Maillarts Brücken
Der Film zeigt vierzehn Dachkonstrutionen und Brücken aus Stahlbeton, die der Schweizer Bauingenieur Robert Maillart zwischen 1910 und 1935 geplant und ausgeführt hat:
Das Lagerhaus an der Giesshübelstrasse in Zürich von 1910, das Filtergebäude in Rorschach von 1912, die Lagerhalle der Maggazini Generali SA in Chiasso von 1924, das Aquädukt bei Chatelard von 1925, die Brücke über den Valtschielbach von 1925, die Salginatobelbrücke von 1930, die Spitalbrücke von 1931, die Brücken über den Bohlbach von 1932, die Rossgrabenbrücke von 1932, die Brücke über den Schwandbach von 1933, die Thurbrücke bei Felsegg von 1933, der Fussgängersteg über die Töss in Winterthur von 1934 und die Arvebrücke bei Genf von 1935. Die Aufnahmen fanden im April 1996 statt.
Abb 1: Lagerhaus von 1910 an der Giesshübelstrasse in Zürich, Schweiz, am 15. April 1996
Abb 2: Filtergebäude bei Rorschach am Bodensee von 1912, Schweiz, am 16. April 1996
Maillarts Brücken
Architektur als Autobiografie – Robert Maillart (1872-1940)
Photographie und jenseits – Teil 3
BRD 1995-2000
35 mm, Farbe, Dolby Stereo SR, Format 1 : 1,37, 24 Minuten
Regie, Kamera und Schnitt: Heinz Emigholz
Mitarbeit: Andreas Senn, Thomas Wilk
Tonbearbeitung: Martin Langenbach
Mischung: Stephan Konken
Produziert von Pym Films in Kooperation mit der FilmFörderung Hamburg und der WDR Filmredaktion. Redakteur: Wilfried Reichart
Uraufführung: Internationales Forum des Jungen Films, Berlin, 9.2.2001
Abb 3: Offene Lagerhalle von 1924 auf dem Bahnhof in Chiasso, Schweiz, am 18. April 1996
Robert Maillart revolutionierte die Stahlbetonbauweise und realisierte mit seiner Reduktion des Materials auf die wesentlich tragenden Teile und deren Neugestaltung in seinen Bauwerken eine bis dahin unbekannte Formenwelt. Seine Themen und Erfindungen - Pilzdecken- und Gegenbogenkonstruktionen, unterzugslose Decken, Dreigelenkbogen, Rundbogen-Brücken mit gekurvter Fahrbahn - erforschten enzyklopädisch die Möglichkeiten der Stahlbetonbauweise und setzten in ihrer komplexen Einfachheit und Eleganz der tragenden Teile weltweit neue ästhetische Massstäbe. Seine Abkehr von der Massivbauweise und Reduktion auf die wesentlichen Kraftlinien erzeugte aber auch das Misstrauen der Ämter und führte zu absurden Bauauflagen.Seine bahnbrechenden Experimente finden sich in abgelegenen Tälern kleiner Kantone, in denen man ihm freie Hand beim Gestalten gewährte.
Abb 4: Aquädukt von 1924 bei Châtelard, Schweiz, am 20. April 1996
An der Zufahrt zur Salginatobel-Brücke in Graubünden fanden wir einePlakette der "American Society of Civil Engineers", die die Brücke zum "International Historic Civil Engineering Landmark" erklärte. Das Museum of Modern Art in New York widmete Maillart 1947 eine Ausstellung. Max Bill veröffentlichte 1949 als erster ein stilbildendes Buch über seine Werke. In Europa blieb Maillart lange Zeit nur Insidern bekannt. Seine Bauten im vorrevolutionären Russland von 1912-1918 werden fälschlicherweise den "Künstleringenieuren" der Revolutionsphase zugeschlagen.
Bei den Brücken war es interessant zu erfahren, dass es immer nur einer begrenzten Anzahl filmischer Einstellungen bedurfte, um die Kräfte vor Ort und ihre Komposition optimal wiederzugeben. Wir haben eine Idee von den Orten vor ihrer Überbrückung bekommen, als wir uns in stundenlangen Wanderungen durch kleine Gebirgstäler Aufnahmestandpunkte für die Unterseiten der Brücken erwandert haben. Wir haben uns über die Betonbrücke über uns als wahrgewordene Chimäre und Wunschvorstellung gefreut. Wir haben die Zeit, die die Menschen mit ihrer Benutzung einsparen, am eigenen Leib verspürt.
Abb 5: Brücke über den Valtschielbach von 1925 bei Donath in Graubünden, Schweiz, am 17. April 1996
Eine Brücke ist auch immer eine Metapher, eine Zeitmaschine. Sie kürzt ab, überbrückt, transformiert einen Zustand in einen nächsten. Sie ist zugleich Strasse und Tunnel. Sie realisiert einen Qualitätssprung und stemmt sich gegen die Elemente – ein Symbol für die Anstrengungen der Menschen, mit den Gegebenheiten dieser Erde zurechtzukommen.
Wie ein Abgrund elegant zu überwinden ist, zeigt uns Robert Maillart in seiner Kunst.
Wir haben in der Landschaft nachvollzogen, wie zuerst ein Wunsch die Schlucht überbrückt hat, die Vorstellung hier zu sein und im nächsten Moment auf der anderen Seite. Diese Luftlinie des Wunsches so schlank und unaufdringlich wie möglich gegen die Gravitätskräfte bogenförmig abzustützen, eingepasst in den Fluss der Gesteine und die Formen der jeweiligen Landschaften, war Robert Maillarts Leistung und das Motiv vieler seiner Erfindungen.
Abb 6: Brücke von 1925 über den Bohlbach, Gemeinde Habkern bei Interlaken, Schweiz, am 19. April 1996
Abb 7: Brücke über den Salginatobel von 1930 bei Schiers in Graubünden, Schweiz, am 16. April 1996
Abb 8: Brücke von 1933 über die Thur bei Felsegg im Kanton St. Gallen, Schweiz, am 16. April 1996
Abb 9: Fussgängerbrücke von 1934 über den Töss in Winterthur, Schweiz, am 15. April 1996
Abb 10: Brücke über die Arve von 1935 in Vessey bei Genf, Schweiz, am 20. April 1996