Die Basis des Make-Up

Die Basis des Make-Up

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Zeichnung (27) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Text under construction"

Achim, 1957. Es regnet Geschirr zwischen Haus- und Fährglockenschaufeln auf einem Sportplatz. Ein Urahn betätigt sich als Hochspringer. Ein anderer vergräbt sein Gesicht in einem Teller. 

(1982) 

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Zeichnung (26) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"SUDDENLY: a city. Sprache als Ahnung. Ein explodierendes Sitzkissen über der Dachkante eines Hochhauses mit der Silhouette einer von der Manson Bande ermordeten Person vor dessen Fassade. Darüber am Himmel, auf dem Rücken liegend, ein ölverschmierter, toter Vogel und die Funktion der Zeit, die einen Zufall beschreibt. Zwei transparente Reißschienen und ein Winkel, Werkzeuge aus der allmächtigen Zeichnerei. Adolf Hitlers Skizze eines Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg - dem Ursprung des Bösen - mit hinzugefügtem Regenschirm und einem linken Stummelarm als Flügel. Die nachhaltige Niederkunft der Gefühllosigkeit, die Besetzung der Träume durch ganz reale Tote, kein Spiel unstabiler Kombinationen von Atomen. Ein  kreisförmig ausgebreitetes Präservativ aus HB (Hansestadt Bremen) als anonymes Kommunikationsmittel: 'Love is a burning ring of fire.' Das Spiel ist aus, eine vor der Zeit beendete Zeit. Eine klare Linie, die niemandem mehr einfällt. Ich habe dich erkannt, aber du mich nicht. Langsam dämmerte es mir, was mit den anderen los ist." (Aus: Schwarze Blöcke, SchwarzHandPresse 2010).

(1984) 

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Zeichnung (25) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Ein U-2-Spionageflugzeug aus den USA in den 50er Jahren über Sebaldsbrück bei Bremen. 'Ich seh' bald die Brücke': Als Kind hatte ich im Zug sitzend die Vorstellung, es handele sich um ein mechanisches Prinzip und nicht um eine optische Täuschung, wenn sich die Brückenbögen kurz hinter dem überdachten Plafond des Bahnhofs bei der Durchfahrt des Zuges hoben und senkten. Der Schriftzug G(CH)IAMULERA, einer Eisdiele in unserer Kleinstadt, gerät in das Blickfeld zweier Augen. Die Blicke mögen auch ruckartig versetzt worden sein, um den Eindruck einer filmischen Abfolge zu erzeugen. Die Augenlider als Flügel eines Malteserkreuzes. Unten rechts acht Flammen, die einen Menschen verschlingen. Links gegenüber die Darstellung eines nackten Mannes auf der Kommunikationsplatine der Voyager-Raumkapsel - mit Flügelfedern am linken Unterarm. Die Story eines wie gewonnenen, so zerronnenen schwarzen Raumes. Und niemand da, ihn zu erzählen oder zu lesen, und alle Herzen zu klein, um das für einen Flug benötigte Blut zu pumpen." (Aus: Schwarze Blöcke, SchwarzHandPresse 2010).

(1984) 

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Zeichnung (24) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Leonid Iljitsch Breschnew Ende der 70er Jahre in seinem Situation Room im Kreml vor zwei laufenden Fernsehprogrammen. Noch keine Anzeichen von Reizüberflutung oder gar Gemüsedasein. Ein von Osten hereinfallender Set von Küchenmessern samt Fleischgabel, Hackbeil und Wetzstahl. Der Knebelverschluß einer Existentialisten-Kutte aus den 60er Jahren verknüpft den Handgriff eines Messers mit dessen Schatten auf dem Gesicht von Magdalena Montezuma im Film Macumba von Elfi Mikesch, 1982. David Marc druckte die Zeichnung 1995 in seinem Buch Bonfire of the Humanities (Scheiterhaufen der Geisteswissenschaften) mit der Unterschrift ab: 'The best minds of Allen Ginsberg's generation were still accusing the radio of hypnotism in 1955'. Diese Klage über selbstgerechte, intellektuelle Shortcomings könnte heute fortgesetzt werden mit 'The best minds of Hape Kerkeling's generation will never get the difference between 35mm film and digital video.' A rather 'b'schssne Sit'ation!' - but who cares. Praxis leidet ja nicht von Natur aus unter Theoriebedarf." (Aus: Schwarze Blöcke, SchwarzHandPresse 2010).

(1984) 

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Zeichnung (23) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Europa im Zugriff eines eisernen Handschuhs. Vierzehn nach Westen aus dem Bild driftende silberne Löffel und in Gegenrichtung aus Richtung Amerika eine langstielige Gartenharke, die an der Stirn meines Vaters kratzt. Die Hand aus Eisen, die Europa in der Klaue trägt, war für die Fachzeitschrift der US Marines das Sinnbild für Bolschewismus. Wer greift hier wie nach wem? Das Bemühen, persönliche Schuld und Sühne in diesem weltgeschichtlichen Reigen, in den man hineingeboren wurde, zu verankern, wurde zu einem utopischen Unterfangen. Klar war nur Eines: Das 'Wunder' im Wort Wirtschaftswunder waren nicht die Wirtschaft, nach deren Logik die Zerstörung noch immer die beste Voraussetzung für ein Wiedererstarken ist, sondern die Seelen der Überlebenden, die ungerührt weiterhin wirtschaftlich tätig sein konnten. Das Wort ist die Feier der Kälte des Überlebens, die dann an uns Kinder weitergereicht wurde. Diese Kette zu durchbrechen, gilt als Verbrechen an einer 'Natur', auf die sich auch schon die Nazis ihren abscheulichen Reim gemacht hatten." (Aus: Schwarze Blöcke, SchwarzHandPresse 2010).

(1984) 

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Zeichnung (20) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Hamburg, 1981. Rechts unten der Geschäftsmann auf der Erbse aus Nr. 14 hinter der aufgeklappten und verbogenen Kühlerhaube eines Cabriolets. "dead Fessel of Wegelagerer, deutsch": eine Schriftzeile des Hasardeurs und singenden Afrikaforschers Kiev Stingl, dessen profunder Song einsam WEISS boys gerade erschienen war. Übers Blatt verstreut drei Teile eines schwarzen Taucheranzuges, von denen das Kopfteil aus einem parallelogrammförmigen Äther hervorragt. In der Mitte ein Glatzkopf mit Käppi, eingezwängt in einem durch Latten markierten, viereckigen Raum. Seine Kopfbedeckung ziert eine Antenne, die in den Äther ragt und an der auf Augenhöhe des Trägers das 360-Grad-Landschaftspanorama des ersten Schenec-Tady-Filmes aufgehängt ist. Links unten die Skizze eines Automaten zur Ausführung von Prügelstrafen - ein Zitat aus der Bild-Zeitung: Der Delinquent muß eine Lochkarte mit dem Strafmaß in den Apparat schieben, sich dann vorbeugen und die Stockschläge durch Betätigung eines Knopfes selbst auslösen. Seine Täterschaft wird protokolliert." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

(1984) 

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Zeichnung (19) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Am ersten Schultag, 1954 in Niedersachsen, mit meinem Stiefopa vor einer Hecke und einer Edeltanne in unserem Vorgarten am frisch angelegten Steinbeet. Er erzählte mir von einem Eisernen Vorhang quer durch Deutschland. Dessen Konstruktion dachte ich mir als verschraubtes Stahlgerüst. Ich fragte mich, wie es im Himmel aufgehängt sein könnte. Auf der anderen Seite war es sicherlich tief im Boden verankert. "EV" = Eiserner Vorhang = e.V. = eingeschriebener Verein = ev. = evangelisch. "2" ist die Zahl, die eine Lehrerin meistens in die rechte untere Ecke meiner Zeichnungen schrieb. 1 = sehr gut, 2 = gut, 3 = befriedigend, 4 = ausreichend, 5 = mangelhaft, 6 = ungenügend. "4" war unsere Hausnummer an der Straße Am Bahndamm hinter der Hecke. "22" ist schon immer meine Lieblingszahl gewesen. Vom Tornister auf meinem Rücken hängt der Wischlappen für die Schreibtafel aus Schiefer. Das transparente Brotauto ist ein Symbol für die dicklich süße, hellbraune Suppe aus Brotresten, die meine Großmutter damals oft für uns kochte." (Aus: arsenal, dezember 10).

(1977) 

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Zeichnung (18) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Hamburg, 1978. Beim Gerede von Heimat ist darauf zu achten, dass ein jeder den Kapitalismus als die seine anerkennen möge, denn eine andere gibt es nicht. Wir sind frei im Sinne von begrenzt verwertbar, den Partikularinteressen unseres Wirtschaftsgesetzes ausgeliefert. Dieser Realität ein transzendental umfassendes Seinsprogramm entgegensetzen zu wollen, artet nur in völkischen Schwachsinn aus. Da sterbe ich lieber als Ware, die keinen Markt gefunden hat. Alles andere ist zu persönlich, nicht intelligent genug und deshalb verbrecherisch. Fürsprecher dieses Systems aber sollten den Mund halten, denn es ist per se menschenleer. Die Skyline von Achim in den 50er Jahren, bei Tag und bei Nacht und seitenverkehrt auf den Kopf gestellt. Tatsachen, die für sich sprechen: Die Zinkwanne im Garten, in der einmal pro Woche gebadet wurde, eine zwei Zentimeter große Ziermuschel auf der Kommode, der blühende Zweig unseres Kirschbaums, das Namensschild meines Schulheftes, eine Aktenlitze und der angedrohte Abwurf einer Atombombe." (Aus: The End, Disko 22, 2011).

(1978)
 

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Zeichnung (17) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Eine grüne Gartenpforte GG in Achim in den 50er Jahren, von Halbstarken nachts in den Graben am Fuße des Bahndamms geworfen, an dem unser Haus stand. Zweimal am Tag raste der Fliegende Roland auf seiner Fahrt von und nach München vorbei und löste bei mir Fernweh aus. Wir spielten Ich erkläre den Krieg auf dem Sandweg vor dem Haus. Die beteiligten Länder, die wir Kinder vertraten, hießen Deutschland, USA, Frankreich und Russland. Josef von Sternberg begann mit seinen täglichen Besuchen. Er war ramponiert von einer Reise in die Südsee. Ratten waren über ihn hinweggelaufen - wie die Insekten in dem Auswandererquartier im Hamburger Hafen, das er in seiner Autobiographie Fun in a Chinese Laundry geschildert hat. Seine Rache gegenüber einer terroristischen Natur lebte er aus, indem er einen ihrer Dschungel in einer Turnhalle in Kyoto für seinen Film Anatahan künstlich nachbauen ließ und ihre grünen Blätter mit silberner Farbe überzog, damit sie auf Schwarzweiß-Film besser zur Wirkung kamen. Das leuchtete mir sofort ein." (Aus: arsenal, september 12).

(1975) 

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Zeichnung (14) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"In Hamburg, 1975, als es noch "Leitmedien" gab.  Manchmal kam es vor, daß sich am Eingang zur Tiefgarage des Spiegel-Hauses an der Hamburger Brandstwiete eine Frau mit einem Umschlag in der Hand postierte, den sie wie ein Schild vor sich hielt und auf dem geschrieben stand: "Für Rudolf Augstein persönlich".  Der Wachtturm? Die Mutter von Julian Assange? Als würde das einen Unterschied machen. Dazu ein Traum, geträumt in der benachbarten Kleinen Reichenstraße: R = Es beginnt zu regnen. Drei Radfahrer schweben auf einem Ring aus Stahl an einem Fallschirm ins Meer. Ein fahrerloser PKW rast die Küstenstraße entlang. Vor seiner Windschutzscheibe ist ein schwarzes Tuch aufgespannt, in das von allen Seiten her Blitze einschlagen. Auf seinem Rücksitz sitzt ein Geschäftsmann auf einer Erbse. Nebenan im Afrikahaus druckt Hermann Gremliza in konkret die von mir in Kalifornien übersetzten, wirren Schriften von Charles Manson ab. Um ganz sicher zu gehen, lässt er dazu den DKP-Frischling Martin Walser eine bewahrpädagogische Einführung schreiben." (Aus: Zeichnung oder Film, 2013).

( 1975)

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