Die Basis des Make-Up

Die Basis des Make-Up

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Zeichnung (114) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Hamburg, 1981. Rechts unten der Geschäftsmann auf der Erbse aus Nr. 14 hinter der aufgeklappten und verbogenen Kühlerhaube eines Cabriolets. "dead Fessel of Wegelagerer, deutsch": eine Schriftzeile des Hasardeurs und singenden Afrikaforschers Kiev Stingl, dessen profunder Song einsam WEISS boys gerade erschienen war. Übers Blatt verstreut drei Teile eines schwarzen Taucheranzuges, von denen das Kopfteil aus einem parallelogrammförmigen Äther hervorragt. In der Mitte ein Glatzkopf mit Käppi, eingezwängt in einem durch Latten markierten, viereckigen Raum. Seine Kopfbedeckung ziert eine Antenne, die in den Äther ragt und an der auf Augenhöhe des Trägers das 360-Grad-Landschaftspanorama des ersten Schenec-Tady-Filmes aufgehängt ist. Links unten die Skizze eines Automaten zur Ausführung von Prügelstrafen - ein Zitat aus der Bild-Zeitung: Der Delinquent muß eine Lochkarte mit dem Strafmaß in den Apparat schieben, sich dann vorbeugen und die Stockschläge durch Betätigung eines Knopfes selbst auslösen. Seine Täterschaft wird protokolliert." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1984) 

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Zeichnung (113) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"White knuckles über dem Panorama, das dem Blicktheater der Schenec-Tady-Filme zugrunde liegt: zwei vor Wut geballte Fäuste, aus denen die Fingerknöchel weiß hervortreten. Mein Kopf beugt sich mit fettigen Haarsträhnen als Träger eines angeekelten Bewußtseins ins Bild. Wir verachteten den Begriff Avantgarde, in dem die militärische Ausrichtung eines linearen Geschichtsbegriffes ihre fröhliche Urständ feiert, aber noch mehr die Künstler, die sich nicht entblödeten, diesen Begriff als Bezeichnung ihrer Tätigkeit in Anspruch zu nehmen. Als Chimäre im Himmelsrund das Naturtheater der Römer, in dem Christen und Gladiatoren vor entzückten Zuschauermassen von wilden Tieren zerfetzt wurden oder sich gegenseitig zu Tode bringen mußten. Das ausgestellte Sterben der Anderen reizt alle Sinne aufs Äußerste - ein nicht zu überbietendes Genre des Mainstreams, das dieser in allen Kulturen mit Leben zu füllen trachtet. Die Gelassenheit, sich selbst dabei nicht als ein mitschuldiges Glied in der Kette der Grausamkeiten zu sehen, hat weiterhin Renaissance." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1988) 

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Zeichnung (110) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Eine weitere Skizze von Mitarbeitern der Hamburger Baubehörde soll uns lehren, dass eine Pyramide der Welt der Geometrie zuzurechnen sei. Daneben ragt das Detail eines Ornamentes aus einem persischen Gartenteppich ins Bild. Im Hintergrund das Scoreblatt zu den Filmen Schenec-Tady I und III, die im März und April 1973 auf 16mm-s/w-Film aufgenommen worden sind, mit dem 360-Grad-Panorama einer frisch geschlagenen Waldlichtung am Hasenkopf im Taunus, auf der später ein Wasserwerk errichtet wurde. Die Partitur für das Filmprojekt habe ich im Herbst 1972 geschrieben. Schenec-Tady II wurde im Herbst 1973 in Farbe in einer Dünenlandschaft an der Nordsee gedreht. Die weiße Silhouette eines Flüchtlingstrecks zerteilt das Bild im Goldenen Schnitt. Die weiteren Filme Arrowplane und Tide, deren Scores als Unterthemen den Horizontalschwenk abhandeln, sind im ersten Halbjahr 1974 in Hamburg und Dänemark entstanden. Auf dem Sockel ein Waldschrat mit verhülltem Kopf, Bohnenstroh, Hockeyschläger und Holzschuhen - das Portrait meiner damaligen Verfassung." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1988)

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Zeichnung (109) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein Ornament, das Bewässerungskanäle darstellt, aus einem persischen Gartenteppich des 18. Jahrhunderts hängt vom Himmel herab. Auf der Horizontlinie eine Zeichnung aus dem Abschlußbericht einer Reisegruppe der Hamburger Baubehörde nach Yukatan, die einen Berg darstelle, so wie er in der Natur vorkomme. Der visuelle Score des Films Arrowplane bildet ein Gitter - die gradweise Verschiebung zweier gleichzeitiger 180-Grad-Schwenks ineinander, solange bis sie wieder identisch werden. Am unteren Bildrand Teile des Drehortes von Tide in einem noch zerstörten Teil des Hamburger Hafens. 1973 fotografierte mich Reinhold Batberger bei den Dreharbeiten zum Film Schenec-Tady im Taunus. Eine Plastikhülle schützte die Kamera vor dem Schneeregen. Der lange Hebel, der daraus hervorragt, diente zum Verstellen der Brennweite. Mit der schwarzen Kelle ließ sich das Objektiv abdecken für die Aufnahmen der jeweils sechs Schwarzkader, in die später das seitenverkehrte Negativ der sechs vorangehenden Bilder für den Film Schenec-Tady III einkopiert wurden." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1988) 

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Zeichnung (108) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Gekreuzte Augen, die zu einer Pupille zusammenfallen, in einem überdimensionalem Fingerabdruck. Ein Sternenhimmel in einem Schreibheft und eine Gabel mit verbogenen und abgebrochenen Zinken. Der 90-Grad-Sonnenstand zu Mittag in den Tropen. Der Set des Films Tide im Hamburger Hafen, Frühjahr 1974. Im Vordergrund der Stamm einer Birke. Früher konnte ich den Anblick von Birken nicht ertragen, sie standen bei mir unter Generalverdacht. Sofort musste ich an Birkenau und an Massengräber in osteuropäischen Wäldern denken. Fast bezichtigte ich sie, ihr Wachstum den Überresten der Getöteten zu verdanken. Sehe ich heute eine Birke, muß ich daran denken, woran ich früher denken musste, wenn ich eine Birke sah. So wurde mir die Pflanze zu einem Denkmal. Ein Berliner Denkmal für die ermordeten Juden stelle ich mir so vor: Ein Stahlkasten groß wie ein Supertanker mit senkrecht abfallenden Seiten so hoch wie das Hotel Adlon, angefüllt mit Erde aus Polen und der Ukraine. Oben auf dem Block ein wilder Birkenwald, den niemand betreten kann oder darf." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1987) 

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Zeichnung (105) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Set und Entwurf von Tide, einem Einzelbild-Film, den ich 1974 in einer noch vom Krieg zerstörten Landschaft im Hamburger Hafen gegenüber der Rethebrücke aufgenommen habe. Der Film nimmt während eines Verlaufes von Ebbe zu Flut zu Ebbe einen gegenläufigen 180-Grad-Schwenk auseinander und setzt ihn wieder zusammen. Eine sich selbst analysierende, paradoxe filmische Abfolge auf einer linearen Zeitachse, die in sich verschiedene Zeitabläufe repräsentiert. Die fotografisch fixierten Objekte wandeln in einer sich fortlaufend verzerrenden und entzerrenden filmischen Landschaft: (O...O...O), Kubismus in der Zeit durch Blickwinkelverschiebungen. PHI = Put Head In ... in eine Kugel, die eine Öffnung für einen menschlichen Kopf bereithält. Durch gerichtete Rohre lassen sich voneinander isolierte Orte der Welt betrachten. Eine Ruhebank aus Beton und Holz vor einem Birkenstamm. Die Mauer des Sehens, über die sich ein Alien hinwegsetzt, der Punkte sieht und keine Linien. Kontinuität als Lüge, dagegen quasi zeitlose, subatomare Schwingungszustände." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1987) 

David Marc druckte die Zeichnung 1995 in seinem Buch Bonfire of the Humanities auf Seite 2 mit der Unterschrift ab: "Happiness must remain an issue", als Einleitung zum Vorwort des Buches.

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Zeichnung (104) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"The Last of Birnam Wood – der letzte Baum des Waldes, den Macbeth in seinem Wahn auf sich zumarschieren sah, positiv und negativ horizontal gespiegelt. In Erfüllung der Prophezeiung Macbeth shall never vanquish'd be until Great Birnam Wood to high Dusianehill shall come against him. Die raffinierteste Warnung, die jemals gegenüber einem megalomanischen, menschlichen Geist ausgesprochen worden ist. Den Stamm des Baumes berührt ein Mann, der als Maßstab für dessen Größe dient. Links oben ein Frosch, der seine Klammerhaltung auf dem Rücken der Partnerin beibehält, obwohl er halbiert worden ist - ein Tierversuch, einem Menschengehirn entsprungen. Daneben ein Campingwagen mit Sitzgruppe und der Fernsehantenne, die einmal der westdeutschen Tagesschau als Logo diente. Über allem ein transparenter Torso, eine weiße Hand hält ein Handtuch vor sein Geschlecht. Links unten ich selbst als Airedale auf der Recherche zu einem Artikel über Kamikaze Anfang der 80er Jahre neben einem Flakgeschütz auf dem Flugzeugträger USS Essex im Hafen von New York." (Aus: The End, Disko 22, 2011).

(1997) 

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Zeichnung (103) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Drei hohe Mauern bilden das Ende einer Sackgasse, eine 'Exekutionsstätte' in Barcelona 1936, nach einer Fotografie von Hans Namuth und Georg Reisner. Hinter der abschließenden Mauer die riesigen Äste des Last of Birnam Wood. Eine Luftröhre mit einer strahlenden Schilddrüse hängt mit den beiden Flügeln einer entzündeten Lunge von der Mitte des oberen Bildrandes herab. Sie sind an zwei, am unteren Bildecken sichtbar werdenden Eiern angeschlossen. Als Delinquenten zwei an einem Startblock festgebundene, grob skizzierte, nackte Schwimmer, von denen sich einer rückwärts springend vom Block zu lösen versucht. Der in die Mauernische fallende Schatten ist mit Ornamenten aus Teppichmustern verziert. Links der Einzugstisch eines Computer-Tomographen, darauf ein auf dem Bauch liegender Mann, ausgehfertig angezogen. DEF (Definition) - INIT (Initiation) - IVO (der mit dem Bogen aus Eibenholz zu kämpfen weiß) = definitivo, endgültig.  Das Schicksal im Frieden - das, was ein Krieg nicht sichtbar werden läßt, weil er den Tod vorwegnimmt." (Aus: The End, Disko 22, 2011).

(1997) 

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Zeichnung (100) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein Themenbild zum Film Normalsatz: Ein Hackbeil über dem Fuji, den meine abgetrennte rechte Hand mit theoretischen Überlegungen zum Film beschriftet. Mit seinem oberen Ende durchbohrt der Bleistift ein Kaninchen, das aus einem Fenster sieht. Stillgelegte und im Moment des Todes eingebrannte Sätze und Blicke, davon handelt der Text: Tod-Death und die passive Arbeit der Ohren, die die Sphären von Leben und Tod vermischt. Dazu die Phasenzeichnungen eines Spaltkreuzes, das im Umklappen den Leib des Kaninchens zweiteilt. Ein Opfer im Namen einer Wissenschaft, die nichts als schon Gewußtes bestätigt. Die Genese des Pym-Logos verdankt sich den Schemen auf der Retina des Kaninchens. Das in ihr eingebrannte Bild wirft einen Schatten über meine Hand und die Narben auf dem Armstumpf. Die schwarzen Felder eines Kreuzworträtsels in der Form eines Kaninchens, wie es in der Osterausgabe der New York Times 1979 abgedruckt war. Ein weiteres Beil, diesmal aus Fleisch gefertigt, und das Sanitätsfahrzeug, das vier ins Gehirn transportierte Sätze anzeigt." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1982) 

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Zeichnung (101) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein Vexierbild: Josef von Sternberg und Frieda Grafe auf dem Flughafen München Riem im Februar 1969 am Ende seiner letzten Reise nach Europa. Die Portraits sind in positiv und negativ eingefügt in die Umrisse von Trinkgefäßen und Rasierzeug auf der Photographie Glas und Glück, die Elfi Mikesch mir 1994 geschenkt hat. Der kreisrunde Stempel mit dem persönlichen Emblem von Sternbergs und seine Unterschrift 'Jo' erscheinen hier eiförmig verzerrt auf der Silhouette einer Glaskaraffe. Auf deren Hals eine blutende Rasierschnittwunde, links daneben der Mund eines Rauchers mit Zigarette. Im Hintergrund, auf allen drei möglichen Achsen gespiegelt: QUETYALCOATL, die Schlange der grünen Feder, der König der Azteken, der Gott der Luft und des Tages, verjagt von seinem Bruder, dem Gott der Nacht. Seine Rückkehr wurde aus Westen erwartet. Die aus Peru anrückenden Spanier wurden in ihren glänzenden Rüstungen mit ihm verwechselt, mit Gold überhäuft  und begannen dann mit den Raubzügen, deren Beute zur Grundlage der europäischen Währungssysteme wurde." (Aus: Schwarze Blöcke, SchwarzHandPresse 2010).

(1997) 

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