar 1948 in Achim, und eines eingebildeten, dem 9. Oktober 1979 in Amsterdam. Im Hintergrund ein kranker Wald, dessen Gesundung mich nie interessiert hat: ein Illusionszusammenhang, der schweigend dasteht, zum Pfeifen anregt und die Gemüter verblödet. Der Hals einer Giraffe wird von einer Heckenschere bedroht. Über ihren Hörnern schwebt ein Rettungshubschrauber. Wenn ich mir etwas abschneiden würde, dann wären das meine Füße, neben denen ich dann stünde. Hier die samt Sandalen abgehackten und später wieder angenähten Füße eines Chinesen. Der Stamm einer Bambus-Staude in China, in den ein Freund 1986 das Logo von Pym Films eingeritzt hatte, verhindert das Zuschnappen einer Schere im Kopf. Ein Staatskapitalismus, in dem die Rollen von Herr und Knecht frei wählbar sind, mit einem austauschbaren Saint-Just als Obermacker, das ist die erfüllte Utopie des All You Can Eat." (Aus: arsenal, november 13).

(1996)

Zeichnung (446) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Drei Giraffen beim Fernsehen in einem Motel, das Modul eines Endlosbildes für eine italienische Kinderzimmertapete. Im Gegensatz zum Fernsehen, das irgendwann einmal angefangen hat und in das wir uns lebensgeschichtlich ein- und wieder ausklinken, bringt es der Film – als traditionelle Kulturform mit Anfang, Mitte und Schluß – immerhin noch dazu, dass sich die Geister über ihn entzweien. Filme sind endliche Produkte. Das filmische Abbild verkündet stolz, so war ich einmal und so bin ich nun. Das Fernsehen vertritt als Medium eine ganz andere Wahrnehmung von Realität. Es ist das nicht zu definierende Bild des Fließenden und damit auch die beständige Behauptung eines Gegenteils. Es ist als Form die bislang erfolgreichste Parodie des Lebens. Alles, was wir dazu beitragen, hat nichts mit uns zu tun. Wir tauchen im Fernsehen auf und bedeuten dadurch nichts mehr. Keine Chancen für die Kritik und ihre selektiven Methoden, dagegenzuhalten." (Aus: arsenal, februar 09).

(1976) 

Zeichnung (447) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Der zum Schlafsofa mutierte Kopf einer Giraffe überragt das in vier Teile zerlegte Portrait einer Frau. Nachdenklich betrachtet sie eine elektrisch betriebene Hand, die vor einer Rasierklinge ein Glas serviert. Darüber ein Stab mit zwei weiteren Plastikhänden an den Enden und ein umgekehrt auf einen Stiel aufgesetzter Besen, der ins Bild ragt. Die Frau denkt, Das alles sind Bedeutungsperspektiven, deren Sinn ich nicht erkenne, obwohl er offen vor mir liegt. In vier Teile zerlegt könnte ich vielleicht alles besser verstehen. Zuerst einmal sollte ich schlafen und keine Reue mehr empfinden. Sie döst ein und genießt einen Anfall von Schuldlosigkeit. Nach dem Aufwachen setzt sie ihre Teile wieder zusammen und beschließt, ihre Arbeit von Anderen machen zu lassen. Ein selbstfahrendes Auto läßt sie zuvorkommend die Straße überqueren. Sie bedankt sich mit einem Kopfnicken, das in eine Zentrale übertragen wird. Sind die Leute heute wieder freundlich, denkt ein Beamter. April April, ruft die Frau in die versteckte Kamera." Aus: arsenal, april 17

(1993) 

Zeichnung (448) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Eine motorisierte Servierhand transportiert ein Glas vor einer angefrästen Rasierklinge aus Edelstahl. Eine Giraffe mit verbundenem Hals blickt aus einem 1975 geschriebenen Brief hervor, ein historisch belegtes Gestammel: "This was run ... and that was ... seen so ... Together they form ... and no room for ... by.“ Ich kann nicht behaupten, daß ich damals an Prozessen und Dialogen interessiert war, eher an Zuständen und Statements. Dieses Desinteresse, das man mit Frieda Grafe auch „Perversion“ nennen könnte, hat sich notgedrungen lange fortgesetzt. Meine Filme verharrten auf Punkten, von denen aus Sehstrahlen den Raum erfaßten. Die Bewegung soll im Kopf stattfinden, aber nicht repräsentiert werden. Das Gerede von einer „bewegten Kamera“ läßt den Dingen keine Zeit. Auf deren Eigenzeit aber muß bestanden werden, will man der Wirklichkeit, oder was man dafür hält, verpflichtet bleiben. Ganz zu schweigen von Geschichten und Prozessen, die keinen Anfang und kein Ende haben und deshalb nicht erzählt werden können." (Aus: arsenal, mai 16).

(1993) 

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