Die Basis des Make-Up

Die Basis des Make-Up

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Zeichnung (291) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"King Tetris in Aktion. Quadratformationen, die in allen möglichen Kombinationen aus einem hilflos in Spielsucht erstarrten Kopf herausfallen. King Tetris ist auf Autopilot und reagiert tranceartig auf jede Bewegung an seiner Blickperipherie. Dennoch strecken sich aus seinem Inneren zwei Arme einem möglichen Retter entgegen. Aber nur eine Gabel, die fortschreitend ihre Zinken verliert, nähert sich seinem Gesicht. Dahinter eine Mikrobe, die Durchfall erzeugt, als Bombe über dem Hospital einer Kleinstadt, die sich auf den Ausbruch einer Seuche einstellt. Die reine Zeit der Spiele gegenüber dem erzwungenen Verlauf einer Krankheit. Der im pathologischen Spielen stattfindende Austritt aus der Realzeit ist suchterzeugend. Der erzwungene Eintritt in die Realzeit eines analogen Krankheitsverlaufs niederschmetternd. In beiden Fällen macht sich eine Finsternis breit, die alles zu verschlingen droht. Die Krone der Schöpfung entledigt sich ihrer Pflichten. Ihr Kopf verschwindet zwischen den Zähnen eines Reißverschlusses." (Aus: arsenal, oktober 15).

 (1994) 

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Zeichnung (595) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein Afrikaner, dessen Wangen von zwei angespitzten Holzstäben durchbohrt sind, steckt mit seinem Kopf im Plastikmodell eines übergroßen Brustkorbskeletts. Davor ein halbnackter Arbeiter in Baku, in der UDSSR der 30er Jahre, mit einem Tuch über dem Kopf beim Schaufeln von Ölschlamm. Beide in ihren Sackgassen, aber die Hervorhebung des Ersteren durch mittelalterliche Bedeutungsperspektive spricht für sich. Ein Weißer in schwarzer Haut und ein Schwarzer in weißer Haut, aus Dingen werden Menschen. Den Verdammten dieser Erde verging der Internationalismus wie von selbst, falls er ihnen nicht schon zuvor ausgetrieben worden war. Der Befreiungskampf und das Opfer wurden zur Regel, von Feuer zu Feuer. Die Gleichheit im Skelett, in dem unsere Herzen schlagen, ist gegeben und nicht zu übersehen. Verzweifelte Reinwaschungen, Putzzwänge als Überbleibsel der Völkermorde. Was durchscheint ist die sisyphusartige Organisation gesellschaftlicher Arbeit, die die Biografien ihrer Mitglieder als Abfall ausscheidet, in allen Regimen." (Aus: arsenal, november 15).

(1999) 

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Zeichnung (524) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Engedi, 24. Februar 1999. Aus einem Wadi am Toten Meer tauchen in der Abendsonne vier israelische Soldaten auf, die wir zu den Dead Sea Laboratories nach Mineral mitnehmen - zur Zeit 400 Meter unter dem Meeresspiegel. Ihr Körpergeruch, nach drei Tagen Extremwanderung in voller Ausrüstung durch die judäische Wildernis, erfüllt den Wagen wie ein schweres Parfüm. Die Mobiltelefone funktionieren wieder, sie melden sich bei ihren Müttern zurück. Abends in der Betonhütte auf dem Berg zeichne ich die Telegrafenmasten im Tal am jetzt silbergrau-blauen Meer, verbinde die Skizzen von zwei Salzsäulen mit dem Torso eines verkohlten Jet-Piloten, füge ein römisches Bodenmosaik mit Wellenmuster hinzu und zeichne eine Fotografie ab, die die Vorbereitung zur offenen Verbrennung eines Leichenberges in Auschwitz zeigt. Ein Mann in Stiefeln balanciert darin auf den Körpern der Vergasten umher. Noch 1954 dachte ich, die Vergasung aller Kinder stände in den Duschen unserer Schulturnhalle unmittelbar bevor. ENGELER bedeutet 'Erfrieren'." (Aus: arsenal, märz 15).

(1999)

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Zeichnung (260) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Engedi, 24. Februar 1999. Aus einem Wadi am Toten Meer tauchen in der Abendsonne vier israelische Soldaten auf, die wir zu den Dead Sea Laboratories nach Mineral mitnehmen - zur Zeit 400 Meter unter dem Meeresspiegel. Ihr Körpergeruch, nach drei Tagen Extremwanderung in voller Ausrüstung durch die judäische Wildernis, erfüllt den Wagen wie ein schweres Parfüm. Die Mobiltelefone funktionieren wieder, sie melden sich bei ihren Müttern zurück. Abends in der Betonhütte auf dem Berg zeichne ich die Telegrafenmasten im Tal am jetzt silbergrau-blauen Meer, verbinde die Skizzen von zwei Salzsäulen mit dem Torso eines verkohlten Jet-Piloten, füge ein römisches Bodenmosaik mit Wellenmuster hinzu und zeichne eine Fotografie ab, die die Vorbereitung zur offenen Verbrennung eines Leichenberges in Auschwitz zeigt. Ein Mann in Stiefeln balanciert darin auf den Körpern der Vergasten umher. Noch 1954 dachte ich, die Vergasung aller Kinder stände in den Duschen unserer Schulturnhalle unmittelbar bevor. ENGELER bedeutet 'Erfrieren'." (Aus: arsenal, märz 15).

(1999)

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Zeichnung (22) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Chicago, 2. April 1998. Selbstportrait als alter Mann im Bad des The Claridge–Hotels auf der letzten Station der diesjährigen USA–Tournee. Mein nackter Vater blickt mir aus meinem Spiegelbild entgegen. Die Dias der Show sind am Abend zuvor im Projektor des Art Instituts verbrannt – wie am 16. Februar 1982 die erste Einstellung des Films Normalsatz auf seiner Premiere im Berliner Delphi Filmpalast. Unter dem am Monroe Drive wieder aufgestellten romanischen Torbogen von Louis H. Sullivan, dem letzten Rest seines 1972 abgerissenen Chicago Stock Exchange Buildings von 1894, vor Erschöpfung zusammengebrochen. Im Mai 2002 haben wir diese Ruine dann von einem Dolly aus für Miscellanea III gefilmt. Oben und unten das Positiv und das Negativ eines 1975 von der Wand eines Lagerschuppens im Hamburger Hafen verzerrt abgezeichneten Symbols einer Leiter. In der Mitte ein Stück Original–Grenzzaun, der in einem Ossie–Park wieder aufgestellt werden soll, irgendwo in Gesamtdeutschland. Changing of the Guards ist dringend angesagt." (Aus: arsenal, februar 15).

(1999)

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Zeichnung (325) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Die Wüste, englisch. Diese Zeichnung, im September 1974 in Manhattan zu Papier gebracht, hat sich als Lebensentwurf erwiesen: eine entropische Landschaft, an deren karge Zeichen sich Adverbien der Zeit und des Ortes heften, dazu einige Konjunktionen. Eine Anzahl von Einsichten und Erfahrungen, die je nach Tagesaktualität auf- und wieder abtauchen, ließen sich im Laufe der Zeit nicht vermeiden: 1. Man verletzt die, die man zu sehr liebt. 2. Jede Narration ist ein staatlicher Eingriff. 3. Die 'klassische Avantgarde' ist von umwerfend komischer Idiotie. 4. Die Lebensgeschichte einer Katze wird nie so populär sein wie die einer Maus. 5. Der Fliegende Holländer und das Star Wars-Thema sind der Match-in-heaven. 6. Die Tarnfarben sind unter den Tieren gerecht verteilt worden. 7. Aus 'Jeder muß mal einen Baum gepflanzt haben' wurde 'Jeder muß mal in einem Porno mitgespielt haben'. 8. Die Liebe ist ein Schmerz im Arsch. 9. Rollen sollten nur noch von Rollen besetzt werden. 10. Es ist nie zu spät, nur irgendwann vorbei." (Aus: arsenal, januar 15).

(1974) 

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Zeichnung (323) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Die Wüste, englisch. Diese Zeichnung, im September 1974 in Manhattan zu Papier gebracht, hat sich als Lebensentwurf erwiesen: eine entropische Landschaft, an deren karge Zeichen sich Adverbien der Zeit und des Ortes heften, dazu einige Konjunktionen. Eine Anzahl von Einsichten und Erfahrungen, die je nach Tagesaktualität auf- und wieder abtauchen, ließen sich im Laufe der Zeit nicht vermeiden: 1. Man verletzt die, die man zu sehr liebt. 2. Jede Narration ist ein staatlicher Eingriff. 3. Die 'klassische Avantgarde' ist von umwerfend komischer Idiotie. 4. Die Lebensgeschichte einer Katze wird nie so populär sein wie die einer Maus. 5. Der Fliegende Holländer und das Star Wars-Thema sind der Match-in-heaven. 6. Die Tarnfarben sind unter den Tieren gerecht verteilt worden. 7. Aus 'Jeder muß mal einen Baum gepflanzt haben' wurde 'Jeder muß mal in einem Porno mitgespielt haben'. 8. Die Liebe ist ein Schmerz im Arsch. 9. Rollen sollten nur noch von Rollen besetzt werden. 10. Es ist nie zu spät, nur irgendwann vorbei." (Aus: arsenal, januar 15).

(1974)

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Zeichnung (604) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Je länger man einem Menschen ins Gesicht sieht, desto intensiver schaut ein Totenkopf zurück. Hier als Cargo im Bauch des russischen Linienschiffes Borodino, das am 27. Mai 1905 in der Schlacht von Tsushima von der japanischen Flotte versenkt worden ist. Ein halbnackter Archäologe versucht, dessen Leck unterhalb des Wasserspiegels symbolisch zu reparieren. Links unten die Silhouette einer Menschengruppe, die der 'Leute'-Rubrik der Frankfurter Rundschau in den 70er Jahren als Vignette vorangestellt war. Ein klischiertes, vergangenes Klischee. Die Blickrichtung der Gezeichneten ging wie verabredet nach rechts oben, Prominenz stand damals noch für Autorität. Nachdem alle Schleusen geöffnet worden und alle Schotten geborsten sind, kanalisiert Prominenz in den Bildmedien nur noch Haß. Promis als pathetische Jesus-Figuren, ihre Betrachter die edlen Römer, die sie lustvoll ans Kreuz nageln. Die schwarze Stele ein Denkmal für den weißen Faden, der einmal Ende der 70er Jahre im Zippelhaus in Hamburg von unserer Bettwäsche herabhing." (Aus: flypaper #5, 2010).

(1978) 

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Zeichnung (603) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Im negativen Raum: Eine einzelne Aubergine unter den Lichtstrahlen einer Glühbirne auf dem Rost eines Kühlschrankes. Eine rahmensprengende WORLD als Rechteck im Zentrum, umgeben von den Richtungsangaben LEFT, DOWN, RIGHT, UP. Kreisförmig darum herum angeordnet das Wort P-I-C-T-U-R-E. Von dessen einzelnen Buchstaben strahlen Blickpfeile in alle Richtungen des Raumes ab, das Off ansaugend wie ein Vakuum. Ein Hinweis darauf, dass der Kopf sich relativ frei im Raum bewegen könnte, und dass Blicke die Welt konstituieren. Das am Strand auf Rügen aufgefundene Skelett eines KZ-Häftlings wird von einem Spaziergänger in gebügelten Hosen und mit nackten Füßen in Sandalen begutachtet. Schwarze Knochen? Erkläre nicht, was ist, denn es ist. In einer Welt, in der Worte keine Konsequenzen haben, kann alles gesagt werden. In einer Welt, in der alles gesagt wird, ist bereits alles getan worden. Die Illusionen des Pop und das Ende der Popkultur mit ihren Hekatomben von Toten. Der umgelegte Schalter, eine Gesellschaft ex nihilo." (Aus: flypaper #5, 2010).

(1978) 

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Zeichnung (600) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"... YX, der angebetete Sekundentod: ein Startsprung in den regulierten Styx, den Höllenfluß in seinem Betonbett. Die Menschen als zu Lebzeiten abgestoßene Leichenteile einer sich auf ewig teilenden Gesellschaft. Ich habe meinen Freunden Geldmünzen unter die Zunge gelegt, aber sie nicht getröstet. Schon Tausende sind diesen Weg gegangen, auf dem es keinerlei Trost gibt. Im Hintergrund Säureregen auf ein Kaninchenauge, in dessen Glaskörper sich Trichter eingefressen haben. Davor A LAMP – eine Fadenlampe mit Reflektoren vor einem skizzierten Tapetenhintergrund, die Funzel der Aufklärung. Unten links Elektroden und Meßgeräte an offen gelegten Gehirnregionen eines Schimpansen in der Echtzeit-Forschung. Oben rechts die Betäubung eines Kalbes mit einem Schlagbolzen auf der Tötungsstrecke eines Schlachthofes. Der letzte Blick des entsetzten Tieres gilt dem großen Messer, das seine Kehle durchschneiden wird. Das Primat der Gemütlichkeit: Herr, laß das Verdrängte an uns vorüberziehen und das Unvermeidliche möglichst angenehm vonstatten gehen." (Aus: The End, Disko 22, 2011).

(1996) 

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