Zeichnung (519) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Der Flecken Ladora am US Highway Nr. 6 ist eine Ikone des Mittleren Westens. US-Präsidenten posierten dort gern vor den alten Getreidesilos und unter den Wasserkästen an der Bahnlinie, um ihre Verbundenheit mit der bibelfesten, meist deutschstämmigen Bevölkerung zu demonstrieren. Mitten im Dorf befindet sich unter einer Eiche ein Gedenkstein für zwei junge Männer aus Ladora, die 1945 bei der Eroberung von Iwo Jima ihr Leben verloren. Vielleicht sind sie auf der Aufnahme abgebildet, die W. Eugene Smith von der Sprengung eines japanischen Bunkers auf der verbrannten Erde Iwo Jimas gemacht hat. Teile der Fotografie sind hier mit dem Bruchstück einer römischen Skulptur eines Pferdes kombiniert. Als Idee ist Rom unter Imperien brandaktuell. Die Großmacht China mit ihren Baulegionären kopiert beflissen römischen Straßenbau in Afrika. Vorn im Bild eine Priesterweihe im Vatikan, wo Staatsgebilde nachhaltig parodiert werden. Fürs Protokoll: Der Boden unter dem 'Staub', in den sie sich werfen, besteht aus Marmorintarsien." (Aus: arsenal, april 2012).

(1999) 

Zeichnung (520) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"China, Bau des Dammes am Gelben Fluß per Menschenkraft. Den Menschen wird die Geschichte auf den Rücken geschrieben, manchmal können sie sie dabei sogar entziffern. GUL = GHOUL = GHUL = Unmensch = Monster. HYS = History = Hysterie = Geschichte. Der Fortschritt und seine Opfer am Beispiel der automatisierten Hähnchenschlachtung: Kopf ab, Rohr in den After und die Innereien mit Druckluft herausblasen. Alle Demokratien der westlichen Welt seit den Griechen basieren auf Sklavenhaltergesellschaften. Das Outsourcen von Wertschöpfung ist ein althergebrachtes, kulturelles Ideal. Davon profitierte noch der letzte Prolet, dass er sich rassisch einer Wertschöpfungsgemeinschaft zugehörig fühlen durfte. Die Janusköpfigkeit sozialer Revolutionen hat darin ihren Ursprung. Solange der Kapitalismus sich noch nicht weltweit durchgesetzt hatte, durften menschliche Resourcen, die sich seiner Weisheit verschlossen, mit kirchlichem Segen zugrundegerichtet werden. Unten links sado-masochistischer Telefonsex, der sich spielerisch dieser Situation annähert." (Aus: Black Blocks, Cinema Scope #46, 2011).

(1996) 

Zeichnung (521) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Tore zum Himmlischen Frieden sind ein direkter Zugang zum Gegenteil, manchmal auch auf Umwegen. Die Politik predigt das in ihren Taten. Soldaten stehen Spalier im Tor eines Fußballplatzes in China, Ort einer Massenhinrichtung zwecks Erziehung des Volkes, die auch der stalinistische Stammtisch als notwendig preist. Noch ein Bild von Natur: Wolken mit ihren Schatten über einer Agrarlandschaft im Mittleren Westen der USA, 1998. Eine zusammengestauchte Landschaft, Feldwege bilden Hakenkreuze, die man sehr wohl erkennen kann. In der Realität kommt alles zusammen, was nicht zusammengehört. Das Personal des Wirklichen und ihre Melodien erschöpfen sich darin, Versuche des Menschlichen zu illustrieren. Würde sich Madonna noch einmal neu erfinden können? Zu wünschen wäre es ihr. Auch gut zu wissen, dass sie es könnte. Die Stärke ist sich für nichts zu schade, die Netzwerke verkünden ihre Unendlichkeit. Ziehende Wolken. Ihre Schatten und der des Flugzeugs, in dem wir abstürzen, über dem Potato-Land. Uns ist eine Marktlücke abhandengekommen." (Aus: Black Blocks, Cinema Scope #46, 2011).

(1999) 

Zeichnung (522) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Staatskapitalismus verleitet an Stammtischen zu höchsten Gefühlen. Polit-Darwinisten können nichts Schlechtes an dem finden, was sich in sicherem Abstand so vehement Bahn bricht. Aus der Entfernung wird verkündet, dass es keine Alternativen zum revolutionären Designerstaat gibt. Neunundzwanzig halbnackte und glatzköpfige chinesische Rekruten in dem von Frank Lloyd Wright 1935 designten S. C. Johnson Administration Building in Racine, Wisconsin, beweisen durch Wohlgenährtheit, was Sache ist. Die Säulen des Großraumbüros agieren als Stalaktiten der Vernunft, endlich ein Dach über dem Kopf. Von links gerät ein Scheiterhaufen für Menschen aus dem Dreißigjährigen Krieg ins Blickfeld. Immer wieder propagiert und von Weitem gern gesehen: der Verbrauch von Menschen für eine Sache. Eine Bewegung und ihre Toten, eine rasende Natur und eine in Zyklen auflodernde Geschichte: die Gesellschaft als Biest, die zerfetzte Haut der Zivilisation. Und diejenigen, denen es geschieht, haben den letzten Gedanken: 'Das darf alles nicht wahr sein.'" (Aus: Black Blocks, Cinema Scope #46, 2011). 

(1999) 

Zeichnung (523) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein römisches Fussbodenmosaik aus dem Jahr 500 nach Christi im heutigen Istanbul: der Kampf eines Löwen mit einem Elefanten. So hätte man die Natur und ihre Teilnehmer gerne, sich selbsttätig eliminierend. Ah, und mit welch einer überragenden Intelligenz der Mensch die Tiere jagt und gefangen hält. Fünf Männer träumen davon auf heissen Marmorplatten im Cemberlitas Hammam von 1584. Ihre Assoziationsmotoren laufen auf vollen Touren und produzieren Chimären nackter chinesischer Rekruten, denen sie ihre Bären aufbinden können: vom Billiglohnland zur importierten Luxuslimousine. Schon ein altes Sprichwort wußte, dass Träume Scheißhaufen sind, die Geschichten erzählen. Das ist ihre Natur, sie entspringen dem Verdauungstrakt. Du musst aufwachen, damit sie dich nicht umbringen, und wieder einschlafen, wenn der Abschaum des Wirklichen nicht mehr zu ertragen ist. Dazwischen das Sekundenglück, der kleine Tod und sprunghaftes Vergessen. Erster Kommentar von Außerirdischen angesichts unseres unbelebten Planeten: 'Das muß die Liebe gewesen sein.'" (Aus: Black Blocks, Cinema Scope #46, 2011).

(1999) 

Zeichnung (524) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Engedi, 24. Februar 1999. Aus einem Wadi am Toten Meer tauchen in der Abendsonne vier israelische Soldaten auf, die wir zu den Dead Sea Laboratories nach Mineral mitnehmen - zur Zeit 400 Meter unter dem Meeresspiegel. Ihr Körpergeruch, nach drei Tagen Extremwanderung in voller Ausrüstung durch die judäische Wildernis, erfüllt den Wagen wie ein schweres Parfüm. Die Mobiltelefone funktionieren wieder, sie melden sich bei ihren Müttern zurück. Abends in der Betonhütte auf dem Berg zeichne ich die Telegrafenmasten im Tal am jetzt silbergrau-blauen Meer, verbinde die Skizzen von zwei Salzsäulen mit dem Torso eines verkohlten Jet-Piloten, füge ein römisches Bodenmosaik mit Wellenmuster hinzu und zeichne eine Fotografie ab, die die Vorbereitung zur offenen Verbrennung eines Leichenberges in Auschwitz zeigt. Ein Mann in Stiefeln balanciert darin auf den Körpern der Vergasten umher. Noch 1954 dachte ich, die Vergasung aller Kinder stände in den Duschen unserer Schulturnhalle unmittelbar bevor. ENGELER bedeutet 'Erfrieren'." (Aus: arsenal, märz 15).

(1999)

Zeichnung (525) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Chicago, 2. April 1998. Selbstportrait als alter Mann im Bad des The Claridge–Hotels auf der letzten Station der diesjährigen USA–Tournee. Mein nackter Vater blickt mir aus meinem Spiegelbild entgegen. Die Dias der Show sind am Abend zuvor im Projektor des Art Instituts verbrannt – wie am 16. Februar 1982 die erste Einstellung des Films Normalsatz auf seiner Premiere im Berliner Delphi Filmpalast. Unter dem am Monroe Drive wieder aufgestellten romanischen Torbogen von Louis H. Sullivan, dem letzten Rest seines 1972 abgerissenen Chicago Stock Exchange Buildings von 1894, vor Erschöpfung zusammengebrochen. Im Mai 2002 haben wir diese Ruine dann von einem Dolly aus für Miscellanea III gefilmt. Oben und unten das Positiv und das Negativ eines 1975 von der Wand eines Lagerschuppens im Hamburger Hafen verzerrt abgezeichneten Symbols einer Leiter. In der Mitte ein Stück Original–Grenzzaun, der in einem Ossie–Park wieder aufgestellt werden soll, irgendwo in Gesamtdeutschland. Changing of the Guards ist dringend angesagt." (Aus: arsenal, februar 15).

(1999)

Zeichnung (526) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Lavertezzo, 14. September 1994. Unschöne Konstellationen, ein Urwald aus Verleugnungen und Verrat, der mich stückweise umzubringen scheint. Von der Tessiner Talsperre Diga Valle Verzasca, einem Bondfilm-Drehort, stürzen sich nicht nur Bungie-Jumper. Die Flutwelle, die ein zerborstener Betonwall erzeugen würde, würde alle Gemeinden am gegenüberliegenden Ufer des Luganer Sees ertränken. LAC – der See, RIM – der Reim, die Ritze, die Spalte, LACRIMA – die Träne. Bernsteintropfenartige Artificial Tears: Einer der schwarzen Tropfen hängt rechts oben von einem Finger vor der breit gezerrten Fassade des The Claridge Hotels in Chicago herab und wird dann unten rechts von einer Fingerkuppe gezupft. Ueli Etters Babosa Gigante, eine Nacktschneckenart, auf deren Rücken sich der Wirkstoff für die bewußtseinsreduzierende Droge Agony bildet, klettert an der Seite des in der Höhe verzerrten Hotels empor. In den Bergen, über den Wolken, hört man klägliche Schreie von Vieh und von den Hippies, die an ihrer Landwirtschaft verzweifeln." (Aus: arsenal, september 15)

(1999) 

Zeichnung (527) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Text under construction"

B = Beginning, (...), E = End. Grasbedeckte Silhouette von Israel, darunter die von Massada. Adressfeld auf einem Notizheft aus Los Angeles. Zwei Schalen mit Miso–Suppe. Beerdigung eines israelischen Soldaten in Tel Aviv. Blutiger Zahn von vier Fingern gehalten.   

(1999) 

Zeichnung (528) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Text under construction"

Kamikaze. 

(1988) 

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