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Zeichnung (148) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein Wechselspiel von Schauspielerei und Regie vor der Stahlkonstruktion der Weserbrücke bei Uesen in Niedersachen. Unter der Brücke laufen zwei stämmige Frauen aus einem Gemälde von Pablo Picasso aus seiner neoklassizistischen Periode. Die Brücke war 1966 ein Drehort des Films How I Won the War von Richard Lester, mit John Lennon. Ein Komparse trägt darin als deutscher Soldat auf dem Rückzug ein großes kubistisches Gemälde von Picasso über den Fluß. How funny, diese Engländer, und wie richtig gedacht. Kubismus hat mir schon als Kind imponiert. Unten links verschwindet ein Mann kopfüber in einer öligen Flüssigkeit. Rekapitulation: Die Regiestrahlen (DIR) treffen auf den konvexen Handspiegel des Spielens (ACT). Der Spiegel könnte auch ein mit einem Pik As besticktes Sitzkissen sein. Die Strahlen des Dirigierens treffen auf der Spiegeloberfläche aber auch auf die parallel ausgerichteten Sehstrahlen der Betrachter, die im Standpunkt des Regisseurs gebündelt werden. Eine von allen Enden her zu begreifende Korrelation." (Aus: arsenal, märz 10).

(1993) 

Beim Zappen durch das Video-Programm im Flugzeug von Paris nach Los Angeles auf das Gesicht des Schauspielers gestoßen, mit dem ich die Hauptrolle von Second Nature besetzen wollte. Er spielte eine größere Nebenrolle im Arthouse-Movie eines Blockbuster-Regisseurs – ein Film vollgestopft mit einer Vorstellung von Kunst, die einen aufstöhnen ließ: State of the Art der Kitschgestaltung...

... Eine riesige Affenfigur, deren Mimik die Kritik gepriesen hatte, spielte die Hauptrolle. Mich faszinierte die vorübergehende Macht, genannt Carte Blanche aufgrund vorhergehender Erfolge, die zu diesem Konstrukt geführt hatte – das Schwelgen in einer in Rückschlüssen befangenen Phantasie, der das Drecksgeld zu Autorität verholfen hatte. Der Schauspieler, dem ich noch am Tag zuvor von Berlin aus auf Band gesprochen hatte, daß ich ihm eine Rolle auf den Leib geschrieben habe, machte einen blassen, leerläufigen Eindruck. In Wirklichkeit spielte er eine Rolle nach, die er schon einmal in einem anderen Film gespielt hatte. Und er spielte auch mit einem Filmpartner, mit dem er schon einmal in einem anderen Film gespielt hatte. Ich bekam das Gefühl, der jetzige Regisseur wolle das alles in seinem Arthouse-Blockbuster-Movie in einer großen Geste von Kunst wiederholen, zitieren und dadurch adeln. Es war zum Heulen, aber alle Beteiligten hatten am Set und mit den Privilegien, die solche Produktionen mit sich bringen, wahrscheinlich einen Heidenspaß gehabt. Aber wollen wir wirklich sehen, wie Reiche sich fühlen und beobachten, was sie tun, wenn sie einmal viel Geld für Kunst ausgeben wollen?

Oklahoma City, 6. Juni 2004. Um 20 Uhr 30 wurden die Schattennetze der westlichen Fenster des Red Rock Restaurants am Lake Hefner hochgezogen, und alle Gäste fingen wie auf Kommando an zu schreien und zu kreischen. Dabei klatschten sie in die Hände und trampelten mit den Füßen auf den Boden: die tägliche Sunset Celebration. Die Sonne verschwand gerade hinter dem westlichen Damm des Sees. Das mir vorher nicht bekannte Ritual bestärkt mich in dem Glauben, dass Schauspieler gänzlich (von Bruno Ganz abgeleitet) überflüssig geworden sind. Wir haben von ihnen gelernt und spielen jetzt alles selbst –  Monologe, Dialoge, Komödien und Tragödien, also Gesellschaft. Die Schauspieler können abtreten, Naturereignisse übernehmen die Starrollen.