Die Basis des Make-Up

Die Basis des Make-Up

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Zeichnung (77) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Zum Einüben: die Silhouetten von zweiunddreißig Kampfflugzeugen auf einer Kenntafel für Jet-Piloten. Das Erkennen des Gegners und die daraus abgeleiteten Reaktionen müssen blitzartig und wie in Trance stattfinden, im Sinne tradierter Raubtiereigenschaften. Drei an Schläuchen angeschlossene, noch lebende Kaninchen warten derweil in schuhkartonartigen Kisten, deren Deckel man wie Halskrausen hinter ihren Köpfen verschlossen hat, auf die medizinischen Versuche, die man mit ihnen anstellen wird. Eine verordnete Passivität im Dienste der menschlichen Monokultur und ihrer Alleinstellungsmerkmale. Die traurigen Augen von Bonn: Ein Mann mit zentimeterlangen Hängewarzen an den Augenlidern und aufgerissenen Pupillen schaute 1987 vom Bahnsteig des dortigen Hauptbahnhofs in mein Zugabteil und direkt in meine noch gesunden Augen. Ich kam mir überrumpelt wie das Versuchskaninchen einer erkrankten Menschheit vor und beobachte seitdem argwöhnisch meine Augenlider. Wer will schon wissen, dass er ein gewalttätiges Tier ist, oder es gesagt bekommen." (Aus: Schwarze Blöcke, SchwarzHandPresse 2010).

(1988) 

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Zeichnung (486) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Brooklyn, 1975, 240 President Street. Eine Schlafcouch, die samt Kissen in die Schwerelosigkeit abhebt, ein Ventilator, der auf Null steht, und eine Frau im schwarzen Kleid, die mit ihrem bereiften Arm am Plastiküberzug eines Sessels kleben bleibt. Zero Gravity. Auf einer Rundreise durch Marokko, die Paul Bowles Anfang der 30er Jahre mit Aaron Copland unternahm, bekannte dieser in Fez, er könne dessen Begeisterung für das Land nicht teilen. Nichts sei dort für ihn neu, habe er doch schon als Kind für alles dort Erfahrene Entsprechungen auf der President Street in Brooklyn gesehen und gehört. Sprechen die Orte für den einen, schweigen sie für den anderen. Ich hatte keine Ahnung, wo ich gelandet war, wusste aber, dass ich an diesem Ort verrückt zu werden drohte. Wie Nelson Dyar in Tanger, 1951. Später erzählten Jacques Levy und Bob Dylan auf Desire, dass Joseph Gallo, genannt Crazy Joey, dort geboren und zu Grabe getragen worden ist. Noch mehr als ein Experiment kam mir das Leben vor wie eine aufgezwungene Recherche. " (Aus: flypaper #5, 2010).

(1975) 

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Zeichnung (3) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Brooklyn, 1975, 240 President Street. Eine Schlafcouch, die samt Kissen in die Schwerelosigkeit abhebt, ein Ventilator, der auf Null steht, und eine Frau im schwarzen Kleid, die mit ihrem bereiften Arm am Plastiküberzug eines Sessels kleben bleibt. Zero Gravity. Auf einer Rundreise durch Marokko, die Paul Bowles Anfang der 30er Jahre mit Aaron Copland unternahm, bekannte dieser in Fez, er könne dessen Begeisterung für das Land nicht teilen. Nichts sei dort für ihn neu, habe er doch schon als Kind für alles dort Erfahrene Entsprechungen auf der President Street in Brooklyn gesehen und gehört. Sprechen die Orte für den einen, schweigen sie für den anderen. Ich hatte keine Ahnung, wo ich gelandet war, wusste aber, dass ich an diesem Ort verrückt zu werden drohte. Wie Nelson Dyar in Tanger, 1951. Später erzählten Jacques Levy und Bob Dylan auf Desire, dass Joseph Gallo, genannt Crazy Joey, dort geboren und zu Grabe getragen worden ist. Noch mehr als ein Experiment kam mir das Leben vor wie eine aufgezwungene Recherche." (Aus: flypaper #5, 2010).

(1975)

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Zeichnung (292) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Lifestyle-Käse: Die Verwischung der Grenzen zwischen Lebensstil und Kunstprodukt, gemeinhin gefeiert als „Leben“, das, wie man weiß, nicht lebt, ist spätestens seit D’Annunzios Treiben Legende. Daß er seinen Kitsch und seine Drogensucht als gepampert reicher Mann ausleben durfte, enthebt seinen Inszenierungen nicht dem Vergleich mit denen von, sagen wir mal, Jack Smith, der seine lukrativen Beziehungen nur geschickt verbarg. Dieser wußte von der normativen Kraft der street credibility, jener von der bindenden Kraft des Neids. Arrested development ist in beiden Fällen zu konstatieren. Viele Künstler leben in Armut, aber seit wann ist Armut eine Kunst? Auch wird Kunst durch Armut nicht geadelt. Das Ringen um Anerkennung, daß allzu oft vor der Haustür der Bourgeoisie und ihren Politikern als Bettelnummer ausgetragen wird, ist ein Akt autoritärer Fixierung. Daß man die Armut und ihre Gründe analysiert, ist noch lange keine Kunst, sondern zuerst einmal eine Wissenschaft. Die Armut darzustellen, kann allerdings eine sein." (Aus: arsenal, dezember 20).

Fußboden eines Apartments an der West 11th Street in NYC, 1975. Auf dem Teppich eine Flasche Hautmilch, auf die ich beim Aufstehen getreten bin und deren Inhalt gegen den Rand des Bettuches spritzte, direkt unter das stilisierte Profil von Jonas Mekas aus dem Kopf seiner Village-Voice–Kolumne. Die Voice liegt auch auf dem Teppich. Darin ein Interview von Jonas (J) Mekas mit Klaus (K) Wyborny. J und K als Raubfische der Tiefsee. J trägt als Muster ein Schreckensgesicht auf dem transparenten Magenbeutel.

(1993) 

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Zeichnung (174) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Die Dunkelphase einer Sonnenfinsternis am Hambacher See am 11. August 1999. Zwei nackte Männer mit Boxhandschuhen verschwinden zwischen den hohen Gräsern am Seerand. Ein Rhönradfahrer aus dem Fotoband In Licht und Sonne von Kurt Reichert aus den 30er Jahren überquert die Liegewiese, ebenso wie der Schatten der tieffliegenden Air Force One mit Präsident Clinton an Bord auf dem Weg von Schönefeld nach Moskau. Oder war es nur eine zweite Air Force One, die zur Ablenkung die gleiche Strecke flog, ohne den Präsidenten an Bord? Die Männer zwischen den Gräsern sind aufgeschreckt und fühlen sich belästigt von dieser möglichen Doppelung. Wie Hasen auf Hinterbeinen schnuppern sie in die Luft, um eine Witterung aufzunehmen. Alles riecht nach Abgasen, der Raum verdichtet sich, eine Zeitanomalie setzt ein und am Himmel erscheint als Gespenst ein futuristisches, dreieiiges Geschlechtsorgan mit Düsenantrieb. Alle tun so, als hätten sie nichts gesehen, wenden sich sprachlos ab und gehen vermehrt ihren drängenden Geschäften nach." (Aus: arsenal, september 20).

(1999) 

 

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Zeichnung (535) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Die Dunkelphase einer Sonnenfinsternis am Hambacher See am 11. August 1999. Zwei nackte Männer mit Boxhandschuhen verschwinden zwischen den hohen Gräsern am Seerand. Ein Rhönradfahrer aus dem Fotoband In Licht und Sonne von Kurt Reichert aus den 30er Jahren überquert die Liegewiese, ebenso wie der Schatten der tieffliegenden Air Force One mit Präsident Clinton an Bord auf dem Weg von Schönefeld nach Moskau. Oder war es nur eine zweite Air Force One, die zur Ablenkung die gleiche Strecke flog, ohne den Präsidenten an Bord? Die Männer zwischen den Gräsern sind aufgeschreckt und fühlen sich belästigt von dieser möglichen Doppelung. Wie Hasen auf Hinterbeinen schnuppern sie in die Luft, um eine Witterung aufzunehmen. Alles riecht nach Abgasen, der Raum verdichtet sich, eine Zeitanomalie setzt ein und am Himmel erscheint als Gespenst ein futuristisches, dreieiiges Geschlechtsorgan mit Düsenantrieb. Alle tun so, als hätten sie nichts gesehen, wenden sich sprachlos ab und gehen vermehrt ihren drängenden Geschäften nach." (Aus: arsenal, september 20).

(1999) 

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Zeichnung (440) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Experimenteller Käse: Nehmen wir einmal an, Sie planen als Filmemacher, die Filmförderungsgesetze so umzuschreiben, daß das Geld fürderhin in die eigene Tasche fließt, dann müßte man entgegnen: Alles schon dagewesen. Am Besten Sie erzwingen dazu noch einen eigenen Fernsehkanal und bestücken ihn zur Hauptsache mit eigenen Produkten. Die Anzahl Ihrer Erzeugnisse mag dazu nicht ausreichen, so daß Sie auf Fremdware angewiesen sein werden. Da Sie aber nicht die Absicht haben, irgendwelche Rechte zu bezahlen, sondern im Gegenteil sämtliche Verwertungsrechte an diesen Sendungen selbst einstreichen wollen, verzerren und verfärben Sie die benutzen Bild- und Filmzitate hinreichend und montieren irgendwelche Kinkerlitzchen hinein, und schon haben Sie ein Produkt, für das Sie eine 'künstlerische Bearbeitung' beanspruchen können. So landet der Reibach bei Ihnen. Daß Sie für Ihr trostloses Makramé von der Kritik auch noch höchstes Lob einfahren, ist nur konsequent, denn es gibt dort nichts Beliebteres als experimentellen Käse." (Aus: arsenal, oktober 20).

Schuhtorte. 

(2007) 

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Zeichnung (224) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Experimenteller Käse: Nehmen wir einmal an, Sie planen als Filmemacher, die Filmförderungsgesetze so umzuschreiben, daß das Geld fürderhin in die eigene Tasche fließt, dann müßte man entgegnen: Alles schon dagewesen. Am Besten Sie erzwingen dazu noch einen eigenen Fernsehkanal und bestücken ihn zur Hauptsache mit eigenen Produkten. Die Anzahl Ihrer Erzeugnisse mag dazu nicht ausreichen, so daß Sie auf Fremdware angewiesen sein werden. Da Sie aber nicht die Absicht haben, irgendwelche Rechte zu bezahlen, sondern im Gegenteil sämtliche Verwertungsrechte an diesen Sendungen selbst einstreichen wollen, verzerren und verfärben Sie die benutzen Bild- und Filmzitate hinreichend und montieren irgendwelche Kinkerlitzchen hinein, und schon haben Sie ein Produkt, für das Sie eine 'künstlerische Bearbeitung' beanspruchen können. So landet der Reibach bei Ihnen. Daß Sie für Ihr trostloses Makramé von der Kritik auch noch höchstes Lob einfahren, ist nur konsequent, denn es gibt dort nichts Beliebteres als experimentellen Käse." (Aus: arsenal, oktober 20).

Ein schräg gerahmtes Gehirn hinter einem Baumstamm, der von einem Mann umarmt wird. Eine Torte aus Schuhen vor schwarzem Grund. 

(2007) 

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Zeichnung (146) aus DIE BASIS DES MAKE-UP

"Lifestyle-Käse: Die Verwischung der Grenzen zwischen Lebensstil und Kunstprodukt, gemeinhin gefeiert als „Leben“, das, wie man weiß, nicht lebt, ist spätestens seit D’Annunzios Treiben Legende. Daß er seinen Kitsch und seine Drogensucht als gepampert reicher Mann ausleben durfte, enthebt seinen Inszenierungen nicht dem Vergleich mit denen von, sagen wir mal, Jack Smith, der seine lukrativen Beziehungen nur geschickt verbarg. Dieser wußte von der normativen Kraft der street credibility, jener von der bindenden Kraft des Neids. Arrested development ist in beiden Fällen zu konstatieren. Viele Künstler leben in Armut, aber seit wann ist Armut eine Kunst? Auch wird Kunst durch Armut nicht geadelt. Das Ringen um Anerkennung, daß allzu oft vor der Haustür der Bourgeoisie und ihren Politikern als Bettelnummer ausgetragen wird, ist ein Akt autoritärer Fixierung. Daß man die Armut und ihre Gründe analysiert, ist noch lange keine Kunst, sondern zuerst einmal eine Wissenschaft. Die Armut darzustellen, kann allerdings eine sein." (Aus: arsenal, dezember 20).

Uncle Fishhead. 

(1993) 

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