Die Basis des Make-Up

Die Basis des Make-Up

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Zeichnung (68) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Eine schräg in den Fußboden gerammte Kommode aus der Gründerzeit war 1988 Teil meiner Ausstellung Der Untergang der Bismarck in der Berliner Zwinger Galerie, die die Bismarcksche Sozialgesetzgebung und das Schicksal der Schlachtschiff-Besatzung zum Thema hatte. Der abgesägte Teil des Möbelstücks hing darüber an der Wand, die rustikalen Beschläge der Rednertribüne des Bonner Bundestages an der Decke. Petra Nettelbeck im Rollstuhl, gezeichnet mit einer Maus in der damaligen, noch pixiligen Version von MacPaint, dreht sich auf dem obersten Absatz der verhaßten Treppe zum Büroraum der Galerie um. Schwarz gezeichnet die Grundrisse zweier Höhlen in der Südpol-Passage des Arthur-Gordon-Pym–Romans von Edgar Poe. Wenn der Staat dein Leben einfordert und dich absaufen läßt, hat das Demokratie-Spiel ein Ende. Opfergänge und Auflösungen von Rätseln, die kurz bevorstehen, aber niemanden mehr interessieren. Zu früh, zu spät, und nicht auf dem Punkt: die Revolutionen, die ohne uns stattfinden." (Aus: arsenal, november 18). 

 (1988) 

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Zeichnung (347) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Die diffuse Silhouette eines US-Schlachtschiffes, das zu Beginn des Ersten Golfkrieges einen Marschflugkörper abfeuert. Ein Triumph des vom Pentagon entwickelten Global Positioning Systems, das den Siegeszug der unbemannten Fire-and-Forget–Waffen ermöglichte. Angefangen hatte alles im Zweiten Weltkrieg mit dem japanischen Raketengleiter Oka („Kirschblüte“), bei der noch das Gehirn eines Kamikaze-Piloten die Stelle des Computers einnehmen mußte. Von alliierten Soldaten wurde diese bemannte Gleitbombe folgerichtig Baka („Idiot“) genannt. Versenkt wurde damit ein einziges Schiff, die USS Abele im April 1945. Kamikazeflieger bekamen keine zweite Chance, einen ersten Eindruck zu machen. Drei angeekelte Akrobaten rutschen aus Protest gegen den Raketenstart auf nackten Sohlen am linken inneren Bildrahmen wie an einer Glasscheibe herunter. Ein Sitzmöbel aus der Zeit des Biedermeier dient als Notenschlüssel für den daraus resultierenden Zusammenklang quietschender und donnernder Geräusche." (Aus: arsenal, oktober 18).

(2007) 

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Zeichnung (254) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Eine religiös verkündete Apokalypse, ein berstender Himmel dargestellt auf einem Holzschnitt von Albrecht Dürer. Betende, die sich mit dem Rücken zum Betrachter vor einem stilisierten Haus auf einem Küchenpapier-Aufdruck verneigen und den Boden küssen. Die Darreichung einer Küchenrolle rechts, dazu links zwei Pappeln auf einer Kohlenhalde in West-Berlin zur Zeit der Blockade. ADE = Abschied, A = Anfang, D = Dürer, E = Ende. „Der Anfang vom Ende“ wäre geprahlt: Der Anfang ist das Ende. Organisierte Religiösität vergiftet alles. Sie ist “gewalttätig, irrational und sektiererisch, verbündet sich mit Rassismus, Tribalismus und Fanatismus, fördert Ignoranz, verhindert freie Forschung, verachtet Frauen, bemächtigt sich der Kinder und hat fast alles auf dem Gewissen“, schreibt Christopher Hitchens in seinem Buch God is Not Great von 2007. Achtung, der Fortschritt ist unaufhaltsam: Jetzt müssen wir die wahhabitischen Saudis dafür loben, daß sie ihren Frauen das Autofahren erlauben wollen." (Aus: arsenal, september 18).

(1993) 

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Zeichnung (574) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Eine religiös verkündete Apokalypse, ein berstender Himmel dargestellt auf einem Holzschnitt von Albrecht Dürer. Betende, die sich mit dem Rücken zum Betrachter vor einem stilisierten Haus auf einem Küchenpapier-Aufdruck verneigen und den Boden küssen. Die Darreichung einer Küchenrolle rechts, dazu links zwei Pappeln auf einer Kohlenhalde in West-Berlin zur Zeit der Blockade. ADE = Abschied, A = Anfang, D = Dürer, E = Ende. „Der Anfang vom Ende“ wäre geprahlt: Der Anfang ist das Ende. Organisierte Religiösität vergiftet alles. Sie ist “gewalttätig, irrational und sektiererisch, verbündet sich mit Rassismus, Tribalismus und Fanatismus, fördert Ignoranz, verhindert freie Forschung, verachtet Frauen, bemächtigt sich der Kinder und hat fast alles auf dem Gewissen“, schreibt Christopher Hitchens in seinem Buch God is Not Great von 2007. Achtung, der Fortschritt ist unaufhaltsam: Jetzt müssen wir die wahhabitischen Saudis dafür loben, daß sie ihren Frauen das Autofahren erlauben wollen." (Aus: arsenal, september 18).

(1993) 

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Zeichnung (267) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Mood Circle, ein Kreislauf unberechenbarer Launen. Doom Clerc, der Dechiffreur eines unvermeidlichen Verhängnisses. Nach der alten Zeichnung Mood Circle Mona Cries von 1971, dem Jahr, in dem alles aus dem Ruder lief. Ein zum Untergang verdammtes Stabilbaukasten-Paddelboot als Symbol meines abgebrochenen Universitätsstudium. Die Stele mit einer Männerskulptur aus der russischen Kaserne in Wünsdorf reicht bis in die Wolken. Eine hohe, spitz zulaufende Tsunami-Welle läuft auf dem Festland auf die Stele zu. Verschlagene westliche Dekadenz: Während der Vorbeifahrt an dem Militärkomplex warfen wir den Rekruten, die dort den Gehweg fegen mußten, Pornohefte zu. Und das, nachdem sich Freunde in Prag darüber beschwert hatten, daß wir nur Apfelsinen mitgebracht hatten statt der erwünschten Exemplare des Spiegel. Die Früchte erscheinen mir auch heute noch die sinnvollere Gabe als jene Journaille, und die Pornos machten unmittelbar Sinn – ein versteckter Verweis auf Klossowskis La Monnaie vivante, das gerade erschienen war." (Aus: arsenal, mai 18).

(1996)

 

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Zeichnung (403) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Uniformierte Werbung und werbende Uniformen. Der Kampf zwischen den Geschlechtern als mehr oder weniger unterhaltsame Zirkusnummer im Kaufhauskatalog. Für Homosexuelle schwer zu begreifen, es sei denn, man deklariert auch die graduellen Unterschiede innerhalb eines Geschlechtes als Kampfpositionen. In Stangen eingezwängte Paarungen von steifen Männershorts und glatten Frauenröcken. Die kurzen Hosen dabei als leere Avantgarde, bewacht von einer langen Anzughose im Hintergrund. In der Popkultur wird wieder „um einen Mann, einen richtigen Mann“ gebettelt werden, den man in den USA in Form des deutschstämmigen Donald Trump schon bekommen hat. Nichts gegen den klugen Friedrich Hollaender, der schon immer den richtigen Riecher hatte. Harvey Weinstein, der die Besetzungscouch zur Dusche umfunktionierte, wird als Jesus einer gediegenen Körperlichkeit wieder auferstehen, und seine Memoiren werden demnächst alle Rekorde brechen. Dann heißt es nicht mehr #MeToo, sondern nur noch: #IchWillMit." (Aus: arsenal, juli/august 18).

(1976) 

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Zeichnung (601) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"The World: ein Hosenstall. Transparent: der geschlossene Eingriff einer bügelfreien Anzughose. Liebe als Arbeit: ein hingehaltenes Schiffsmodell vor einem Paar, das in Missionarsstellung den Geschlechtsverkehr ausübt und vorher weder Lust noch Zeit hatte, sich die Anziehsachen auszuziehen. Die schwarzen Flächen waren Papierreste auf einem Polaroid-Negativ der Szenerie. RO ID = Das rohe Es, die Verabredung und das Einvernehmen, tierisch sein zu dürfen. Harvey Weinstein sollte zum Christentum übertreten, dann würde ihm alles vergeben werden. Seine Übergriffe waren jedem und jeder Filmschaffenden seit langem bekannt, auch ante delictum. Das journalistische Getue, das sich jetzt so plötzlich um seine miese Rolle rankt, trägt alle Ingredienzien für einen neuen McCarthyismus in sich. Einen Vorgeschmack davon konnte man bekommen, als auf dem Think:Film-Kongress 2012 der Film Traité de bave et d’éternité (1951) von Isidore Isou bei Andrea-Dworkin-Aficionados urplötzlich in Ungnade fiel." (Aus: arsenal, juni 18).

(1988) 

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Zeichnung (295) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Mood Circle, ein Kreislauf unberechenbarer Launen. Doom Clerc, der Dechiffreur eines unvermeidlichen Verhängnisses. Nach der alten Zeichnung Mood Circle Mona Cries von 1971, dem Jahr, in dem alles aus dem Ruder lief. Ein zum Untergang verdammtes Stabilbaukasten-Paddelboot als Symbol meines abgebrochenen Universitätsstudium. Die Stele mit einer Männerskulptur aus der russischen Kaserne in Wünsdorf reicht bis in die Wolken. Eine hohe, spitz zulaufende Tsunami-Welle läuft auf dem Festland auf die Stele zu. Verschlagene westliche Dekadenz: Während der Vorbeifahrt an dem Militärkomplex warfen wir den Rekruten, die dort den Gehweg fegen mußten, Pornohefte zu. Und das, nachdem sich Freunde in Prag darüber beschwert hatten, daß wir nur Apfelsinen mitgebracht hatten statt der erwünschten Exemplare des Spiegel. Die Früchte erscheinen mir auch heute noch die sinnvollere Gabe als jene Journaille, und die Pornos machten unmittelbar Sinn – ein versteckter Verweis auf Klossowskis La Monnaie vivante, das gerade erschienen war." (Aus: arsenal, mai 18).

(1996) 

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