Zeichnung (569) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"The Last of Birnam Wood – der letzte Baum des Waldes, den Macbeth in seinem Wahn auf sich zumarschieren sah, positiv und negativ horizontal gespiegelt. In Erfüllung der Prophezeiung Macbeth shall never vanquish'd be until Great Birnam Wood to high Dusianehill shall come against him. Die raffinierteste Warnung, die jemals gegenüber einem megalomanischen, menschlichen Geist ausgesprochen worden ist. Den Stamm des Baumes berührt ein Mann, der als Maßstab für dessen Größe dient. Links oben ein Frosch, der seine Klammerhaltung auf dem Rücken der Partnerin beibehält, obwohl er halbiert worden ist - ein Tierversuch, einem Menschengehirn entsprungen. Daneben ein Campingwagen mit Sitzgruppe und der Fernsehantenne, die einmal der westdeutschen Tagesschau als Logo diente. Über allem ein transparenter Torso, eine weiße Hand hält ein Handtuch vor sein Geschlecht. Links unten ich selbst als Airedale auf der Recherche zu einem Artikel über Kamikaze Anfang der 80er Jahre neben einem Flakgeschütz auf dem Flugzeugträger USS Essex im Hafen von New York." (Aus: The End, Disko 22, 2011).

(1997) 

Zeichnung (570) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Jedes Gesicht hat eine aktive und eine passive Seite, die Funktionen der Augen differieren leicht. Seltsamerweise stellt sich das vermeintlich aktive Auge nach dem Abdecken der anderen Gesichtshälfte auf Abbildungen als das passive heraus, und umgekehrt. Das Sehen funktioniert als Radarsystem, in dem das aktive Auge Blickstrahlen aussendet, die vom passiven Auge leicht verzögert wieder empfangen werden. Durch diese Abtastung konstituiert sich Wirklichkeit. Drei senkrechte Striche auf dem zerrissenen Selbstportrait nach einer Photographie von Gary Schneider bezeichnen die aktive Seite, drei waagerechte die passive meines Gesichtes. Dazu eine arabische Geste, die dieses Verhältnis zugleich sexualisiert und vulgarisiert. Das durchkreuzte P auf dem halbkreisförmigen Pfeil zwischen den Augen ist ein alchimistisches Symbol für Zeit. In der Spalte zwischen den auseinanderklaffenden Gesichtshälften der Torso einer antiken Hermes-Statue im Museum von Santa Barbara. Schutzgott der Kaufleute, Hirten, Diebe und Kunsthändler." (Aus: flypaper #5, 2010). 

(1999) 

Zeichnung (571) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"17. April 1998. Eröffnung der Genetic Self-portrait-Ausstellung von Gary Schneider im Santa Barbara Museum of Art. Ein zerrissenes Portrait von Ueli Etter nach einer seiner Fotografien von 1995. Rechts das Auge mit dem aktiven Blick, links das mit dem passiven. Symbole für diese Zweiteilung jedes Gesichts - links oben die Strichzeichnung eines ungeschlechtlichen, rechts das Modell eines zweigeschlechtlichen Wesens aus Bauklötzen. Der gestrichelte Pfeil deutet die Rückseite des Blicks an, seine Spur im Gehirn, jenseits der Retina. Das Alphazeichen ist ein alchimistisches Symbol für primordial circle, den ursprünglichen Denkkreis zwischen Realität und Bewußtsein. In der Spalte zwischen den Gesichtshälften die Aussicht auf eine antike Hermes-Statue aus dem Eingangsbereich des Museums, ein Torso mit Stehhilfe. Hals über Kopf aus der Stadt geflohen, die nur den Gepflogenheiten der Reichen gewidmet zu sein scheint. Ein gewalttätiges Rosa, das über allem schwebt. Auf dem Pacific Coast Highway zurück nach Los Angeles gerast." (Aus: flypaper #5, 2010).

(1999)

Zeichnung (572) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Berlin, 12. Juli 1998. Rechts ein in Flammen stehender amerikanischer Hydrant, links der brasilianische Mittelfeldspieler Leonardo Nascimento de Araújo mit verweintem Gesicht und Fingern an der Nasenspitze nach dem heutigen, für ihn verlorenen Weltmeisterschafts-Endspiel Brasilien gegen Frankreich. Der Anlaß für meinen Film Leonardos Tränen a.k.a. Der Begnadete Meier (1986-2010). Dazwischen und als Hintergrund zwei stürzende, sich mit den Beinen verhakende Fußballspieler in Socken und Stollenschuhen von adidas und dazu eine ramponierte antike Reiterstatue aus dem Santa Barbara Museum of Art als Negativ. Ich richtete während des Spiels die Düse eines Staubsaugers auf den Fernsehschirm und versuchte so, den Abbildern der französischen Fußballspieler Energien abzuziehen. Mit einem Blasrohr ließ ich gleichzeitig den Brasilianern meinen Atem zukommen, doch leider vergebens. Die vorsätzliche Vergiftung Ronaldos durch einen französischen Koch machte die Wirkung meiner homöopathischen Dosen schon im Ansatz zunichte." (Aus: arsenal, februar 11).

(1999)

Zeichnung (573) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Der Flecken Ladora am US Highway Nr. 6 ist eine Ikone des Mittleren Westens. US-Präsidenten posierten dort gern vor den alten Getreidesilos und unter den Wasserkästen an der Bahnlinie, um ihre Verbundenheit mit der bibelfesten, meist deutschstämmigen Bevölkerung zu demonstrieren. Mitten im Dorf befindet sich unter einer Eiche ein Gedenkstein für zwei junge Männer aus Ladora, die 1945 bei der Eroberung von Iwo Jima ihr Leben verloren. Vielleicht sind sie auf der Aufnahme abgebildet, die W. Eugene Smith von der Sprengung eines japanischen Bunkers auf der verbrannten Erde Iwo Jimas gemacht hat. Teile der Fotografie sind hier mit dem Bruchstück einer römischen Skulptur eines Pferdes kombiniert. Als Idee ist Rom unter Imperien brandaktuell. Die Großmacht China mit ihren Baulegionären kopiert beflissen römischen Straßenbau in Afrika. Vorn im Bild eine Priesterweihe im Vatikan, wo Staatsgebilde nachhaltig parodiert werden. Fürs Protokoll: Der Boden unter dem 'Staub', in den sie sich werfen, besteht aus Marmorintarsien." (Aus: arsenal, april 2012).

(1999) 

"Ladora, 21. März 1995. Auf der Fahrt von Cedar Rapids nach Grinnell haben wir in New Bremen einen Friedhof besucht, auf dem viele Diakonissinnen mit deutschen Nachnamen begraben liegen. Alle waren am gleichen Tag, kurz vor der deutschen Kapitulation, im Mai 1945 gestorben. Diagnose 'Kollektiver Selbstmord'. Nach der Fahrt durch die Amana Kolonien sind wir auf dem US Highway Nr. 6 zwischen den Orten Victor und Marengo in Ladora gelandet. Der Flecken besteht aus einer Straßenkreuzung und einer Ansammlung verfallender, landwirtschaftlicher Gebäude. US-Präsidentschaftskandidaten posieren hier gern für Fotos vor dem alten Getreidesilo und dem historischen Wasserkasten an der Bahnlinie, um ihre Verbundenheit mit der bibelfesten, meist deutschstämmigen Landbevölkerung zu demonstrieren. Ladora ist die Ikone des Mittleren Westens, eine zum Leben erstarrte Amerikana...

Zeichnung (574) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Eine religiös verkündete Apokalypse, ein berstender Himmel dargestellt auf einem Holzschnitt von Albrecht Dürer. Betende, die sich mit dem Rücken zum Betrachter vor einem stilisierten Haus auf einem Küchenpapier-Aufdruck verneigen und den Boden küssen. Die Darreichung einer Küchenrolle rechts, dazu links zwei Pappeln auf einer Kohlenhalde in West-Berlin zur Zeit der Blockade. ADE = Abschied, A = Anfang, D = Dürer, E = Ende. „Der Anfang vom Ende“ wäre geprahlt: Der Anfang ist das Ende. Organisierte Religiösität vergiftet alles. Sie ist “gewalttätig, irrational und sektiererisch, verbündet sich mit Rassismus, Tribalismus und Fanatismus, fördert Ignoranz, verhindert freie Forschung, verachtet Frauen, bemächtigt sich der Kinder und hat fast alles auf dem Gewissen“, schreibt Christopher Hitchens in seinem Buch God is Not Great von 2007. Achtung, der Fortschritt ist unaufhaltsam: Jetzt müssen wir die wahhabitischen Saudis dafür loben, daß sie ihren Frauen das Autofahren erlauben wollen." (Aus: arsenal, september 18).

(1993) 

Zeichnung (575) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein Anschnitt des Hauses 'Haberz' in Hart bei Graz mit blühendem Jasmin. Ein toter Adler mit ausgebreiteten Flügeln, die Strecke der im Laufe der Jahre verhinderten oder aufgeschobenen Filmprojekte: Fluß ohne Ufer, Second Nature – Die zweite Natur, Die letzten Geheimnisse der Republik. L-L-L, das sind die drei großen L's des Showgeschäftes: Lügen–Leugnen–Lächeln. Angesichts der Unproduktivität des Betriebssystems Kunst, Produktionsmittel aufzutreiben, erstaunt es nicht, dass die Künstler sich aus einem passiv großbürgerlich gewährenden Umfeld zu lösen versuchen und den Kontakt zu einer aktiv mittelständisch agierenden Sphäre suchen, in der noch Waren produziert werden. Die vielleicht kleinkriminell zu nennende Tätigkeit, einen Film zu finanzieren und zu produzieren, ist vom Ansatz her schon ehrenhafter als die Warterei auf das Geld eines privaten Patrons, der sich herablässt, eine Gunst zu gewähren. Derweil die immer noch auf dem Grund des Mittelmeeres vor der spanischen Goldküste dahinrostende Wasserstoffbombe." (Aus: arsenal, juni 10).

(2005) 

Zeichnung (576) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Das für unseren Planeten spezifische Innere eines Gleichgewichtorgans mit Büscheln von Härchen, deren Bewegungen in Tieren und Menschen von Nerven gelesen und ins Hirn übertragen werden. Ein Turnierritter und sein Pferd in voller Rüstung setzen einen Hinweispfeil auf einen im All schwebenden Astronauten an. Alle Beteiligten sehen unmöglich aus in ihrer zeitbedingten Verkleidung. Als Zeitreisende haben sie aber allein schon durch ihr Abbild unserer Gegenwart eine neue Richtung verpaßt. In verschiedenen Konstellationen zur Zeit zu stehen, das ist der Krieg für jeden Einzelnen. Die Menschheit erglüht als eine periodisch auftauchende Erscheinung, deren Zeiteinheiten innerhalb dieses Universums fremd bleiben müssen. Rechts im Anschnitt eine Rebe dunkler Weintrauben als Skulptur und Rückendeckung des Reiters, der seinen Anspruch auf Alleinstellungsmerkmale und Vergeistigung anmeldet: Was auch immer geschieht, Tiere müssen, solange es sie noch gibt, in ihrer Wahrnehmung und in ihren sprachlichen Möglichkeiten aktiv eingeschränkt bleiben." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(2007) 

Zeichnung (577) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"P - einen Punkt machen. Treppenstufen und ein in die rosanen, wirbelförmigen Felsschichten geschlagener, reliefverzierter Torbogen als Zugang zu einem vorchristlichen, nabatäischen Felsengrab in Petra, Jordanien. In der Höhle eine am Boden sitzende Gruppe von irakischen Gefangenen aus dem ersten Golfkrieg als Chimäre. Über ihnen der in den Felsen gebrannte negative Schatten eines startenden Passagierflugzeuges. Rechts die Silhouetten von fünf Menschen, die am 11. September 2001 in Manhattan aus den brennenden Trümmern ihrer Büroetagen vom Nordturm des World Trade Centers in den Tod sprangen. Da stand die Büste von Jean d'Aire aus Auguste Rodins Skulpturengruppe Die Bürger von Calais noch auf ihrem Kalksteinsockel in der Lobby der Investmentbank Cantor Fitzgerald im 105. Stockwerk, zusammen mit einer Bronze von Der Denker. Minuten später stürzte sie zusammen mit 658 Angestellten der Bank in den Abgrund. Jean d'Aire wurde bis zur Unkenntlichkeit verformt auf einer Schrotthalde in New Jersey wiedergefunden. Der Denker gilt als verloren." (Aus: The End, Disko 22, 2011).

Zeichnung (578) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein durch dicke Strichlinien markiertes Quadrat im Quadrat als Hinweis auf eine 'naturhafte Triebsubstanz' - the Id. In einem Fokus zu implodieren ist der Transformationsakt des Es. Dieses Ereignis Rahmensprengung zu nennen, wäre ein Euphemismus. Es geht um innere Erledigung, unbewusste Verdauung. Prozesse des unsichtbar in der Dichte der Materie Vergrabenen - Holzkohlezubereitung nach einer Geheimrezeptur. Ein Köhler, dessen Berufsbezeichnung mir den Nachnamen gab, steht auf einer Waldlichtung an der Weser auf einem von vier Meilern und beob-achtet die Verteilung der Rauchwolken im inneren Quadrat. Qualitätssprünge durch aktive Verdichtung und Verfinsterung von Materie. An der Peripherie des Blicks ein schwarzes, fensterloses Flugzeug ohne Kennzeichen im Tiefflug außerhalb des Radars über dem Wald, der schwarz dasteht und schweigt. Eine experimentell verbrämte Vergangenheit, die so naiv wie verschlagen den Tod weiterreicht. Eine abgebrüht ausgekochte Zukunft, die konsequenzlogisch nur noch töten kann." (Aus: The End, Disko 22, 2011).

(2007) 

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