Die Basis des Make-Up

Die Basis des Make-Up

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Zeichnung (387) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Frühjahr 1978: Die Umrisse der damaligen Bundesrepublik Deutschland seitenverkehrt projiziert in die Zimmerecke eines Büros der von Larry Gottheim gegründeten Filmabteilung der State University of New York (SUNY) in Binghamton. Ich zeichne 'Berlin' als Spirale in den Sand, Klaus Wyborny liest aus The Ideal, Ecstasy and Beauty. Die Kulisse hinter seinem Kopf hat die Form einer Sanddüne in Holland. Am Haken des Garderobenständers hängen unsere Wintermäntel. Die Neonröhren sind mit schwarzem Durchschlagspapier umwickelt. Mein Gefühl zum Illusionszusammenhang BRD, später nur noch als virtual reality zu begreifen, war Nagelbrett gleich Asche, Sand, Glas und Regen und wurde gebildet aus Regel, Ende, SA, Asch und Asen. Die Relativität der Umrißformen unserer Staaten steht nicht in Frage, im Gegensatz zu der ihrer Taten. Ich experimentierte mit Weichenstellungen in meiner Körperzeit zu jedem gegebenen Zeitpunkt und fühlte mich im Vollbesitz des Bewusstseins aller möglichen parallelen Universen - bis mich mein zynischer Körper wieder einholte." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1978) 

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Zeichnung (557) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Eine motorisierte Servierhand transportiert ein Glas vor einer angefrästen Rasierklinge aus Edelstahl. Eine Giraffe mit verbundenem Hals blickt aus einem 1975 geschriebenen Brief hervor, ein historisch belegtes Gestammel: "This was run ... and that was ... seen so ... Together they form ... and no room for ... by.“ Ich kann nicht behaupten, daß ich damals an Prozessen und Dialogen interessiert war, eher an Zuständen und Statements. Dieses Desinteresse, das man mit Frieda Grafe auch „Perversion“ nennen könnte, hat sich notgedrungen lange fortgesetzt. Meine Filme verharrten auf Punkten, von denen aus Sehstrahlen den Raum erfaßten. Die Bewegung soll im Kopf stattfinden, aber nicht repräsentiert werden. Das Gerede von einer „bewegten Kamera“ läßt den Dingen keine Zeit. Auf deren Eigenzeit aber muß bestanden werden, will man der Wirklichkeit, oder was man dafür hält, verpflichtet bleiben. Ganz zu schweigen von Geschichten und Prozessen, die keinen Anfang und kein Ende haben und deshalb nicht erzählt werden können." (Aus: arsenal, mai 16).

(1993) 

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Zeichnung (590) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Gaschurn, 9. September 1995, Welturaufführung des Films Schlafes Bruder auf dem Schulplatz. Alle Darsteller sind noch einmal zum größten Open-Air-Dolby-Stereo-Freilichtspiel aller Zeiten zusammengeholt worden. Es regnet. Eine Gala-Reporterin behauptet steif und fest, sie kenne mich vom „Germanistikstudium“ – wie, was, wo das denn? Im Hotel zeigt ein Schauspielerkollege mir den „chute“, einen Joint, den man mit der Glutseite im geschlossenen Mund raucht. Wir lachen uns krank über mein Telefon-Doodle, einer Skizze des Creators, zu Michael Jacksons Poem The Dance aus dem Beiheft seiner Dangerous-CD: „This world we live in is the dance of the creator ... I keep on dancing ... and dancing ... and dancing, until there is only ... The Dance.“ Klingt wie Art In Ruins, 1993. Im Hintergrund die Minen von Fahlun, mit Transportkörben und einer Landschaft mit Menschen auf einer Sitzbank. Ich dachte, bald habe ich alle Landschaften in meinem Gehirn gespeichert und brauche mich nicht mehr zu bewegen. Die Zeit tat ihr Übriges." (Aus: arsenal, september 16).

(1999) 

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Zeichnung (590) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Gaschurn, 9. September 1995, Welturaufführung des Films Schlafes Bruder auf dem Schulplatz. Alle Darsteller sind noch einmal zum größten Open-Air-Dolby-Stereo-Freilichtspiel aller Zeiten zusammengeholt worden. Es regnet. Eine Gala-Reporterin behauptet steif und fest, sie kenne mich vom „Germanistikstudium“ – wie, was, wo das denn? Im Hotel zeigt ein Schauspielerkollege mir den „chute“, einen Joint, den man mit der Glutseite im geschlossenen Mund raucht. Wir lachen uns krank über mein Telefon-Doodle, einer Skizze des Creators, zu Michael Jacksons Poem The Dance aus dem Beiheft seiner Dangerous-CD: „This world we live in is the dance of the creator ... I keep on dancing ... and dancing ... and dancing, until there is only ... The Dance.“ Klingt wie Art In Ruins, 1993. Im Hintergrund die Minen von Fahlun, mit Transportkörben und einer Landschaft mit Menschen auf einer Sitzbank. Ich dachte, bald habe ich alle Landschaften in meinem Gehirn gespeichert und brauche mich nicht mehr zu bewegen. Die Zeit tat ihr Übriges." (Aus: arsenal, september 16).

(1999) 

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Zeichnung (448) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Eine motorisierte Servierhand transportiert ein Glas vor einer angefrästen Rasierklinge aus Edelstahl. Eine Giraffe mit verbundenem Hals blickt aus einem 1975 geschriebenen Brief hervor, ein historisch belegtes Gestammel: "This was run ... and that was ... seen so ... Together they form ... and no room for ... by.“ Ich kann nicht behaupten, daß ich damals an Prozessen und Dialogen interessiert war, eher an Zuständen und Statements. Dieses Desinteresse, das man mit Frieda Grafe auch „Perversion“ nennen könnte, hat sich notgedrungen lange fortgesetzt. Meine Filme verharrten auf Punkten, von denen aus Sehstrahlen den Raum erfaßten. Die Bewegung soll im Kopf stattfinden, aber nicht repräsentiert werden. Das Gerede von einer „bewegten Kamera“ läßt den Dingen keine Zeit. Auf deren Eigenzeit aber muß bestanden werden, will man der Wirklichkeit, oder was man dafür hält, verpflichtet bleiben. Ganz zu schweigen von Geschichten und Prozessen, die keinen Anfang und kein Ende haben und deshalb nicht erzählt werden können." (Aus: arsenal, mai 16).

(1993) 

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Zeichnung (443) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein Sandweg in Marokko in der Mittagshitze. Eine verschleierte Frau verharrt an einer Stadtmauer aus Lehm. Eine vorbeistolzierende, mit großen Christbaumkugeln behangene Statue wirft einen kurzen Schatten. Oben rechts ein weiß gekleideter Astronaut beim Spacewalk am Himmel, als göttliche Erscheinung. Das alles eine surreale Skizze auf einer aus einem Ringblock herausgerissenen Seite, über der ein Flakon schwebt und Alarmsignale aussendet. Eine Erinnerung an Meshes of the Afternoon von Maya Deren, in der eine verhüllte Frau eine Treppe in den Hollywood Hills hinabgleitet. Vor ihrem Gesicht befindet sich ein von einem schwarzen Schleier eingefaßter Spiegel. Darin soll sich wohl der Betrachter spiegeln. Aber im Film spiegelt sich nur der weiße Himmel von damals. Alle Versuche, uns in einem Film zu spiegeln oder darin gespiegelt zu werden, sind vergeblich. Er bleibt ein kruder Container einer vergangenen Zeit, deren Gegenwärtigkeit nur manchmal zu einem Argument wird. Der Betrachter ist auch ohne Spiegel im Bild." (Aus: arsenal, juni 16).

(2007) 

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Zeichnung (443) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein Sandweg in Marokko in der Mittagshitze. Eine verschleierte Frau verharrt an einer Stadtmauer aus Lehm. Eine vorbeistolzierende, mit großen Christbaumkugeln behangene Statue wirft einen kurzen Schatten. Oben rechts ein weiß gekleideter Astronaut beim Spacewalk am Himmel, als göttliche Erscheinung. Das alles eine surreale Skizze auf einer aus einem Ringblock herausgerissenen Seite, über der ein Flakon schwebt und Alarmsignale aussendet. Eine Erinnerung an Meshes of the Afternoon von Maya Deren, in der eine verhüllte Frau eine Treppe in den Hollywood Hills hinabgleitet. Vor ihrem Gesicht befindet sich ein von einem schwarzen Schleier eingefaßter Spiegel. Darin soll sich wohl der Betrachter spiegeln. Aber im Film spiegelt sich nur der weiße Himmel von damals. Alle Versuche, uns in einem Film zu spiegeln oder darin gespiegelt zu werden, sind vergeblich. Er bleibt ein kruder Container einer vergangenen Zeit, deren Gegenwärtigkeit nur manchmal zu einem Argument wird. Der Betrachter ist auch ohne Spiegel im Bild." (Aus: arsenal, juni 16).

(2007) 

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Zeichnung (381) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"NYC, August 1975. Die Ähnlichkeit eines Taxifahrers mit Josef von Sternberg trieb einen Keil in mein Empfinden von Zeit. Sie ließ die Stadt vor meinen Augen kollabieren. Er brachte mich zu einem Haus am Eingang des Holland Tunnels an der Hudson Street, Ecke Canal Street. Auf der Fähre im Hafen brachen meine Nerven von Rückblenden überwältigt endgültig zusammen. Ich packte meine Sachen und fuhr nach Westen, von Manhattan aus in die Wüste von Nevada, die ich nach zwei Tagen erreichte. Dort verlor ich mich im Glücksspiel. Was lernen wir daraus? An mangelnder Neugierde gescheitert! Alle Protagonisten meiner Träume, die ich hätte befragen können, lebten ja noch. Aber statt Fragen zu stellen, kannte ich damals nur Antworten. Mein Körper war davon erschöpfter, als ich es je wieder erlebt habe. Das Wunder der Gesichter, die alles zusammenbrechen und wieder aufleben lassen. Aber die Frage bleibt: Wer hat einmal so in deine Wiege geschaut? Z, S und E sind Anfangsbuchstaben von Namen von Personen, die ich vergessen habe." (Aus: arsenal, juli/august 16).

(1977) 

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Zeichnung (132) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Eine Frühstücksidylle, ein transparentes und zerhacktes Beil aus Fleisch, auf dessen Schnittfläche dunkle Muskelfasern zu sehen sind. Ein Hund stürmt eine Holztreppe hinunter zum Ort seiner Fütterung in der Küche eines amerikanisches Vorstadthauses irgendwann in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts. Eine Frau gießt sich im gleißenden Licht eines Reklamesets beherzt eine Tasse Kaffee ein. Im Zentrum das Logo von Pym Films, die exzerpierte Retina aus dem Auge eines Kaninchens, drohend, als stünde die Rache für Willy Kühnes Tierversuch durch einen Berserker von Hund im nächsten Moment bevor. Oder lefzt er nur angeregt durch die Geräusche des Futternapfes und den Geruch des Trockenfutters wie in einem Laboratorium von Ivan Pavlov? Der Junge mit den kurzgeschnittenen Haaren, die Frau im Faltenrock, die Konditionierung des Personals ist offenkundig, das Licht, in dem es erscheint, weltumspannend, unausweichlich, porentief. Der 'Menschenversuch', von dem Vlado Kristl sprach, setzt zu einer letzten Regression an." (Aus: arsenal, april 15).

(1977) 

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Zeichnung (135) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Eine konstatierte Tierreihe, TPMS: Kröte, Fisch, Hund, Reptil – Tetrapoda (T), Piscis (P), Mammalia (M), Sauropsida (S). Das Pym-Logo als Pupille im gespiegelten Horusauge, dem Auge des Re. Maltesische Fischerboote tragen Horusaugen an ihrem Bug. Unten links zeichnet eine Stenografin das Logo positiv auf ihrem Notizblock ab. Rechts daneben ein von innen mit einem Bleistift durchbohrter, herausgezogener Augenlidmuskel, der jede Sicht nach außen verhindert. Gelangweilt spielen die Menschen Blinde Kuh und protokollieren dabei ihre Bewegungen. Sie hantieren mit Stäben und Fingern und ihre Blicke materialisieren sich auf Bahnen. Der Chef sitzt mit verbundenen Augen in der Mitte und darf mit dem Finger ins Leere oder auf Menschen zeigen. Innere Augen leiten die Entwürfe der Ingenieure, sie müssen auf Zuruf skizziert werden. So wurde die Visuelle Kommunikation als universales Gebet eine Abkürzung zum Tode und zum Protokoll letzter Anblicke. Ich habe etwas gesehen, aber weder bin ich gekommen, noch bin ich ein Sieger." (Aus: arsenal, mai 15).

(1983)

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