Die Basis des Make-Up

Die Basis des Make-Up

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Zeichnung (99) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein Gefängnisaufseher öffnet den Sehschlitz zu einer Zelle von Zeit (t). Ihre Schnittstellen werden als Verlauf (n) in die natürliche Umgebung des schneebedeckten Fujis implantiert. An dessen Hang hockt ein Monteur, dessen Fußspuren in alternative Gegenwarten hinein verlaufen. Ein Zugang zur Zeit, der zuvor abgeschottet zu sein schien: Zeiteinheiten so flach wie nie, ihre Kombinationen als rohe Eier zu genießen. Beim Schnitt des Films Normalsatz wurden wachsende Cluster einzelner Einstellungen so miteinander verschweißt, dass sich die inselhaften Gebilde nicht mehr voneinander lösen ließen. Aus der Projektbeschreibung des Films aus dem Jahr 1978: '... Blickverschiebungen um ein Geschehen herum lösen einen einheitlichen Betrachterstandpunkt auf: Zurückschiften, Vergleiche, zeitkomprimierte Inserts, offene Ansprachen im Monolog, Stummheit, Raumtöne, Animationsteile, die sich aus Realteilen herauslösen und wieder in sie übergehen ...'. Das Kreuzworträtsel-Kaninchen läßt wie der Sätzesammler in Normalsatz einen inneren Code aufblitzen." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1983) 


 

Aus der Projektbeschreibung für den Film Normalsatz vom 22. Mai 1978: "Die Dramaturgie der Gleichzeitigkeitsmontage wird einer Linie der Überraschung mit neuen Blickwinkeln, der freien Assoziation, der Kontrapunktierung von Sätzen und Bildern folgen. Blickverschiebungen in einzelnen Szenen um einGeschehen herum lösen einen fiktiven einheitlichen Betrachterstandpunkt auf; das Zurückschiften, die Vergleiche, zeitkomprimierte Inserts, offene Ansprache im Monolog, Stummheit, Raumtöne, Animationsteile, die sich aus Realteilen herauslösen und wieder in sie übergehen: ein ununterbrochener Fluß verschiedener Bezugnahmen zum behandelten Material, der Bau einer Fuge, die alle angesprochenen Erfahrungsebenen zusammenhält, ohne in einzelne Sequenzen zu zerfallen...

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Zeichnung (98) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein Bretterverschlag an der Chambers Street in NYC, 1975. Silke Grossmann ist nach der Lektüre von Prousts Die Wiedergefundene Zeit eingeschlafen. Zeitdilationen - die Traumpfeile weisen, ausgehend von den gerichteten Zeilen der Übersetzung von Eva Rechel-Mertens, in alle möglichen Richtungen und in unsere Nicht-Unmöglichkeiten hinein. Geliebte Übersetzungen - nicht zu verwechseln mit eher plumpen Übertragungen in Codes, die das mechanische Umtaufen der Welt ermöglichen, so wie der Kaiser das mit seinen neuen Kleidern auf den politischen Jahrmärkten tut. Gelebte Translationen - keine Parallelverschiebungen, sondern eine fast restlose Verwandlung, die von danach nur schwer nachweisbaren Katalysatoren in die Wege geleitet wurde. Die beiden verglasten Oberlichter, die hier das Kopfkissen krönen, waren zuvor Bestandteile des Vordaches von 100 Hudson Street gewesen. Beamen und Collagieren - das Auftauchen in fremden Welten, und sei es auch nur in der einer Zeichnung, als Linien, s/w und tot, aber wiedererkennbar, in einem neuem Leben: Renewal." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1978) 

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Zeichnung (97) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

Wildenten im Formationsflug. Ein Präservativ als Corpus Delicti auf einem blanken Holzfußboden, auf dem Bundeskanzler Kohl und ein Diplomat stehen. Wackelnde Zähne, nachdem das Zahnfleisch zurückgewichen ist. Ein abgeschossenes Kamikaze-Flugzeug im Pazifik, 1944. 

(1988)

"In der Entwicklungsgeschichte der Fire-and-Forget-Waffen, Bomenladungen, die selbsttätig ihr Ziel finden, gebührt dem japanischen Kapitän zur See Motoharu Okamura die Ehre des Avantgardisten. Als Antwort auf den unvermeidlichen Verlust von Flugzeugen bei Kamikaze-Angriffen schuf er die Vernunftslösung Oka, zu deutsch Kirschblüte, eine Trinitroanisol-Ladung mit Antrieb, die weit vor dem Explosionsort von einem Mitsubishi–Bomber ausgeklinkt und von einem menschlichen Piloten, der sich als grobe Ausführung eines Computerchips an sie angeschnallt hatte, ins Ziel gelenkt und gezündet wurde. Die heutige Diskussion über Künstliche Intelligenz samt Ethikprogramm und therapierbaren Maschinen läßt einen nur 'Wie gehabt' seufzen... 

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Zeichnung (96) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Text under construction"

Chilehaus. 

(1976) 

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Zeichnung (93) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Text under construction"

Mit den Pfoten die Wirklichkeit um einen Spalt öffnen. 

(1978) 

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Zeichnung (89) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Silke Grossmann in Bademantel und Filzpantoffeln hinter einer Tür und der Schublade eines Schrankes im Zippelhaus, Hamburg 1976. Am Tisch dieser Küche wurde, wie im Film Hotel zu sehen, diskutiert, was zu tun sei, wenn die Dritte Generation mit einem Luger im Anschlag und der GSG 9 auf den Fersen sich bei uns Einlaß erzwingen würde. Der englische Satz I love you erscheint Buchstabe für Buchstabe übersetzt in Keilschrift, also weiterhin auf Englisch. Die Plastikwannen, die unter der Fußbodenkante aus dem Raum hinauswandern, sind gefüllt mit Henna und Hamamelis. Der Zwieback ist ein Raumschiff, das in unseren Mündern schmelzen würde. Das ist er also, der Rand der Gesellschaft. Vom Küchentisch aus war am Horizont im Hafen der Richtplatz sichtbar, auf dem der kopflose Körper Störtebeckers noch an dreizehn Gefolgsleuten entlanglaufen konnte und sie so vor dem Henker bewahrte. Die Anstrengungen der Polizei, den Frauenmörder im Stockwerk über uns zu überführen, blieben erfolglos. Eine universale Annahme von Unzurechnungsfähigkeit lag in der Luft." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1976) 

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Zeichnung (88) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Schräg einfallende Hagelkörner eines Eisregens sammeln sich in einer flachen Schale aus afrikanischem Balsaholz auf dem Fenstersims eines Brownstone-Gebäudes in Brooklyn, 1975. Im Fensterrahmen ein Portrait von Silke Grossmann, schlafend und halb verdeckt von zwei Kissen. Der englische Satz I love you ausgeführt in indianischer Knotenschrift - ein zirkelhafter Unsinn also. Wie und wo und was ist ein Ich, und für wielange existiert es? Es konstituiert sich permanent nur für Sekunden. In dieser Zeitspanne stellt es keine Fragen, sondern behauptet Antworten. Darin trifft es sich mit anderen, zufällig anwesenden und angeschalteten Ichs. Man verbündet sich in einer anhaltenden Illusion, die kräftiger erscheint als die Stabilität des Ichs selbst. Die Freundschaft beruft sich auf das Ich des anderen. Dadurch stützt sie es in einer Gegenwart, die auch nur Sekunden andauert. Diese Illusion ist eine Form von Energie, die schneller als in Lichtgeschwindigkeit agiert. Jetzt ist der Code entschlüsselt, alle Gene verfügbar, ein Ende also in Sicht." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1976) 

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Zeichnung (84) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Selbstportrait mit vorgehaltener Hand kurz nach dem Entschluß, in den Süden von L.A. nach Laguna Beach umzuziehen. Zwei schwere, hölzerne Ledersessel in der 1939 fertiggestellten zentralen Los Angeles Union Station. Am linken Bildrand ein menschliches Gehirn, das an einer Glasscheibe nach unten rutscht. Laguna Beach ist 1993 abgebrannt - und hoffentlich auch die deutsche Schauspielerschar, die hier von SAT.1–Gnaden weilt oder sich als wandelnde Investitionsleichen von silly German money am Als-ob ergötzt. Nachdem es keine Nazis mehr zu spielen gibt, kann man immerhin noch versuchen, keine zu sein - eine komplexe Aufgabe für eine Karikatur des Geschäftslebens. Im Hintergrund der Explosionspilz einer Wasserstoffbombe auf einem Atoll im Pazifik als Kontext und logisches Zentrum der Welt. Davor vierzehn Schilder mit Testmaterialien, die der radioaktiven Strahlung ausgesetzt wurden. Es galt, die Gelegenheit zu nutzen. Fünf Vögel fallen tot vom Himmel, darunter auch der Pelikan, der so überraschend an der Abbruchkante zum Pazifik an mir vorbeiflog." (Aus: The End, Disko 22, 2011).

(1994) 

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Zeichnung (83) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Am Horizont die Explosion einer Wasserstoffbombe im Pazifik, 1952. David Marc vor meinem gepackten Koffer in Johnson City, 1974. Die Zeichnung eröffnet das Kapitel 'Kultur ohne Kontext' seines Buches Bonfire of the Humanities mit der Legende: 'Ein Mangel an Bauplänen hat die Möchtegern-Architekten einer Neuen Welt in einen Haufen Heimwerker verwandelt.' Vier Finger einer ausgestreckten Hand, an den Fingerspitzen drei gefaltete Hosen und ein Stapel Grundbücher aus der DDR. Davor eine Stoffprobe mit der Silhouette zweier Männer. Carola Regnier sinniert als 'Bela' in Der Zynische Körper, 1990: 'Durch welchen Grad von Nähe fühlst du dich porträtiert? Durch einen Rasterpunkt auf dem Abdruck eines Satellitenphotos, dessen Größe die Stadt Toledo repräsentiert, oder durch ein Runzelkorn so groß wie eine Pore deiner Haut? Oder schwebt dir für den Ort deines Ichs eine dazwischenliegende Relation vor? Ausgestattet mit all der Schüchternheit, die der Bezeichnung des Besonderen auf seinen gestrigen Raumkoordinaten zusteht.'" (Aus: flypaper #5, 2010).

(1994) 

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Zeichnung (82) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Johnson City im Staat New York an der Grenze zu Pennsylvania, August 1975. Mein Einzug in das obere linke Apartment eines Hauses für vier Parteien an der Sherman Street. Die Öffnungen der vorgesetzten Veranden sind mit dunklen Drahtgittern bespannt und verheißen nichts Gutes. Ein Moskitonetz aus NYC wird herabgelassen und eingeholt. Wir rauchen Gras und hören The Soulful Sound von Jimmy Reed. Ich trage eine schwarze Zimmermannshose aus einer Schneiderei in Hamburg-Veddel und ein zweireihiges, graues Jackett aus der Altkleidersammlung des Roten Kreuzes. Ich kann mich kaum noch bewegen, schwebe aber langsam an der vorderen Fassade des Hauses empor. Eine Leinwand bewegt sich im Wind. Im Schweben verändert sich meine Position um 90 Grad. Auf der Höhe des Daches angelangt blicke ich über das Haus hinaus auf die Skyline der Triple Cities: Die Gebäude der Schuhfabrik von George F. Johnson, der der Stadt seinen Namen gab, werden sichtbar; dahinter die der IBM-Mutterfabrik in der Nachbarstadt Endicott und die sanften Hügel von Binghamton." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1976) 

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