Zeichnung (199) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Lost moving, unterwegs verloren gegangen: der 'Volksschauspieler' und Poet Bernd Broaderup und der Musiker Volker Peters vor einem Backofen aus Stein, in dem Einwickelfolie für Schokolade verbrannt wurde. Das war bei Probeaufnahmen zu Die letzten Geheimnisse der Republik, irgendwann in den 80er Jahren in der Nähe von Wilhelmshaven. Wir hatten gerade unsere Sachbearbeiter bei der KSK aufgesucht. Der Film, meine Arthur-Gordon-Pym-Version, ist immer noch nicht realisiert, und Bernd ist schon 17 Jahre tot. Man hätte mit ihm um die Welt reisen können, aber er wollte nicht, so sind wir zu Hause geblieben. In Der Zynische Körper spielte er seine letzte Rolle – Rob, eine Romanfigur. Das Ungeheuer aus dem Poe-Roman spuckt eine Weltkugel aus, der Jet war 1976 das Logo einer Billigfluglinie. Dazu das gekappte Unendlichkeitszeichen, der Grundriß einer Höhle am Südpol, einer der Drehorte für die Darstellung einer Welt, die sich damals noch BRD nannte." (Aus: arsenal, dezember 08).

(1993) 

Zeichnung (200) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Text under construction"

Lederteddy. 

(1993) 

Zeichnung (201) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Eine alternative Gegenwart, ein Nacktmodell aus Straight To Hell - The Manhattan Review of Unnatural Acts, kopflos hingelagert in einem trapezförmigen Büroraum im Hamburger Zippelhaus, Drehort des Filmes Demon, 1976. Das Drehbuch liegt auf dem Brett des rechten Fensters. Draußen in der Nacht ziehen die Felsschriftzeichen aus Edgar Poes Roman The Narrative of Arthur Gordon Pym of Nantucket vorbei. An der Wand über dem Heizkörper eine Reproduktion der Kohlezeichnung La Pelouse von Georges Seurat. E (= English), G (= German) und F (= French) bezeichnen Stellungen und Blickrichtungen der Sprecherinnen des Mallarmé-Gedichtes Le Démon de l'Analogie im Film. Mein linker Fuß massiert seine Zehen an einer halbleeren Weinflasche. Ein stehend am Boden fest verzurrter Mann übergibt sich freihändig. Aus meiner Reiseschreibmaschine ist der Typenhebel für die Buchstaben äÄ herausgebrochen. Zwar hat nur ein Würfelwurf diese Wirklichkeit erzeugt, aber sie ist jetzt nicht mehr wegzudenken. Boyd McDonald (1925-1993) zugeeignet." (Aus: The End, Disko 22, 2011).

(1993) 

Zeichnung (202) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Text under construction"

Twentynine Palms. 

(1996)

Zeichnung (203) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Nach einer Serie von Albträumen ein Morgen wie kein anderer. Ein apokalyptischer Herrenreiter mit abgerissenem Kopf reitet auf einer Zahnbürste, die aus dem Fenster eines Hauses im Süden ragt. Daneben eine Yucca Palme. Ich rutsche am linken Bildrand herunter, 1968 von Rüdiger Neumann in Dänemark fotografiert. Ein Propeller ragt als Ventilator von oben ins Bild. Dazwischen fahren, von oben und von unten, positive und negative Blitze. Die Sätze, die ich dazu in der Nacht hingekritzelt hatte, waren: 'Was unsere Körper durchdringt, wissen wir nicht. Aber wir ahnen, was in ihnen kleben bleibt. Die größte Sorge bereitet die Gleichschaltung der Gefühle. Sie verbreitet ein unerträgliches Maß an Negativität und Positivität. Behalte den Zeitpunkt, an dem du schlafen gehst, für dich. Die Bewußtlosigkeit ist der unverbrüchliche Ort und Zustand deiner Persönlichkeit. Ihr entspringt eine Sprache, die sich selbst spricht. Sie ist es, von der wir durchdrungen werden. Die Versuche dagegen, sie zu durchdringen, müssen scheitern.'“ (Aus: arsenal, dezember 19).

(1996) 

Zeichnung (563) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein Parkour Reiter sitzt Anfang der 90er Jahre auf einem Sale-Sign über dem Scull Rock in der Joshua Tree Wüste bei Los Angeles. Alle Hörner sind aufgerichtet, aber alle Hoffnungen gescheitert. Ein Callboy sinniert beim Kaffetrinken: „Sie konnte sein Sterben nicht ertragen, weil sie sich darin bis in die Unendlichkeit hinein gespiegelt wiedererkannte. Das Wesen so eines Spiegels ist es, daß er alle Blickpunkte in sich vereint, ohne selbst einen einzunehmen. Dieses Schicksal möchte ich nicht erleiden.“ Die Tasse des Österreichers wird von einem Strandbagger auf Sylt angekratzt. Der Kaffeesatz fällt auf eine Untertasse und prophezeit ihm ein Kanzleramt. Rüdiger Neumann gleitet am linken Bildrand hinunter, von mir 1968 am Hennestrand in Dänemark fotografiert, während der Dreharbeiten zum Film Hommage à Caspar David Friedrich. Damals wie heute haßte ich den programmatischen Postkarten-Kitsch dieses Malers. Angesichts der im Zentrum seiner Bilder stattfindenden Verblödung liebten wir das Treiben an den Peripherien." (Aus: arsenal, april 19).

(1996)

DIE BASIS DES MAKE-UP  (Nr. 540) 

Sonne, Wolken, Wind, Gras, Wasser, Treppe, Tür, Fenster und drei Terrassen. Die 1978 hingepinselte Ansicht eines Traumhauses in Nebraska war eine Vorwegnahme der Terrassen in Nadur, die vierzig Jahre später den Wolken noch näher liegen. Der Hausstand wird bewacht von einem germanischen Keulenschwinger auf einer Spielkarte, der im Film abgelöst wurde von James Bond und seiner Lizenz zum Töten; und der wiederum ganz real von sich selbst ermächtigenden Kriegern, die meinen, ihr Gott sei groß. Als Emblem die dünne Sphäre für eine Existenz zwischen Himmel und Erde, unsere Nische, in der wir in köstlicher Balance zum Leben verdammt sind. Verflucht sei die bemannte Raumfahrt als propagandistische Idiotie, der alle paar Jahre ein paar Astronautenleben geopfert werden. Möge sich Elon Musk in Richtung Mars schießen und feiern lassen, um sich auf diesem Weg als elender Überlebender zu empfinden, bevor er vergessen wird. Von Ratten, die als Erste das Schiff verlassen, das sie verpestet haben, will man gar nicht erst sprechen.

(1978) 

Zeichnung (206) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"L = el = Er. Zwölf an ihren Halskrausen aufgehängte Astronautenanzüge des Apollo-Programms. Aufreihung und Austauschbarkeit der Krone der Schöpfung. Links unten Spermien, die auf eine weibliche Eizelle zusteuern, rechts oben die Spitze eines vom Architekten Louis Sullivan entworfenen Kronleuchters. Falls man aus dessen Gestalt eine Sexualsymbolik ableiten möchte, wäre sie in ihrer Verschlungenheit hinreichend befriedigend kompliziert zu nennen. Jedes Gebäude steht für einen sozialen Akt, jeder Akt für ein soziales Gebäude. Der Kronleuchter hängt in vierfacher Ausführung in der 1906 bis 1908 von Sullivan erbauten National Farmer's Bank in Owatonna, Minnesota. Eine Architektur, der ein menschliches Maß nicht fremd geworden ist. Man beziehe sich auf die Zeichensprache der Natur statt auf historische Stile, lautet die Lehre. Die Natur ist für jeden zugänglich, also die Grundlage der Demokratie. Diese muß ein Gefäß für die Wiederholung der menschlichen Erfahrung sein. Ihre Orte haben die Würde des Menschen zu wahren." (Aus: flypaper #5, 2010).

(1994) 

Zeichnung (207) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Am Horizont die Explosion einer Wasserstoffbombe im Pazifik, 1952. David Marc vor meinem gepackten Koffer in Johnson City, 1974. Die Zeichnung eröffnet das Kapitel 'Kultur ohne Kontext' seines Buches Bonfire of the Humanities mit der Legende: 'Ein Mangel an Bauplänen hat die Möchtegern-Architekten einer Neuen Welt in einen Haufen Heimwerker verwandelt.' Vier Finger einer ausgestreckten Hand, an den Fingerspitzen drei gefaltete Hosen und ein Stapel Grundbücher aus der DDR. Davor eine Stoffprobe mit der Silhouette zweier Männer. Carola Regnier sinniert als 'Bela' in Der Zynische Körper, 1990: 'Durch welchen Grad von Nähe fühlst du dich porträtiert? Durch einen Rasterpunkt auf dem Abdruck eines Satellitenphotos, dessen Größe die Stadt Toledo repräsentiert, oder durch ein Runzelkorn so groß wie eine Pore deiner Haut? Oder schwebt dir für den Ort deines Ichs eine dazwischenliegende Relation vor? Ausgestattet mit all der Schüchternheit, die der Bezeichnung des Besonderen auf seinen gestrigen Raumkoordinaten zusteht.'" (Aus: flypaper #5, 2010).

(1994) 

Zeichnung (208) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Sturm von rechts, Kugelblitze von links, Neill Armstrong's Fußabdruck auf dem Mond. Eine geäderte Stiefelette, eine Bunkeranlage bei Verdun aus dem Ersten Weltkrieg, Muster aus Perserteppichen als Bordüre und Himmel. Charon überquert den Styx, 1524 gemalt von Joachim Patinier. Hamburg, 16. März 1982, vor zwei Wochen ist Philip K. Dick gestorben. Demnächst erscheint Blade Runner, der Film von Ridley Scott nach seinem Roman Do Androids Dream of Electric Sheep von 1968. Man hat ihn nach seinen Schlaganfällen im Februar so lange an lebensverlängernde Maschinen angeschlossen, bis die durch den Geldsegen aus Hollywood kompliziert gewordenen Erbschaftsangelegenheiten geregelt waren. Wie in einem seiner Romane. Vor einem Jahr hat er mich gerettet. Mitten in einem depressivem Schub traf ein Vorausexemplar seines neuen Buches Valis in meinem abgedunkelten Hinterzimmer im Zippelhaus ein, mit der Widmung 'AN Heinz - EIN guter Freund. Leb' wohl! Philip K. Dick 1/19/81.' Auf dem Cover des Buches der Gekreuzigte als Rakete. Die Sendung hat gewirkt." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1996) 

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