Zeichnung (209) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Der Drehort des Films Demon in Hamburg, Zippelhaus 6, seitenverkehrt mit den leeren Stühlen und den Blickrichtungsangaben für die Sprecherinnen der deutschen und englischen Übersetzungen und das französische Original des Gedichtes Le Demon de l'Analogie von Stéphane Mallarmé. Die Zeichnung intoniert die Passagen des Prosagedichtes zu Flügeln und Palmenzweigen. Ein Kreuz gebildet aus den Flügeln eines Airbusses beherrscht den damaligen Raum als Kalauer. Gegenüber den Wörtern sind die Bilder Täter, straffällig verweisend auf Geschwindigkeit und Bewegung im Gehirn, auf anzusehende Produkte, die ihre Zeit auf Flächen entfalten. Diese Zeichnung ist ein Song und wurde auch so produziert. Ich miete für eine bestimmte Zeit ein Studio, füge verschiedene Töne zusammen und komme mit zehn oder zwölf Songs wieder daraus hervor, ohne zu wissen, ob einer und welcher davon ein Hit wird. Die zu 90 Grad positiv und negativ versetzte Palme stand 1993 vor dem Hotel Continental in Tanger. Im Vordergrund auch die hafenseitige Balkonbrüstung des Hotels." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1993) 

Zeichnung (210) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Lips, Meaning, Speculation, Personality, Dead und Statements sind die jeweils letzten Wörter der aus sechs Sätzen bestehenden englischen Übersetzung des Prosagedichtes Le Démon de l´Analogie von Stéphane Mallarmé. Am Drehort des Films Demon im Hamburger Zippelhaus 1977 an die Wand geschrieben dienten sie es als Stichwörter für die Bewegungen der Darsteller. Die Handschaufel war Prop in dem Film. Der Dampfheizungskörper mit Steinplatte stammt aus demselben Zimmer. Darauf ein Ensemble aus Marmorbriefbeschwerer und Plastikbäumchen samt Schatten, als Hommage an Arnold Böcklins Toteninsel. Hinten die Brust des Bronzemannes, der wie ein Kraulschwimmer aus dem Grabstein für Georges Rodenbach, einem Freund Mallarmés, auf dem Friedhof Père Lachaise in Paris emporsteigt. In den Grabstein eingemeißelt sein Satz: 'Herr, gib mir die Hoffnung, fortzuleben in der melancholischen Ewigkeit des Buches'. Zwei letzte Streichhölzer in einem Heftchen mit Reibefläche." (Aus: arsenal, juli august 2009).

(1993) 

Zeichnung (211) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Unten rechts die jeweils letzten Wörter der Sätze des Prosagedichtes Le Demon de l'Analogie von Stéphane Mallarmé: Absurd, Bedeutung, Verschieden, Persönlichkeit, Tod, Qual. Darüber verschwindet ein Bündel mit Schellen fixierter elektrischer Kabel in einem zugegipsten Loch in der Wand des Zimmers im Hamburger Zippelhaus, in dem der Film Demon gedreht wurde. Architektonische Details des Palacio d'Abraxas von Riccardo Bofill in Saint-Quentin-en-Yvelines bei Paris, 1982, so wie sie im Film Der Zynische Körper - La Sainte Famille auftauchen. Erbaut als "Versailles des Volkes", ein potemkinscher Himmel des Sozialstaates, in dem Klaus Behnken und John Erdman als die Engel Roy und Jon zur Musik von Nikolaus Utermöhlen Innsbruck, ich muß dich lassen singen. Im Hintergrund die Brust, die rechte Achselhöhle und der Kopf des oxidierten Bronzemannes auf dem Grabstein von Georges Rodenbach in Paris. Die Stelle, an der du ihn anfaßt, haben schon viele Menschen berührt. Die Bronze glänzt dort golden wie ein gemeinsamer Nenner." (Aus: arsenal, märz 11).

(1993) 

Zeichnung (212) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"In der Eingangssequenz des Films Der Zynische Körper stürzt der Lektor Roy, gespielt von Klaus Behnken, aus seinem Bett und bleibt davor liegen. Er greift in die zerwühlte Bettwäsche, findet darin eine Zigarette, zündet sie umständlich an und beginnt zu rauchen. Dabei streichelt er ein großes, rotes Notizbuch wie einen Fetisch. Aus dem ins Bild gehaltenen Hinterteil eines neugeborenen Babies entweicht Mekonium, grünbraun-schwarzes Kindspech, das am anderen Ende des Wortes als Opium pfeilförmig in den Mund von Roy eindringt. Ein Mann wird zu seinem Glück gezwungen, aber es ist zu spät. Vor seinem Kopf zwei Freistilringer auf dem Pyramidenstumpf einer Kohlenhalde, die mit einer Leiter zu besteigen ist, in Berlin-Tegel zu Zeiten der Mauer. Das war einmal eine Definition von Schönheit. Ein Mann zeigt mit dem Finger auf das in kochendem Wasser eingelaufene Modell einer wollenen Kostümjacke. Die Zeit schrumpft in dem Maße, in dem sie sich ausdehnt. Sie setzt uns dabei ebenso zu, wie wir von ihr ablassen sollten. Kein Trost, nur ein Modell." (Aus: The End, Disko 22, 2011).

(1993) 

Zeichnung (213) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"(Mekonium) + Arielette. Sie war, lange vor der Markteinführung von Megaperls, eines der ersten Gadgets, die man Waschmittelpackungen beigab, um Kunden zu binden. Für Hausfrauen von damals, die sich angeblich Gedanken über den Weißheitsgrad ihrer Wäsche machten - ein Plastiksäckchen mit propellerförmigen Einfüllstutzen, unter der Chimäre eines doppelt gefickten Selbstmörders. Daneben, positiv ausgeführt, der unbeholfene Versuch eines Mannes, sich mit der nackten Brust in ein Brotmesser zu stürzen. Im Himmel über Les Arènes de Picasso von Manolo Nunez-Yanowsky, 1985, in Marne-la-Valée bei Paris, dem Rad eines mit Totenschweiß bedeckten Schweizer Käses, in den der Hagel Löcher schlägt. Der Messermann war das Motiv einer Postkarte zur Ausstellung Der Untergang der Bismarck und das eines T-Shirts zum Produktionsstart des Films Der Zynische Körper, der dieses potemkinsche Dorf des Sozialstaates in seinen Reigen einbaute. Die Engel Roy (Klaus Behnken) und Jon (John Erdman) singen darin das Lied Innsbruck, ich muß Dich lassen von Heinrich Isaac." (Aus: The End, Disko 22, 2011).

(1993) 

Zeichnung (456) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Die gezückten Beine der Rockettes in der Radio City Music Hall in NYC während einer Weihnachts-Show. Ihre militärische Ausrichtung erinnert an die Schwarmintelligenz von Tieren. Sie scheinen wie auf einem Rachefeldzug alles niederzutrampeln, und wollen doch nur lustig sein und das Militär persiflieren. Wer es glaubt, wird selig. Darunter heilende Hände, die sich auf die Schädeldecken zweier hingerichteter Seeräuber legen. Ihre abgeschlagenen Köpfe waren zur Abschreckung und zum Verwesen auf zwei Holzpfähle auf dem Grasbrook im Hamburger Hafen genagelt worden.  „HeHe“: Hermann und Heinrich. Heinrich konnte Hermann gut leiden, Hermann war es egal, und so hatten sie sich zusammen dem Rauben und Morden hingegeben, zuerst im Auftrag der Hanse und dann ganz fatalistisch gegen sie. Es tut gar nicht weh, wollte Heinrichs abgeschlagener Kopf noch aus dem Korb heraus zu Hermann sagen, aber dem war, wie gesagt, soundso alles egal. Er hatte nur den einen Wunsch, nicht als Funkenmariechen in Köln wieder auferstehen zu müssen." (Aus: arsenal, dezember 17).

(1983)

David Marc druckte die Zeichnung 1995 in seinem Buch Bonfire of the Humanities auf Seite 46 mit der Unterschrift ab: "With mental automation as with physical automation there is an inevitable transcendence of mere improvements in speed and efficiency", und eröffnete damit das Kapitel Drei des Buches: "Mass Memory – The Past in the Age of Television".

 

Zeichnung (215) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Je länger man einem Menschen ins Gesicht sieht, desto intensiver schaut ein Totenkopf zurück. Hier als Cargo im Bauch des russischen Linienschiffes Borodino, das am 27. Mai 1905 in der Schlacht von Tsushima von der japanischen Flotte versenkt worden ist. Ein halbnackter Archäologe versucht, dessen Leck unterhalb des Wasserspiegels symbolisch zu reparieren. Links unten die Silhouette einer Menschengruppe, die der 'Leute'-Rubrik der Frankfurter Rundschau in den 70er Jahren als Vignette vorangestellt war. Ein klischiertes, vergangenes Klischee. Die Blickrichtung der Gezeichneten ging wie verabredet nach rechts oben, Prominenz stand damals noch für Autorität. Nachdem alle Schleusen geöffnet worden und alle Schotten geborsten sind, kanalisiert Prominenz in den Bildmedien nur noch Haß. Promis als pathetische Jesus-Figuren, ihre Betrachter die edlen Römer, die sie lustvoll ans Kreuz nageln. Die schwarze Stele ein Denkmal für den weißen Faden, der einmal Ende der 70er Jahre im Zippelhaus in Hamburg von unserer Bettwäsche herabhing." (Aus: flypaper #5, 2010).

(1978) 

Zeichnung (216) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Im negativen Raum: Eine einzelne Aubergine unter den Lichtstrahlen einer Glühbirne auf dem Rost eines Kühlschrankes. Eine rahmensprengende WORLD als Rechteck im Zentrum, umgeben von den Richtungsangaben LEFT, DOWN, RIGHT, UP. Kreisförmig darum herum angeordnet das Wort P-I-C-T-U-R-E. Von dessen einzelnen Buchstaben strahlen Blickpfeile in alle Richtungen des Raumes ab, das Off ansaugend wie ein Vakuum. Ein Hinweis darauf, dass der Kopf sich relativ frei im Raum bewegen könnte, und dass Blicke die Welt konstituieren. Das am Strand auf Rügen aufgefundene Skelett eines KZ-Häftlings wird von einem Spaziergänger in gebügelten Hosen und mit nackten Füßen in Sandalen begutachtet. Schwarze Knochen? Erkläre nicht, was ist, denn es ist. In einer Welt, in der Worte keine Konsequenzen haben, kann alles gesagt werden. In einer Welt, in der alles gesagt wird, ist bereits alles getan worden. Die Illusionen des Pop und das Ende der Popkultur mit ihren Hekatomben von Toten. Der umgelegte Schalter, eine Gesellschaft ex nihilo." (Aus: flypaper #5, 2010).

(1978) 

Zeichnung (217) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Wer einen Fluß auf gerader Linie überqueren will, wird stromabwärts abgetrieben, falls er nicht gegen die Strömung anrudert. 'Eine Insel ist ja nichts weiter als die Spitze eines hohen Berges', schreibt Joseph Conrad schnörkellos lapidar in seinem Roman Victory, und dieser Satz allein genügt schon, um seine Produktion vom pompösen Szenejournalismus und Rassismus seines Zeitgenossen Gabriele d'Annunzio abzusetzen. Eine am Boden liegende Frau fragt sich, was aus dessen 'Lifestyle' geworden ist, und liftet 1978 die Fliese eines Wand-zu-Wand-Teppichs. Der 'Untergang der weißen Rasse', wie ihn Louis-Ferdinand Céline erst nach der Kapitulation der 6. deutschen Armee in Stalingrad vermelden zu müssen meinte, erledigte sich von selbst und auf den Bahnen, die Conrad immer wieder beschrieben hat. Über allem schwebt das am Strand des geplanten Kraft-durch-Freude–Bades Prora auf Rügen aufgefundene Skelett eines KZ-Häftlings. So kam das Wort zur Tat, unwiderruflich blutig." (Aus: arsenal, september 09).

(1978) 

Zeichnung (218) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Die Hand eines Tierarztes mit der Todesspritze, aufgezogen für meine gelähmte und geliebte, alte Katze. Ein schwarzer Heiligenschein umgibt ihren verschwitzten Kopf. Ein zischendes SSSSH war der letzte Ton, den sie von sich gab. Dazu eine afrikanischen Landschaft mit Affenbrotbäumen, so wie ich sie mir als Kind in Norddeutschland vorgestellt habe. Unter der Erde der Nagel, der sich im texanischen Big Bend Park 1989 in einen Reifen meines Wagens gebohrt hatte, und der jetzt als Beigabe im Grab der Katze bei Lüneburg liegt. Von den Wurzeln der Bäume hängen mehr oder weniger vollständige menschliche Skelette, die bei den Ausgrabungen für eine Gated Community zutage getreten waren. Das alles kurz vor der Abreise nach Prag zu den Dreharbeiten von Stalingrad, mit deren Entlöhnung Joseph Vilsmaier mich 1991 vor einem finanziellen Desaster rettete – in case you don't mind. Die Wege der Freiheit sind verschlungen und seltsam, aber nicht unergründlich. Auf jeden Fall führten sie nicht über den Jungen Deutschen Film zum Ziel." (Aus: arsenal, juni 14).

(1993) 

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