Zeichnung (509) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Text under construction"

EVER(ett F.) WELL(s)-Großtanker am Ende einer Straße in Glasgow. Aufbau und Segment der Linse des menschlichen Auges. Ornamente im Flug. Ich auf einer Parkuhr in der Hamburger ABC-Straße, 1967 von Rüdiger Neumann fotografiert. Menschengruppe am Flughafen Tempelhof während der Berliner Blockade. Fußsohlenmassage. 

(1996) 

Zeichnung (510) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Das Modell einer Nervenzelle, aufsteigend aus einem Sarg, den zwei Träger aus einem Fahrzeug heben. Anschnitte des arabischen Ornaments Akanthus in der Nervenzelle und im Fenster des Leichenwagens. Im Kern der Zelle der nackte Leib meines Vaters im Zweiten Weltkrieg, in Polen oder Rußland fotografiert. Unten seine von mir durchgestrichene Beschriftung eines Sammelordners für die von ihm abonnierte Zeitschrift Der Garten als Jungborn. Wer das Privileg genießt, im Frieden zu sterben, hat die Zeit, zuvor aus Wut über den bevorstehenden Tod den eigenen Garten zu zerstören. Hier aus dem Boden gerissene und dem Garten entfernte Bäume: Eiche, Weide, Buche und Birke. Josef von Sternberg und Frieda Grafe 1969 auf dem Münchener Flughafen Riem während seiner letzten Europareise. Er hat schon das Flugticket in der Hand. Freundschaft bedeutet, in Gedanken und Tun ernstgenommen zu werden, und mit beiden habe ich es erlebt, aktiv und passiv, bekannter- und unbekannterweise. Wir reden noch viel miteinander, das heißt, ich höre in mir ihre Stimmen." (Aus: Black Blocks, Cinema Scope #46, 2011).

(1997) 

Zeichnung (511) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein Vexierbild: Josef von Sternberg und Frieda Grafe auf dem Flughafen München Riem im Februar 1969 am Ende seiner letzten Reise nach Europa. Die Portraits sind in positiv und negativ eingefügt in die Umrisse von Trinkgefäßen und Rasierzeug auf der Photographie Glas und Glück, die Elfi Mikesch mir 1994 geschenkt hat. Der kreisrunde Stempel mit dem persönlichen Emblem von Sternbergs und seine Unterschrift 'Jo' erscheinen hier eiförmig verzerrt auf der Silhouette einer Glaskaraffe. Auf deren Hals eine blutende Rasierschnittwunde, links daneben der Mund eines Rauchers mit Zigarette. Im Hintergrund, auf allen drei möglichen Achsen gespiegelt: QUETYALCOATL, die Schlange der grünen Feder, der König der Azteken, der Gott der Luft und des Tages, verjagt von seinem Bruder, dem Gott der Nacht. Seine Rückkehr wurde aus Westen erwartet. Die aus Peru anrückenden Spanier wurden in ihren glänzenden Rüstungen mit ihm verwechselt, mit Gold überhäuft  und begannen dann mit den Raubzügen, deren Beute zur Grundlage der europäischen Währungssysteme wurde." (Aus: Black Blocks, Cinema Scope #46, 2011).

(1997) 

Zeichnung (512) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Text under construction"

Großer Zeh mit krankem Nagel, von Spermien angegriffen, auf der Hafenmole in Tanger, vor dem verzerrten Mund eines Modells. Das Modell verzieht sein Gesicht mit den Händen zu einer Fratze. "Fuck you, you Fuck!" Gebiß und Auge des Himmelspucker-Fisches, Steinfisch mit Stielaugen. Arabisches Ornament "Akanthus", Palmenzweig (Wurzel, Zweige, Blüte), in Grau ganz, seine Teile in Schwarz.

(1996) 

Zeichnung (513) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein Hotel in Galveston, Texas 1989, das Ende der Welt. Ein Sturm fährt durch die verbrannte Landschaft von Iwo Jima. Eine Riesenwelle ist im Anmarsch auf eine Hütte auf Stelzen. Darüber ein dicht über dem Boden schleifendes, enthäutetes Gesicht, dessen Stirn in die schwarzen Orkanwolken hineinreicht. Aus dem Antlitz quellen Adern, Nervenstränge und Muskeln, an denen wilde Hunde zerren. Die Augen sind geschlossen, das Gesicht verharrt in gleichgültiger Trance. Der Wirt und die Bedienung der Melancholie ist der Mensch. Er vererbt und überträgt sie. Die Zeit als einen Stoff begreifen, der verschiedene Texturen aufweist. Sie gleitet vorbei, und sie ist sperrig. Die Verwahrlosung der Zwischenräume. Ich sah mich wochenlang zu festgesetzten Zeiten am Tag den Hund ausführen. Dazwischen eine Raserei von Zeit, die es mir unmöglich machte, mich an irgendetwas zu erinnern. Ich lebte in einem Zeitraffer. Ich habe spät begriffen, daß die Zeit ein Geschenk ist. Aber dieses Wissen konnte sich gegenüber ihrem Tun nicht behaupten." (Aus: flypaper #5, 2010).

(1997) 

Zeichnung (514) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Schmale Stores aus hellgrünem Slime hängen vor der Brüstung einer steinernen Terrasse. Die Mauer endet in zwei mannshohen, in Positiv und Negativ ausgeführten Pokalvasen aus Porzellan (DE = Depression). In der Ferne im Monsterpark von Bomarzo aus einer Wiese aufsteigend der steinerne Kopf eines Delphins mit aufgerissenem Maul. Ein weißer Leonid-Breschnew-Sessel wird nach seinem freiem Fall einen Marcel-Breuer-Freischwinger zertrümmern. So liegt schon alles in der Luft, aber noch gilt die Zeitspanne einer relativen Idylle. Dann wird ein Schalter umgelegt, und auf der Terrasse erscheint ein menschlicher Kopf, dessen Schädel über den Augenbrauen horizontal glatt abgetrennt wurde. Auf Höhe der Schnittfläche überschlägt sich das Gehirn als weiße Riesenwelle. Von unten ins Bild ragend ein umgedrehter Tränenfluß aus dem Slime eines Theaters. Wieder nur der Versuch, ein Koordinatensystem in die Quantenwelt der Gefühle einzuführen. Im leeren Raum kollidierende Blicke, deren Neutrinos für Millisekunden eine Welt von Objekten errichten." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1996) 

Zeichnung (515) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Das Fischungeheuer aus dem Park von Bomarzo mit einem positiven wie negativen Teppichmuster in seinem aufgerissenen Maul. Der dazugehörige Teppich hing einmal im Victoria and Albert Museum in London. Ich habe ihn dort so oft wie möglich aufgesucht. Sieben Lachse springen auf dem Weg zu ihren Laichgründen einen Flußlauf hinauf, als Osmoregulierer aus dem Salzwasser ins Süßwasser. Eine Barackenwand mit dreiteiligem Fenster und halb heruntergelassenen Sichtblenden bildet hier das aktuelle Tor zur Hölle, das sich nicht verdrängen läßt. Ein Trupp islamistischer Schwarzer Witwen bei ihren Schießübungen im Niemandsland. Menschen töten ist wie Vögel abschießen. Das gilt für alle Beteiligten. Eine gefräßige Natur, versteinerte Menschen, Visionen im Bauch von Ungeheuern. Im Auge des Monstrums spiegelt sich eine schnell dahinziehende Wolke, die von hinten von der Sonne beschienen wird. Es ist noch früh am Morgen, und die Atome sammeln sich nur langsam zu dem Entschluß, noch einmal aufzustehen, um durch das Tor zu schreiten." (Aus: arsenal, märz 16).

(1996)

Zeichnung (516) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Eine Einheit russischer Ingenieure auf Kuba auf dem Marsch zur Baustelle einer Raketenabschußanlage, kurz vor der Kuba-Krise im Oktober 1962. Links und rechts eingerahmt von zwei Hälften des Röntgenbildes eines menschlichen Körpers, der von fallenden Tetris–Formationen zerfetzt wird. Aus dem Himmel hängt eine abgerissene Nabelschnur auf das Floß eines vor der Küste Somalias ausgesetzten blinden Passagiers. Die Erinnerung an die Opfer der argentinischen Militärdiktatoren in den 70er und 80er Jahren, die ihre Gegner in Flugzeuge verfrachteten und lebend aus großer Höhe über dem Meer abwerfen ließen. Den Rahmen dieser im Zentrum leeren Zeichnung bildet die Macht, die von der Peripherie her zu spüren ist. Sie vertraut auf ihre implosive Ausstrahlung, vertritt nichts mehr und wirbt als angerichtetes Nichts um Anerkennung. Der argentinische General Menendez nennt vorweg die Zahlen: 'Wir werden 50.000 Menschen töten müssen: 25.000 Subversive, 20.000 Sympathisanten, und wir werden 5.000 Fehler machen.'" (Aus: arsenal, november 14).

(1994)

Zeichnung (517) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Los Angeles,  27. April 2013. Im Abendlicht die Alvarado Street hochgefahren, links der Verhau von Westlake, rechts brueghelsche Szenen im MacArthur Park. Auf dem Sunset Boulevard lange Schlangen vor dem Echoplex Club mit der Anzeigetafel: TONIGHT / THE ROLLING STONES / SOLD OUT. Der Laden hat nur Platz für einige hundert Leute. Heimweh nach Street Credibility oder ein neues Geschäftsmodell à la Konzertbesuch als Lotteriegewinn: Zehntausende setzen 20 Dollar ein, ein paar Hundert ergattern ein Ticket und die Stadionmiete ist eingespart? Flashback: Das Stones-Konzert auf der schrägen Bühne der Frankfurter Festhalle am Dienstag, den 6. Oktober 1970, 20 Uhr, vor etwa 400 Zuschauern. Sie standen so einsam da wie hier ihre Initialen: CW, BW, BJ, KR, MJ. Davor Mouches Volantes gebündelt in einem Kreisel-Jojo. Gedrechselte Holzsäule rechts, toter Holzstamm links, dazwischen ein Schlafsofa und ein OUT!!-Schild mit Schlange. Rechts unten die Skulptur einer weinenden Frau mit Schatten, zur Salzsäule erstarrt wie Bill Wyman." (Aus: arsenal, märz 14).

(1996)

Zeichnung (518) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Berlin, 12. Juli 1998. Rechts ein in Flammen stehender amerikanischer Hydrant, links der brasilianische Mittelfeldspieler Leonardo Nascimento de Araújo mit verweintem Gesicht und Fingern an der Nasenspitze nach dem heutigen, für ihn verlorenen Weltmeisterschafts-Endspiel Brasilien gegen Frankreich. Der Anlaß für meinen Film Leonardos Tränen a.k.a. Der Begnadete Meier (1986-2010). Dazwischen und als Hintergrund zwei stürzende, sich mit den Beinen verhakende Fußballspieler in Socken und Stollenschuhen von adidas und dazu eine ramponierte antike Reiterstatue aus dem Santa Barbara Museum of Art als Negativ. Ich richtete während des Spiels die Düse eines Staubsaugers auf den Fernsehschirm und versuchte so, den Abbildern der französischen Fußballspieler Energien abzuziehen. Mit einem Blasrohr ließ ich gleichzeitig den Brasilianern meinen Atem zukommen, doch leider vergebens. Die vorsätzliche Vergiftung Ronaldos durch einen französischen Koch machte die Wirkung meiner homöopathischen Dosen schon im Ansatz zunichte." (Aus: arsenal, februar 11).

(1999) 

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